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News des Tages: Ukraine, Kiew, Energiesparen, Apple, Barack Obama, US-Midterms, Pennsylvania

1. Deutschland heizt, Putin reizt

An diesem Montag dauert der russische Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine bereits 250 Tage. Zu Beginn der neuen Woche hat Putins Armee wieder zahlreiche Städte mit Raketen beschossen. Auch in der Hauptstadt Kiew, in Charkiw und Saporischschja waren Explosionen zu hören. Die Behörden riefen die Menschen auf, sich in Schutzbunkern und anderen Räumen in Sicherheit zu bringen. Es gab Berichte über Stromausfälle, in Kiew sollen 350.000 Haushalte ohne Strom sein, große Teile der Bevölkerung sind zudem von der Wasserversorgung abgeschnitten. »Für den Fall der Fälle sollten Sie sich in den nächstgelegenen Trinkhallen und Verkaufsstellen mit Wasser eindecken«, schrieb der Bürgermeister Vitali Klitschko in einer Nachricht auf Telegram.

Russland hatte erklärt, besonders die Energieinfrastruktur des Nachbarlands ins Visier zu nehmen. Die Ukraine spricht von »Energieterror« mit dem Ziel, die Menschen in Dunkelheit, Kälte und Angst zu stürzen und so in die Flucht in die EU zu treiben.

Dagegen wirken die Schwierigkeiten der Deutschen fast wie Lappalien. Hier fließt Wasser, hier gibt es Strom, hier werden die Räume noch warm – auch wenn das mit höheren Kosten verbunden ist. Doch der Leidensdruck scheint nicht besonders hoch, wie meine Kollegen Stefan Schultz und Matthias Kaufmann berichten. Sie erzählen von einem Energieberater , der im Auftrag einer Hausverwaltung mit 50 Wohnungen ein kostenloses Seminar zum Energiesparen anbot. Statt möglicher 70 Teilnehmer meldeten sich drei an. Der Energieberater sagte den Termin kurzerhand wieder ab. Stefan und Matthias haben drei Gründe ausgemacht, warum die Deutschen sich noch so schwertun, Energie einzusparen:

  • Die ständigen Botschaften, dass die Gasspeicher zu fast 100 Prozent voll sind, suggerieren nicht gerade, dass Gas ein knappes Gut ist.

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  • Es gibt kaum Anreize, weder von der Politik, noch im sozialen Umfeld.

  • Die Motivation, freiwillig mitzuhelfen, wird nicht gefördert, sondern im Gegenteil gebremst. Die vielen neunmalklugen Ratschläge von Politikern, Waschlappen zu nutzen, Pullover anzuziehen oder kürzer zu duschen, führen zu Trotz und zu einer »Jetzt-erst-recht«-Attitüde.

Meine Kollegen aus dem Wirtschaftsressort haben Ihnen dennoch ganz niedrigschwellig, wie man so schön sagt, ein paar Tipps zusammengestellt, die hoffentlich weniger belehrend daherkommen als die der Politiker.

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Kamikazedrohnen lernen schwimmen – und attackieren Schwarzmeerflotte: Mit unbemannten Kampfbooten kontert Kiew wohl Russlands Angriffe auf zivile Infrastruktur. Moskaus Abwehrversuche haben nur mäßigen Erfolg. Was über die Schwimmdrohnen bekannt ist. 

  • Ukrainische Getreideexporte wieder aufgenommen: Russland hat das internationale Getreideabkommen einseitig aufgekündigt – und trotzdem sind Frachtschiffe ukrainische Häfen angelaufen. Nun warnt der Kreml: Man könne nicht für die Sicherheit garantieren.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

2. Arbeiter kapituliert, Apple verliert

Lesen Sie diese »Lage am Abend« auf einem iPhone? Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass Ihr Gerät bei Foxconn in der ostchinesischen Metropole Zhengzhou gefertigt wurde. Seit Jahren steht die Fabrik, in der in normalen Zeiten Hunderttausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind, wegen ihrer miesen Arbeitsbedingungen in Verruf. Seit Ausbruch der Coronapandemie hat sich die Situation noch einmal verschlimmert. Wegen Chinas Null-Covid-Politik ordnete die Regierung nicht nur in Megastädten wie Shanghai strikte Isolation an, sondern auch in Unternehmen. Menschen wurden teilweise wie Gefangene gehalten, denen das Nötigste zum Leben vorenthalten wird.

Die »Financial Times« hatte berichtet, Zensoren in China hätten Videos aus sozialen Netzwerken entfernt, die Mitarbeiter beim Betteln um Lebens- und Arzneimittel zeigen. Tausendfach wurden Beschäftigte offenbar daran gehindert, das Firmengelände zu verlassen. Nun haben die Mitarbeiter des Apple-Zulieferers nach einem Corona-Lockdown die Flucht ergriffen. In sozialen Medien kursierten über das Wochenende zahlreiche Videos von Arbeitern, die das Werksgelände des Unternehmens in Zhengzhou verließen. Zu sehen war, wie Menschen teilweise über Zäune kletterten und mit Koffern und Habseligkeiten über Felder entkamen.

