Die Bundesregierung hat ihre Ablehnung gegen das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte in Iran kundgetan und weitere Strafmaßnahmen in Aussicht gestellt. »Wir verurteilen die unverhältnismäßige Gewalt der iranischen Sicherheitskräfte gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten dort mit aller Schärfe«, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag. Die Bundesregierung sei »bestürzt darüber, dass bei den schon wochenlang anhaltenden Protesten wegen des Todes von Mahsa Amini zahlreiche friedlich demonstrierende Menschen ums Leben gekommen sind«.
Im Namen der Bundesregierung begrüßte Hebestreit die neuen Sanktionen der EU gegen Iran. Die Regierung prüfe derzeit »weitere Maßnahmen, die allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht spruchreif sind«, fügte er hinzu. Die Bundesregierung nutze ihre »Möglichkeiten, um den Menschen beizustehen, die in Iran für ihre Rechte auf die Straße gehen«.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte, dass sich die Zahl der aktuell in Iran inhaftierten deutschen Staatsbürger »im mittleren einstelligen Bereich« bewege. Deutsche Diplomaten bemühten sich vor Ort um konsularische Betreuung. Insgesamt sei die Lage in Iran derzeit »unübersichtlich«, sagte die Sprecherin.
In der iranischen Hauptstadt Teheran sind rund 1000 Menschen wegen der anhaltenden Proteste angeklagt worden. Die Verfahren sollen öffentlich stattfinden, meldete die halbamtliche Nachrichtenagentur Tasnim am Montag unter Berufung auf den Obersten Richter der Provinz Teheran. Die Angeklagten hätten bei den jüngsten Ereignissen Sabotage begangen. Sie hätten Sicherheitskräfte angegriffen oder getötet und öffentliches Eigentum in Brand gesteckt. Die Prozesse sollen vor einem Revolutionsgericht stattfinden und noch diese Woche beginnen.
14.000 Festnahmen
Seit mehr als sechs Wochen halten die Proteste nicht nur in Teheran, sondern auch in anderen Städten der Islamischen Republik an. Entzündet hatten sie sich am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Die Kurdin war am 16. September in Polizeigewahrsam gestorben. Die sogenannte Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie unangemessen gekleidet gewesen sein soll. Inzwischen haben sich die Proteste zur größten Herausforderung für die geistliche Führung seit 1979 ausgewachsen. Damals wurde im Zuge der islamischen Revolution der Schah gestürzt, und die Islamischen Republik wurde ausgerufen.
Die Sicherheitskräfte gehen zum Teil mit großer Gewalt gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten vor und versuchen, die Proteste zu unterdrücken. Am Wochenende drohten zudem die Revolutionsgarden den Protestierenden, sie sollten sich von der Straße fernhalten. Bislang hatte sich die Eliteeinheit nicht an der Niederschlagung der Kundgebungen beteiligt.
Seit deren Beginn Mitte September sind nach Angaben von Menschenrechtsgruppen landesweit rund 300 Demonstrantinnen und Demonstranten ums Leben gekommen, darunter über 40 Minderjährige. Zudem seien über 30 Sicherheitskräfte getötet worden. Mehr als 14.000 Festnahmen gab es den Angaben zufolge in 132 Städten und kleineren Orten.