Ermittler setzen Trump unter Druck
Das wäre ein Spektakel: Der frühere US-Präsident Donald Trump soll vor dem Untersuchungsausschuss des Kongresses zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar als Zeuge aussagen. Das Gremium ließ Trump dazu nun die förmliche Vorladung zustellen. Darin wird er aufgefordert, bis spätestens zum 14. November vor dem Ausschuss zu erscheinen.
Kongressausschuss in Washington, DC
Foto: Alex Wong / AP
Zweifellos würde eine Aussage von Trump, zumal wenn sie live in alle amerikanischen Haushalte übertragen würde, für reichlich Wirbel sorgen. Trump könnte den Auftritt nutzen, um einmal mehr seine Lüge von der angeblich »gestohlenen Präsidentenwahl« zu verbreiten. Gleichzeitig dürften ihm die neun Ausschussmitglieder um die Trump-Gegnerin Liz Cheney bohrende Fragen über seine Rolle bei dem Angriff des Mobs auf das Kapitol stellen. Er würde »gegrillt«, wie man in den USA so schön sagt. Trump könnte sich dabei in Widersprüche verwickeln und sich selbst belasten.
Könnte, wohlgemerkt. Denn, über die Frage, ob Trump wirklich aussagen wird, dürfte nun zunächst ein erbitterter Rechtsstreit geführt werden. Wenn Trump sich verweigert, was gut möglich ist, wird der Ausschuss versuchen, ihn mithilfe des Justizministeriums und der Gerichte zur Aussage zu zwingen. Am Ende müsste womöglich der Oberste Gerichtshof des Landes, der Supreme Court, in der Sache entscheiden.
Wie lange das alles dauert, ist unklar. Da im November bei den »Midterms« ein neuer Kongress gewählt wird, könnten Trump und seine Anwälte darauf spekulieren, dass sich die Sache danach ohnehin in Luft auflöst. Sollten seine Republikaner bei den Wahlen die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobern, würden sie mit Sicherheit im Januar die Arbeit des Untersuchungsausschusses beenden. Damit hätte sich dann auch die Trump-Vorladung erledigt.
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Untersuchungsausschuss: Trump soll Mitte November Fragen zum Kapitol-Sturm beantworten
Wochenend-Poker um Truss-Nachfolge
Das Wochenende wird in Großbritannien munter. Bis Montag müssen Bewerberinnen und Bewerber für die Nachfolge der gescheiterten Premierministerin Liz Truss die Unterstützung von mindestens 100 der 357 Tory-Abgeordneten vorweisen. Nach dieser Logik können also maximal drei von ihnen tatsächlich kandidieren. Danach müssen sich die Abgeordneten entweder auf zwei Kandidaten einigen, über die die 170.000 Parteimitglieder bis zum kommenden Freitag in einer Online-Abstimmung entscheiden – oder sie bestimmen direkt einen Kandidaten, der in die Downing Street einzieht.
Britische Zeitung mit Johnson-Titelzeile
Foto: DANIEL LEAL / AFP
Dabei scheint auch der frühere Premier Boris Johnson seine Fans zu haben. Verteidigungsminister Ben Wallace sagte am Freitag laut der Agentur AFP: »Im Moment tendiere ich zu Boris Johnson.« Auch Energie- und Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg sprach sich für Johnson als Partei- und Regierungschef aus.
Wallace verwies darauf, dass Johnson die konservativen Tories 2019 zu einem überwältigenden Wahlsieg geführt habe. Allerdings habe Johnson noch »einige Fragen zu beantworten«, fügte er mit Blick auf die zahlreichen Skandale hinzu, darunter die Corona-Partys zu Lockdown-Zeiten an Johnsons Amtssitz. Energie- und Wirtschaftsminister Rees-Mogg rief bei Twitter die Losung »#BorisorBust« (Boris oder nichts) aus. Nur Johnson könne die nächste Parlamentswahl gewinnen. Auch Kabinettsmitglied Simon Clarke sprach sich für Johnson aus.
