Die Influenza ist in diesem Winter schneller als erwartet zurückgekehrt, nachdem sie im vorigen Winter fast verschwunden war. Damit wachsen die Sorgen vor einer verlängerten Zwillings-Epidemie zusammen mit Covid-19. Zudem ist fraglich, wie gut die Impfstoffe gegen die gewöhnliche Grippe diesmal helfen.
Mit Lockdowns, Masken und Abstandhalten als sozialer Norm hat die Coronapandemie im Winter 2020/2021 das Grippevirus verdrängt, das laut Zahlen normalerweise pro Jahr rund 650.000 Menschen weltweit tötet. Doch nun, da weniger strenge Maßnahmen gegen Covid-19 gelten, sieht das anders aus.
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Seit Mitte Dezember zirkulieren die Grippeviren in Europa schneller als erwartet, berichtet die EU-Seuchenschutzbehörde European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Bis zur letzten Dezemberwoche stieg die Zahl der Grippefälle auf europäischen Intensivstationen stetig auf 43 an. Das ist immer noch weit unter den Höchstständen vor der Coronapandemie. In der besonders schweren Grippesaison 2018 wurden in manchen Wochen mehr als 400 Intensivpatienten mit Influenza gezählt. Aber im Vergleich zum Vorjahr, als im gesamten Dezember 2020 nur ein einziger Grippefall auf einer Intensivstation vorkam, ist es ein dramatischer Anstieg.
Epidemie in drei französischen Regionen
Die Rückkehr des Virus könnte den Beginn einer ungewöhnlich langen Grippesaison bis in den Sommer markieren, erklärte ECDC-Influenzaexperte Pasi Penttinen der Nachrichtenagentur Reuters. »Wenn wir beginnen, alle Maßnahmen aufzuheben, habe ich die große Sorge mit Blick auf Influenza, dass wir uns vielleicht vom normalen Saisonverlauf entfernen, weil das Virus so lange Zeit fast gar nicht in der europäischen Bevölkerung zirkulierte.«
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Normalerweise ende die Grippesaison in Europa im Mai. Wenn im Frühjahr aber der Coronaschutz zurückgefahren würde, könnte auch das Grippevirus weit länger zirkulieren. Eine »twindemic«, also eine Zwillings-Epidemie aus Influenza und Covid-19, könnte die bereits überlasteten Gesundheitssysteme unter übermäßigen Druck setzen, heißt es im Bericht des ECDC.
In Frankreich herrscht in drei Regionen, darunter der Île-de-France um Paris, bereits eine Grippeepidemie. Das geht aus Daten hervor, die das französische Gesundheitsministerium veröffentlichte. Andere Regionen seien in einer präepidemischen Phase. Bisher hat Frankreich in dieser Saison insgesamt 72 schwere Grippefälle verzeichnet, sechs Menschen starben.
Impfstoffe laut Labortests »nicht optimal«
In diesem Jahr scheint sich der Virusstrang H3 der Alpha-Gattung durchzusetzen, der üblicherweise die meisten schweren Fälle unter Älteren verursacht. Penttinen sagte, es sei zu früh für eine abschließende Bewertung, wie stark die Grippeimpfung diesmal hilft. Für Analysen der Wirkung in der Realität werde eine große Zahl erkrankter Patienten benötigt. In Labortests habe sich aber gezeigt, dass die verfügbaren Impfstoffe in diesem Jahr gegenüber H3 »nicht optimal sein werden«.
Die Influenzaviren mutieren ständig, weshalb die Impfstoffe dagegen jährlich angepasst werden. Als über die Zusammensetzung im vergangenen Jahr entschieden wurde, kursierten aber kaum bis gar keine Influenzaviren, was es den Herstellern erschwerte, die dominierenden Stränge vorauszusehen. Die Entscheidung fällt sechs Monate vor dem üblichen Beginn der Grippesaison aufgrund von Daten aus der gegenüberliegenden Erdhalbkugel – für den Winter im Norden also aus dem Winter im Süden.
Der Branchenverband Vaccines Europe räumte ein, dass die Auswahl unter erschwerten Bedingungen vorgenommen wurde, fügte aber hinzu, es gebe noch nicht genug Daten, um Aussagen über die Wirksamkeit der aktuellen Impfstoffe zu treffen.
Zahlen zum Impfstatus gegen Influenza sind noch nicht europaweit verfügbar. In Frankreich haben sich bisher 12 Millionen Menschen impfen lassen, etwa 45 Prozent der angepeilten Zielgruppe. Die Behörden verlängerten die Impfperiode um einen Monat bis Ende Februar, um einen breiteren Schutz zu erreichen. »Es gibt noch viel Verbesserungsspielraum, um die Folgen der Grippeepidemie zu begrenzen«, teilte das Gesundheitsministerium am 11. Januar mit. Das Ziel sei, 75 Prozent der Bevölkerung mit erhöhtem Risiko zu impfen. Vaccines Europe teilte mit, die Industrie habe eine große Zahl an Impfdosen geliefert, trotz der von der Coronapandemie belasteten Produktionsanlagen.