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Wirecard-Skandal rückt Bundesregierung bedrohlich nahe

Es ist ein weiteres, aber diesmal ein besonders brisantes Mosaiksteinchen: das Eingeständnis des Bundeskanzleramts, sich für das gescheiterte Finanzunternehmen Wirecard eingesetzt zu haben. Die gestrige Enthüllung des SPIEGEL, wonach sich das Kanzleramt für den Markteintritt des Skandalkonzerns in China starkgemacht hat, schlägt entsprechend hohe Wellen in Berlin, insbesondere bei der Opposition des deutschen Bundestags.

Denn die Nachricht verfestigt bei den Politikern den Eindruck, dass die Regierung nur nach öffentlichem Druck scheibchenweise mit Informationen herausrückt. So kristallisiert sich immer mehr heraus, dass Wirecard und der Staat offensichtlich deutlich stärker miteinander verbunden waren als anfänglich angenommen.

Was es noch heikler macht, ist die Personalie des Vermittlers: So lobbyierte Karl-Theodor zu Guttenberg, der gefallene Politstar der CSU, erfolgreich als Berater von Wirecard bei Bundeskanzlerin Angela Merkel und einem ihrer Mitarbeiter, dem Abteilungsleiter für Wirtschaft, Finanz- und Energiepolitik, Lars-Hendrik Röller. Das Kanzleramt sagte Guttenberg “weitere Flankierung” für ein China-Geschäft des Fintech-Unternehmens aus der Nähe von München zu.

Für den Grünenabgeordneten Danyal Bayaz stellt sich zunächst einmal die Frage, warum die Regierung sich noch im September, auf Betreiben von Guttenberg, bei der Chinareise von Kanzlerin Merkel für Wirecard verwendet hat: “Wie kann man sich für ein Unternehmen einsetzen, wenn bereits zahlreiche Vorwürfe im Raum stehen?”, fragt der Finanzexperte und greift dabei auch Guttenberg direkt an: “Wie kann man sich so vor den Karren eines dermaßen schmerzbefreiten Lobbyismus spannen lassen?”, sagte Bayaz dem SPIEGEL.

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Dabei wirft er dem Kanzleramt vor, offensichtlich keinen Faktencheck gemacht zu haben, bevor man sich für Wirecards China-Geschäft einsetzte. Er spielt damit nicht nur auf die Ermittlungen der Bankenaufsicht Bafin an, die zu diesem Zeitpunkt bereits gegen den Finanzdienstleister im Gange waren und über die sich der Bundesfinanzminister damals bereits seit Monaten informieren ließ.

Bayaz findet, dass die Regierung auch mehr eigene Nachforschungen zu dem chinesischen Fintech-Unternehmen AllScore Payments, bei dem Wirecard später tatsächlich einstiegen ist, hätte vornehmen müssen: Die chinesischen Behörden belegten AllScore im Jahr 2020 mit einer Rekordstrafe wegen seiner Zahlungsabwicklung von dubiosen Onlineglücksspielen. “Beim Fall Wirecard stellt sich schon lange die Frage, ob in dieser Bundesregierung irgendjemand auch mal etwas richtig gemacht hat – und das betrifft offenbar auch das Bundeskanzleramt”, so Bayaz.

Der Linkenpolitiker Fabio De Masi kritisiert ebenfalls den ehemaligen Wirtschafts- und Verteidigungsminister Guttenberg, dessen Beratungsfirma Spitzberg Partners von Wirecard beauftragt war, beim Markteintritt in China zu helfen. “Wo er Klinken putzt, droht morgen ein Skandal”, sagte de Masi dem SPIEGEL. “Das Bundeskanzleramt und das Finanzministerium müssen jetzt dringend Aufklärung betreiben.” De Masi will wissen, ob Merkel sich auch persönlich auf ihrer Chinareise für Wirecard eingesetzt hat und nicht nur einer ihrer wichtigsten Mitarbeiter. Er will auch aufgeklärt bekommen, ob die Kanzlerin über die Ermittlungen bei Wirecard zu diesem Zeitpunkt bereits informiert war.

Die Ungereimtheiten im Handeln der Regierung sind für Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, bereits Anlass, über die schärfste Waffe des Parlaments nachzudenken: “Ein Untersuchungsausschuss ist diese Woche sehr viel wahrscheinlicher geworden, weil mittlerweile eine klare Verbindung der Skandalfirma Wirecard zur Regierung nachgewiesen ist”, sagte er dem SPIEGEL.

Die Frage, warum die Bankenaufsicht im Fall Wirecard nicht funktionierte, will er gemeinsam mit der politischen Verantwortung überprüfen. “Eine reine Organisationsuntersuchung der Bafin würde man nicht parlamentarisch machen, jetzt sieht die Lage anders aus”, sagte der Liberale. Wolle “die Regierung einen Untersuchungsausschuss noch abwenden”, so Toncar, müsse sie jetzt umfassend reinen Tisch machen und vollständig offenlegen, was genau sie über den Fall Wirecard gewusst habe, und was sie an welcher Stelle veranlasst habe.

Die Opposition will das in den nächsten Wochen vorantreiben. Für die Bundesregierung wird es eine sehr unruhige Sommerpause.

Icon: Der Spiegel

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