Vor 70 Jahren nahm der Zentralrat der Juden seine Arbeit auf. Seine frühere Präsidentin, Charlotte Knobloch, hat das Jubiläum gewürdigt: “Als am 19. Juli 1950 Vertreter des jüdischen Lebens aus ganz Deutschland zusammenkamen, um gemeinsam einen neuen ‘Zentralrat’ zu gründen, da schien es unvorstellbar, dass es noch 70 Jahre später einmal Gratulationen zum Jubiläum geben würde.”
Das schrieb die 87-Jährige in einem Gastbeitrag für die “Bild am Sonntag”. Der Zentralrat hatte Anfang des Monats angekündigt, das Jubiläum unter Corona-Bedingungen mit digitalen Formaten zu feiern.
“Gerade einmal fünf Jahre nach Ende des Holocaust und in einem noch immer zerstörten Land rechnete niemand mit einer solchen Lebensdauer”, schrieb Knobloch. “Der frühe Zentralrat sollte vor allem das tägliche Überleben erleichtern und ansonsten das jüdische Erbe in Deutschland geordnet abwickeln.”
Es sei “ein großes Kompliment für unser Land, dass all das heute unendlich weit weg erscheint”. “Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ist in den letzten 70 Jahren nicht nur nicht verschwunden, sondern sie ist heute größer, vielfältiger und vor allem sichtbarer als je zuvor nach 1945.”
Der Zentralrat der Juden war 1950 in Frankfurt gegründet worden. Wie wichtig ein solcher Zusammenschluss sei, hätten die letzten Jahre gezeigt, schrieb Knobloch – “in Zeiten von wachsendem Judenhass” werde eine solche jüdische Stimme gebraucht.
Bischof: Kultur des Dialoges
In einem Brief an den Präsidenten des Zentralrats, Josef Schuster, betonte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, die Bedeutung des Judentums. “Angriffe auf Juden sind Angriffe auf unsere Demokratie und unser Zusammenleben. Seien Sie gewiss, dass die katholische Kirche auch weiterhin im Kampf gegen Antisemitismus an Ihrer Seite stehen wird”, schrieb er anlässlich des Jubiläums.
Der Bischof wies vor allem auf die von den Ursprüngen bis heute gültigen Aufgaben des Zentralrats hin. Von Anfang an habe er vor Herausforderungen wie der Integration verschiedener religiöser Strömungen in der jüdischen Gemeinschaft gestanden. Auch die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Ermordung europäischer Juden sei ein wichtiger Bestandteil der Arbeit des Zentralrats.
Bätzing erinnerte außerdem an die grundlegende Wandlung des christlich-jüdischen Verhältnisses in den zurückliegenden 70 Jahren. Aus kleinen, mühsamen Anfängen sei mittlerweile eine Kultur des Dialogs zwischen Christen und Juden entstanden.
Zentralrat vertritt rund 100.000 Mitglieder
Heute vertritt der Zentralrat 105 jüdische Gemeinden in Deutschland mit rund 100.000 Mitgliedern, die Verwaltung zog 1999 von Frankfurt am Main nach Berlin. Bei seiner Konstituierung 1950 in Frankfurt am Main hatte sich der Zentralrat noch als eine Interessenvertretung der nach dem Holocaust noch in Deutschland lebenden Juden bis zu ihrer endgültigen Ausreise nach Israel gesehen.
Rund 15.000 Juden lebten damals noch in Deutschland. Zu den Überlebenden des Holocaust kamen Juden, die aus ihrem Exil nach Deutschland zurückkehrten – oft von viel Kritik der internationalen jüdischen Gemeinschaft begleitet. Bald kamen noch rund 200.000 Juden aus Osteuropa dazu, die in ihrer alten Heimat nicht mehr bleiben konnten oder wollten, von diesen wanderten die meisten aber bald nach Israel aus.
Die jüdischen Gemeinden der Anfangsjahre wurden als Gemeinden in Abwicklung verstanden, doch tatsächlich suchte und fand eine nicht unerhebliche Gruppe im Nachkriegsdeutschland eine Lebensperspektive. In etwa 50 Gemeinden gab es in den Nachkriegsjahren rund 26.000 Gemeindemitglieder, der Zentralrat der Juden wurde ihr Dachverband.