Ein Bauzaun riegelt den Gemüsehof im niederbayerischen Mamming ab, ein Sicherheitsdienst achtet darauf, dass niemand die verhängten Quarantäneregeln bricht und das Gelände verlässt. Bislang wurden dort 174 Erntehelfer, vor allem aus Osteuropa, positiv auf Sars-CoV-2 getestet.
Für Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist der Corona-Ausbruch vom Wochenende auch eine politische Prüfung, eine Prüfung seiner bisherigen Strategie gegen das Virus. Die Grenze über Erfolg und Misserfolg verläuft ziemlich genau entlang des rasch errichteten Bauzauns.
Bleibt das Infektionsgeschehen auf Helfer aus Osteuropa beschränkt, können sich die Verantwortlichen in Staatsregierung und im Landkreis ihre schnelle Reaktion zugutehalten. Hat sich das Virus schon längst unbemerkt in Niederbayern und womöglich darüber hinaus ausgebreitet, stünde auch Söders Ruf als Krisenmanager auf dem Spiel.
Bayerns Ministerpräsident hatte die Messlatte ja selbst hoch gelegt: “Nur wer Krisen meistert, wer die Pflicht kann, der kann auch bei der Kür glänzen”, hatte er in einem Interview mit dem “Tagesspiegel” das Anforderungsprofil an einen Unionskanzlerkandidaten umrissen. Solche Sätze haben zur Folge, dass der Rest der Republik nun sehr genau auf Bayern und dessen Krisenmanagement schaut. Die Opposition im Freistaat wittert bereits eine Art Mini-Gütersloh und Versäumnisse der Söder-Regierung.
Der Ministerpräsident versuchte es am Montag mit gewohnt forscher Öffentlichkeitsarbeit: Der Ausbruch in Mamming soll so schnell und so rigoros wie möglich eingedämmt werden. Zugleich setzte Söder sich an die Spitze der Debatte über mögliche Pflichttests für Urlaubsrückkehrer, inklusive Vorpreschen mit einer bayerischen Testoffensive.
“Corona kommt schleichend zurück, leider aber mit aller Macht”, so bewertete Söder die Situation auf einer Pressekonferenz. Auf dem Gemüsehof habe es “Verstöße gegen Hygienekonzepte” gegeben. “Corona verzeiht keinen Leichtsinn”, warnte Söder. “Vorsicht muss oberstes Gebot bleiben.”
Sein Rezept: “Testen, testen, testen.” In Mamming wurde eine mobile Teststation aufgebaut, ein Testtrupp geht von Haus zu Haus. Bayern will flächendeckend alle Erntehelfer auf das Virus testen lassen, die individuellen Hygienekonzepte sollen die Behörden bei unangemeldeten Kontrollen überprüfen. Geldstrafen für Verstöße können künftig 25.000 Euro statt 5000 Euro betragen.
Bayern prescht mit Testoffensive vor
Doch Söders Test- und Prüfmantra reicht über die Landwirtschaft hinaus. Es ist der aktuelle Kern von Söders Corona-Management.
Seit dem Wochenende können sich Flugreisende an den Flughäfen München und Nürnberg auf Kosten des Freistaats testen lassen, 1500 Menschen haben das Angebot bereits in Anspruch genommen. Große Teststationen soll es auch an den Bahnhöfen München und Nürnberg geben, sowie an drei Autobahn-Einreisepunkten nach Bayern, in Walserberg, Pocking und Kiefersfelden.
Vom Bund fordert Söder, eine Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten zu etablieren, so wie sie derzeit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) prüfen lässt. Eine solche Testpflicht könnte die Quarantäneregelungen ergänzen oder ersetzen.
Gibt es hierzu keine Einigung, könnte das bayerische Kabinett womöglich auch in diesem Punkt allein vorangehen. Söders Sorge sind nach eigenem Bekunden “viele kleine Infektionsherde” oder noch drastischer: “viele Mini-Ischgls”, vor allem durch Familienfeiern und Heimatbesuche.
“Warum muss man in Risikogebiete fahren, wenn man Urlaub in Sicherheit machen kann”, sagte der CSU-Politiker zur Auswahl mancher Reiseziele. Eine Empfehlung, die viele als Einmischung empfinden mögen. Doch liegt sie auf der bisherigen Linie Söders, der weiterhin als Warner und Antreiber auftritt.
Doch muss nun auch der gestrenge Franke damit leben, dass die Statistiken in den kommenden Tagen einen Hotspot in Bayern ausweisen werden. Und womöglich mit der Erkenntnis, dass Unterschiede in der Krisen-PR einer jeweiligen Landesregierung die konkreten Zahlen doch nicht so sehr zu beeinflussen vermögen, sobald die grundlegenden Gegenmaßnahmen wie Maskenpflicht und Abstandsgebot einmal etabliert sind.
Einen Vergleich mit Tönnies und Gütersloh lehnte Söder ab. Einzige Gemeinsamkeit mit dem Ausbruch in Niederbayern: “Es geht immer um Corona.”