Die mündliche Verhandlung ist fast zuende, als der Rechtsanwalt der »Identitären Bewegung« etwas sagt, das er bereuen dürfte. Zumindest, dass er es hier in Saal 1 des Verwaltungsgerichts Köln gesagt hat.
Denn an diesem Donnerstagmorgen tagt in dem Saal mit stuckverzierter Decke und modernem Kronleuchter die 13. Kammer, um darüber zu verhandeln, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz die »Identitäre Bewegung Deutschland« weiter beobachten und öffentlich rechtsextrem nennen darf.
Dagegen hatte sich die »Identitäre Bewegung« (IB) gewehrt, deren geistiger Vater der neurechte Verleger Götz Kubitschek ist und die vor allem durch den Österreicher Martin Sellner bekannt wurde. Seit 2016 wird sie im Verfassungsschutzbericht erwähnt, seit 2019 ist sie als »gesichert rechtsextremisch« eingestuft.
Syrische Kriegsflüchtlinge sind für ihn nur »Gäste«
»Wir haben das Recht, für uns zu sein«, sagt nun also ihr Anwalt Gerhard Vierfuß nach über anderthalb Stunden Verhandlung, mehrfach – und meint damit, dass »das deutsche Volk« ohne Migranten »aus völlig fremden Kulturkreisen« leben solle. Die Anwesenheit von Menschen mit Migrationshintergrund verletze die Menschenwürde von »ethnischen Deutschen«. Soziale Beziehungen würden durch Migration gestört, Menschen würden zuhause bleiben und nur noch Fernsehen schauen, seit es viele Migranten in Deutschland gebe. Syrische Kriegsflüchtlinge sind für ihn nur »Gäste«.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Anwalt, der die Identitären bei ihren Klagen gegen die Bundesregierung schon länger vertritt, für die AfD im Stadtrat Oldenburg saß und das Landesschiedsgericht der AfD Niedersachsen leitet, zumindest versucht, die »Identitäre Bewegung« zu verharmlosen. Er hatte behauptet, ihre Äußerungen zu »ethnokultureller Identität« und ihre Forderungen nach »Remigration« oder »Reconquista« seien weder rassistisch noch rechtsextrem. Die »eingetretene Veränderung des deutschen Volkes« akzeptiere die »IB«.
Vierfuß gibt sogar zu, dass der Begriff »Reconquista« eine militärische Anlehnung habe und sich auf die christliche Rückeroberung Spaniens von Muslimen im 15. Jahrhundert beziehe, die sehr blutig ablief. Aber: Die »Identitäre Bewegung« habe ihre Definition inzwischen geändert, da habe er sich »belehren« lassen, sagt er. Sie beziehe sich jetzt »nur« noch auf die »Rückeroberung des metapolitischen Diskurses«, also die »Diskursherrschaft gegenüber dem linksliberalen Mainstream«, der angeblich in Deutschland existiere. Außerdem wolle man das alles nur mit legalen Mitteln.
Der Anwalt der Bundesregierung, Prof. Wolfgang Roth von der Kanzlei Redeker Sellner Dahs sagte, die »IB« und ihr Anwalt würden »bei allem Denken auf die Ethnie zurückkommen«. Die Identitären hätten ein »2-Klassen-Verständnis« von Deutschen, was gegen Artikel 1 des Grundgesetzes verstoße, und wollten aus ihrer Einordnung rechtliche Folgerungen ziehen, wie das Staatsangehörigkeitsrecht aussehen soll. Auch, dass der Anwalt argumentiere, die Menschenwürde von Deutschen werde von Migranten verletzt, sei eine »krasse, massive Aussage«, die natürlich die Auffassung des Bundesamtes für Verfassungsschutz bestätige.
Mit dem Grundgesetz unvereinbar
Der Anwalt der »IB«, der immer mal wieder vergisst, auf welche Urteile er sich gerade bezieht und dem Namen »entfallen«, wie er selbst sagt, beschwert sich daraufhin: »Wir wollen das sagen dürfen, ohne diskriminiert zu werden«. Doch die Richterinnen und Richter geben der Bundesregierung recht. Nach knapp zwei Stunden Verhandlung und vierzig Minuten Beratung weisen sie die Klage ab. Die »IB« kann nun beantragen, dass eine Berufung zugelassen wird.
Erst einmal gilt aber das Urteil der Richter. Demnach gibt es hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung. Das Konzept einer »ethnokulturellen Identität« ist mit dem Volksbegriff des Grundgesetzes unvereinbar, der allein an die Staatsangehörigkeit anknüpft. Außerdem verstößt die »IB« mit ihrer massiven Agitation in Bezug auf Migranten gegen die grundgesetzlich verankerte Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot.
Am Ende bezieht sich der Vorsitzende Richter auch noch mal kurz auf den Satz von Vierfuß, man wolle das Recht haben, »für uns zu sein«. Dieser habe die Einstellung noch mal verdeutlicht.