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Ex-Tory-Beraterin über den Zustand der Partei: »Wir sind definitiv noch nicht aus dem Gröbsten raus«
Söders Rundumschlag gegen Scholz
Ist der Bundeskanzler nach seinem Machtwort in der Atomfrage nun gestärkt oder geschwächt? Wenn es nach dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) geht, letzteres – natürlich. In einem SPIEGEL-Gespräch holt Söder zum Rundumschlag gegen Scholz aus. »›Machtworte‹ sind eigentlich ein Zeichen von politischer Machtlosigkeit«, sagt Söder. »In der Geschichte der Bundesrepublik sind Machtworte der Vorläufer von Vertrauensfragen, und die Vertrauensfrage ist der Vorläufer eines Regierungswechsels«, so der CSU-Chef.
Markus Söder
Foto: Michael Matthey / dpa
Er frage sich, »warum Scholz wochenlang wie ein Unbeteiligter diesem Treiben seiner Koalitionspartner zusieht, nur um am Ende einen dürren Brief zu schreiben.« Offenbar habe Scholz nicht auf andere Weise überzeugen können. »Ein so wichtiges Thema wie die Kernkraft erst zu verschleppen, dann eine halbherzige Lösung zu erzwingen, nur um völlig zerstrittene Koalitionäre auf eine wackelige Linie für ein paar Wochen zu bringen, ist kein Zeichen von Stärke oder Stabilität«, sagt Söder.
Die Härte, mit der Söder Scholz hier angreift, ist bemerkenswert – und ruft in Erinnerung, dass bei der Union die Frage offen ist, wer bei der nächsten Bundestagswahl (oder bei einer plötzlichen Neuwahl) als Kandidat oder Kandidatin gegen Scholz antreten würde. Söder für seinen Teil, so viel scheint festzustehen, nimmt hier jedenfalls schon mal Maß.
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Markus Söder im SPIEGEL-Gespräch: »Machtworte sind ein Zeichen von Machtlosigkeit«
Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:
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»Dieser Winter wird extrem schwierig«: Russland greift systematisch die Energieinfrastruktur der Ukraine an. Die Stromversorgung ist in Gefahr. Energieminister Herman Haluschtschenko spricht über die Schäden – und sagt, was dagegen zu tun ist.
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Russland plant angeblich Diebstahl von 1,8 Millionen Tonnen ukrainischem Getreide: Stimmt der Vorwurf, wäre es ein Kriegsverbrechen. Einem Bericht zufolge zieht Russland im großen Stil Getreide aus der Ukraine ab. Der NDR beruft sich auf interne Dokumente und Satellitenbilder.
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USA und Deutschland verlangen Untersuchung zu iranischen Drohnen: Nutzt Russland Drohnen aus Iran? Die Uno soll das prüfen, verlangen mehrere Länder. Der ukrainische Präsident Selenskyj hofft auf Hilfe beim Wiederaufbau. Und: Die USA sehen keinen Weg für Verhandlungen mit Moskau. Der Überblick.
Iran-Krise bei SPIEGEL Backstage
Sie lassen sich nicht einschüchtern, auch wenn es sie das Leben kosten kann: Immer mehr Frauen und auch Männer in Iran schließen sich den Protesten gegen das brutale Regime in Teheran an. Sie demonstrieren, schneiden ihr Haar ab, verbrennen Hidschabs.
Westliche Journalisten bekommen derzeit kein Visum mehr für Iran. Informantinnen und Informanten riskieren Verhaftung und Anklage, wenn sie trotz Internetkontrolle Kontakt zu Medien ins Ausland halten. Die Internetzensur in Iran ist drakonisch, seit Ausbruch der Proteste gibt es immer wieder gar kein Netz mehr. Das macht Recherchen extrem schwierig.