Analysten beeilten sich mitzuteilen, dass die Probleme bei Foxconn die iPhone-Lieferungen im November deutlich beeinträchtigen könnten. Die Produktion soll angeblich um bis zu 30 Prozent sinken. Es ist die Perversion des Kapitalismus, dass sich nach solchen Nachrichten der Blick sofort in Richtung Bilanzen und Aktienkurse wendet. Sollten Sie also überlegt haben, sich oder Ihren Lieben zu Weihnachten ein neues iPhone zu schenken, machen Sie sich schon mal mit dem Gedanken vertraut, dass das vielleicht erst später klappt. Noch besser wäre es natürlich, entweder gleich ganz darauf zu verzichten und auf diese Weise Apple etwas unter Druck zu setzen. Denn die Aktien des US-Konzerns gaben wegen der Zustände in Zhengzhou um 1,5 Prozent nach. Je stärker der Kurs fällt, desto größer womöglich der Handlungsdruck für die Amerikaner, vielleicht doch mal darüber nachzudenken, die Geräte unter menschenwürdigen Bedingungen fertigen zu lassen. Oder Sie weichen eben gleich aus auf ein Fairphone.

3. Obama wirbt, Republikaner bürgt

In den USA ist wieder Wahlkampf. Am 8. November finden in den USA die sogenannten Midterms statt. Eine Prognose ist schwierig, Umfragen sind nicht immer eindeutig. Bei seinem Auftritt für die Demokraten griff der ehemalige US-Präsident Barack Obama jüngst erstmals in den Wahlkampf ein. »Steht auf von der Couch und geht wählen«, rief er auf einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Georgia. »Legt euer Handy weg, lasst TikTok in Ruhe – geht wählen.« Die Demokratie stehe bei dem Urnengang auf dem Spiel, warnte Obama in einem Vorort von Atlanta. Verschwörungstheoretiker, welche den Wahlsieg des jetzigen Präsidenten Joe Biden nicht anerkennen, könnten durch die Wahlen an Macht gewinnen. »Im ganzen Land kandidieren Menschen, die versucht haben, unsere Demokratie zu untergraben«, sagte Obama. Es müsse verhindert werden, dass diese noch mehr Einfluss gewinnen.

Einer dieser Verschwörungserzähler ist der Republikaner Doug Mastriano, der im US-Bundesstaat Pennsylvania Gouverneur werden will. Mastriano, ein extremer Rechter, leugnet Corona, ist Antisemit, war bei den Randalen am Capitol in Washington nach der Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten dabei, wird von Donald Trump hofiert, der wie Mastriano selbst bis heute von Wahlmanipulation 2020 spricht. Der Mann ist also so wenig satisfaktionsfähig, dass sich jetzt in Pennsylvania eine Initiative von Republikanern gegründet hat, die offensiv für die Wahl des Demokraten Josh Shapiro werben. Meine Kollegen Andreas Landberg und Martin Jäschke haben die Bewegung in den USA besucht und zeigen in ihrem Film, warum diese Wahl keine triviale Gouverneurswahl ist, sondern weltweite Konsequenzen haben könnte.

Denn sollte Mastriano gewinnen, würde er den Secretary of State benennen, eine Person, die für den Ablauf von Wahlen zuständig ist. Sollte also bei der kommenden US-Wahl 2024 ein Demokrat oder eine Demokratin gewinnen, könnte sich Pennsylvania unter einem Gouverneur Mastriano weigern, die Wahl zu zertifizieren. Andreas und Martin zeigen in ihrem Film Republikaner, die ihr Leben lang Republikaner gewählt haben, jetzt aber vom Glauben abgefallen ist. Eric Settle, ein Anwalt, sagt: »Es hat weh getan – selbst, als ich das Video für Republicans for Shapiro aufgenommen habe. Ich wusste, dass ich nun endlich öffentlich Stellung nehme – dass andere Republikaner und Freunde das sehen würden. Aber ich wollte das Richtige tun.«

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Was heute sonst noch wichtig ist

  • Kanzler kritisiert Böhmermann für Veröffentlichung von NSU-Akten: Jan Böhmermann und sein »Magazin Royale« haben die NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes veröffentlicht, die noch Jahrzehnte geheim bleiben sollten. Olaf Scholz sagt: Dieses Vorgehen soll keine Schule machen.

  • Gaspreisentlastungen sollen für Besserverdiener steuerpflichtig sein: Die Gaspreissteigerungen bergen enorme soziale Sprengkraft. Die Bundesregierung will gegensteuern. In ihrem Abschlussbericht teilen 21 Experten mit, wie das am besten funktionieren kann.

  • Verfahren gegen Ex-DFB-Funktionäre eingestellt: Das Landgericht Frankfurt zieht einen Schlussstrich unter das Verfahren gegen die Ex-DFB-Funktionäre Wolfgang Niersbach, Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt. Zuvor war bereits ein Prozess in der Schweiz gescheitert.