In einer neuen Folge unserer Reihe SPIEGEL Backstage sprechen SPIEGEL-Auslandsreporterin Susanne Koelbl und die Dokumentarin Zahra Akhgar über die Situation in Iran. Ist das das Ende der Islamischen Republik, wie sie aktuell besteht? Und: Wie kommt der SPIEGEL an seine Informationen über diese historische Bewegung, die nach dem Tod der jungen Iranerin Jina Mahsa Amini entstanden ist? Wie checken wir die Nachrichten aus den verschiedenen Städten?
Erfahren Sie bei SPIEGEL Backstage, wie wir in solchen Situationen arbeiten. Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, dabei sein wollen, können Sie sich für die Teilnahme an SPIEGEL Backstage anmelden. Fragen können vorab hier gestellt werden.
Die Veranstaltung ist exklusiv für Abonnentinnen und Abonnenten, aber wir verlosen zehn freie Zugänge. Interessenten schreiben bitte an: info@events.spiegel.de, Betreff: SPIEGEL Backstage Verlosung. Einsendeschluss Montag, 24.10. um 12 Uhr. Wer bereits Abonnent/in ist, kann sich hier direkt anmelden.
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Die Startfrage heute: Welcher US-Schriftsteller schrieb den Roman »Der menschliche Makel«?
Verlierer des Tages…
Foto: Annette Riedl / dpa
…ist der US-Konzern Pfizer. In den USA (und vermutlich auch im Rest der Welt) rangieren Pharmagiganten auf der Beliebtheitsskala bekanntlich recht weit hinten, nun wird Pfizer dem schlechten Ruf der Branche wieder einmal gerecht. Nachdem der Konzern mit dem Verkauf des gemeinsam mit Biontech entwickelten Covid-Impfstoffs an Regierungen in der ganzen Welt Milliarden verdient hat, will man damit nun weiter ordentlich Kasse machen.
Der Konzern erwartet laut Berichten, den Preis für den Impfstoff fast zu vervierfachen. Künftig soll eine Dosis zwischen 110 und 130 US-Dollar kosten. Derzeit zahlt etwa die US-Regierung rund 30 Dollar pro Dosis. Als Gründe werden die üblichen Ausreden angeführt, höhere Kosten, sinkende Nachfrage. Und der Profit muss natürlich auch weiter stimmen, ist ja klar. So etwas nennt man dann wohl Krisengewinnler.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
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Norweger nach mehr als zwei Jahrzehnten Haft von Mord- und Vergewaltigungsvorwürfen entlastet: Norwegens Justizministerin hat eine Untersuchung angekündigt, Polizei und der Generalstaatsanwalt entschuldigten sich: Ein heute 43-Jähriger saß offenbar sein halbes Leben unschuldig im Gefängnis.
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Mindestens zwei Tote bei Unglück an niederländischer Nordseeküste: Vor der Wattenmeerinsel Terschelling ist ein Wassertaxi auf eine Fähre geprallt. Das Taxi sank, zwei Menschen starben, zwei weitere werden noch vermisst. Hoffnung auf Rettung gibt es wohl nicht.
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Ampelkoalition plant erleichterte Einwanderung für Fachkräfte: Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug: Unter anderem nach diesen Kriterien soll künftig entschieden werden, ob Arbeitssuchende aus dem Ausland nach Deutschland dürfen.
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Was ein Einblick in die Ermittlungsakten über die Staatsschützer enthüllt: Vor 60 Jahren durchkämmten Polizisten die SPIEGEL-Redaktion nach Beweisen für einen Landesverrat. Neu aufgetauchte Dokumente entlarven die wahren Motive – und zeigen Verfolger im Verfolgungswahn, getrieben von Autoritätshörigkeit .
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»Gemütlichkeit galt unter Architekten lange eher als Schimpfwort«: Wo wollen wir arbeiten? Der niederländische Architekt Aat Vos meint: Wir brauchen außer dem Büro und dem Homeoffice gute dritte Orte, die allen offenstehen und die Gemeinschaft voranbringen .
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
Ihr Roland Nelles