  • Oktober mit durchschnittlich zwölfeinhalb Grad extrem warm: Das Wetter erinnert eher an den Frühling: Tatsächlich könnte dieser Oktober der wärmste seit Aufzeichnungsbeginn werden. Laut dem Deutschen Wetterdienst ist es ein »Blick in die Klimazukunft«.

Meine Lieblingsgeschichte heute:

Amputierte Hand: Eines der Lieblingsmenüs von Lori Castellon


Foto: Lori Castellon / ghoul.at.heart

Weihnachten begann im Supermarkt vor circa vier Wochen mit all den Stollen, Dominosteinen, Weihnachtsschokomännern. Halloween zieht langsam nach. Mein Eindruck ist, dass sich das Gruselfest nicht mehr auf den 31. Oktober beschränkt, sondern mittlerweile der ganze Oktober ein einziger Schocker ist. Mein Kollege Frank Patalong hat sich mit der Fragestellung »Ist das keltisch, katholisch oder Kokolores?« auf Spurensuche  begeben, woher dieser ganze Zirkus eigentlich kommt und warum er sich über die ganze Welt ausbreitete. Und meine Kollegin Kristin Haug hat eine Frau aus Kalifornien gesprochen, die ihren Kindern abgehackte Hände zum Frühstück serviert. Sie mögen sie nur nicht so gern, weil die Adern aus Käse sind und sie Käse nicht so gern essen.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • China greift nach den Sternen: China setzt einen Akzent im Kampf um die Vorherrschaft im Weltraum: Das letzte Teil für die »Tiangong«-Raumstation ist ins All gestartet. Hier der virtuelle Rundgang .

  • Balanceakt für die Demokratie: Der gewählte Präsident Lula steht vor gewaltigen Herausforderungen: Er muss gleichzeitig die Demokratie stabilisieren und die Wirtschaft in Gang bringen. Dafür gibt es keinen Geeigneteren .

  • Die Leichtigkeit wird es nicht wieder geben: Seoul trauert um 154 junge Menschen, die Halloween in Itaewon feiern wollten und starben. Das Viertel steht für Toleranz und Diversität – nun wird es für immer mit einem nationalen Trauma verbunden sein .


Was heute weniger wichtig ist

Christian Lukhaup aus Waiblingen bei Stuttgart ist Fan von Sahra Wagenknecht. Gemeinsam mit Rury Eprilurahman von der indonesischen Universität Gadjah Mada in Yogyakarta hat der schwäbische Biologe Lukhaup eine neue Krebsart im Fachmagazin »Zoosystematics and Evolution« beschrieben und sie nach der Linkenpolitikerin benannt: »Cherax wagenknechtae«. Er wolle sich damit bei ihr bedanken, weil sie ihn inspiriert habe, für eine bessere und fairere Zukunft zu kämpfen. Ob ihr das schmeichelt? Krebse sind in der Regel bekannt für ihre ausgeprägte Scheren. Sie nutzen sie auch zum Kampf gegen Artgenossen. Insofern passt das dann doch wieder ganz gut auf Wagenknecht.

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Der irre Hype um digititale Werke beherrschte zwei Jahre lang die internationale Kunstwelt.« 

Cartoon des Tages: Wie wir die Welt retten können



Illustration: Klaus Stuttmann


Und heute Abend?

Sollten Sie in Hamburg wohnen und den Feiertag beschwingt und fußwippend ausklingen lassen wollen, lohnt sich der Weg in die Laeiszhalle. Mit etwas Glück können Sie dort noch eine Karte für das vorerst letzte gemeinsame Konzert in Deutschland der legendären Soulbands »The Temptations« und »Four Tops« ergattern. Titel wie »My Girl«, »Just My Imagination (Running Away With Me)« oder »Baby I Need Your Loving« sind zeitlose Klassiker. Was der 280 SL Pagode von Mercedes, sind die Songs dieser beiden Bands: Perlen aus der Hitfabrik Motown in Detroit. Und so heißt auch die Tour »Magic Motown Moments«, die erste gemeinsame seit 15 Jahren.

Seit 60 Jahren besteht die Band »Temptations«, die Komposition »Papa Was A Rollin’ Stone« von Barrett Strong und Norman Whitfield wurde in diesem Jahr 50 Jahre alt, Dutzende Bands haben sie gecovert, auf Tausenden Partys ist das Stück gelaufen, auch wenn es die traurige Geschichte eines Kindes erzählt, dessen Vater in der Stadt rumstreunte und Frauen hinterherjagte, statt sich um die Familie zu kümmern. Auch wenn von der Originalbesetzung nur noch Otis Williams übrig geblieben ist, taugen die Songs als Zeitreise ins Good Old America. (Hier  können Sie reinhören, wenn es mit der Karte nicht mehr geklappt hat.)

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Ihr Janko Tietz

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