Das Ziel, das nicht erreicht wird
Dass ein »Bündnis bezahlbarer Wohnraum« notwendig ist, steht für den wohl größten Missstand dieses Landes. Es gibt nicht überall genug bezahlbaren Wohnraum. Wer nach oder in Berlin, München, Düsseldorf umziehen muss und nicht zu den Gutverdienern zählt, hat ein Problem.
Wohnhäuser in Berlin
Foto: Christoph Soeder / dpa
Heute kommt das Bündnis bezahlbarer Wohnraum in Berlin zusammen, Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesbauministerin Klara Geywitz und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil sprechen mit Vertretern der Kommunen, der Wohnungs- und Bauwirtschaft sowie der Zivilgesellschaft. Sie wollen diskutieren, wie sich das Ziel der Bundesregierung einhalten lässt, jährlich 400.000 Wohnungen zu schaffen.
Es wird um schnellere Planung gehen, um eine Begrenzung der Baukosten, um Klimaschutzregeln. Jeder weiß, dass das Ziel 400.000 nicht erreicht wird, auch wegen des Kriegs in der Ukraine, der die Baukosten steigen lässt, die Zinsen auch. Gleichwohl hält die Bundesregierung daran fest, was richtig ist: Die Anstrengungen dürfen nicht nachlassen.
Koalition in Gefahr
Dass sich Greta Thunberg gegen Robert Habeck stellt, ist eine Pointe der besonderen Art, ein Witz aus dem Regieraum der Geschichte. Heute kann man sie in der Sendung »Maischberger« mit der Aussage hören, dass man sich im Zweifel lieber für Atom als für Kohle entscheiden soll. Viele junge Menschen fürchten die Gefahren des Klimawandels mehr als die Risiken der Atomkraft.
Greta Thunberg (2021)
Foto: Jon Super / dpa
Die FDP hat die Vorabmeldung zu Thunbergs Aussage dankbar aufgegriffen. Sie will, wie erwartet, nach der schweren Niederlage bei der Wahl in Niedersachsen Profil zeigen und greift dafür nach dem Atomthema. Nicht zwei AKWs sollen in den Streckbetrieb gehen, wie von Wirtschaftsminister Habeck geplant, sondern drei. Womöglich sollen zudem abgeschaltete Meiler wieder ans Netz gehen. Darauf werden sich die Grünen nicht einlassen. Dieser Streit gefährdet die Koalition.
Fast albern wirken nun die Bilder, die Grüne und FDP nach der Wahl rumschickten. Das Selfie vom trauten Beisammensein, als die kleinen Partner den Eindruck erweckten, eine Koalition in der Koalition bilden zu wollen. Davon ist nichts übrig. Es gibt die eher klassische Konfrontation: Die Liberalen kämpfen gegen die beiden linken Parteien Grüne und SPD.
Noch eine Pointe der Geschichte
Dass sich die Verteidigungsminister der Nato heute treffen, hat natürlich vor allem mit dem russischen Überfall auf die Ukraine zu tun. Man wird sich dazu bekennen, weiterhin Waffen zu liefern. Das ist richtig, und trotzdem steckt die Nato in diesen Wochen in einer merkwürdigen Rolle.
Nato-Zentrale in Brüssel (2021)
Foto: PASCAL ROSSIGNOL / REUTERS
1949 gegründet, um die Sowjetunion in Schach zu halten, hat die Nato sich über Jahrzehnte darauf vorbereitet, das Böse aus dem Osten abzuwehren. Falls die Sowjetunion so böse sein sollte, einen Krieg in Europa anzuzetteln. Dafür wurde die Nato im Westen angefeindet, meistens von links, als Kriegstreiberin, als imperiales Instrument der USA. Sie machte unverdrossen weiter, stellte Rüstungspläne auf, ließ die offene Feldschlacht üben, gegen Angreifer aus dem Osten.
Nun ist genau das passiert, worauf man sich vorbereitet hat. Aber die Nato ist Zuschauerin, liefert Waffen, kämpft mit Worten, aber hält sich raus. Selten war so viel gezielte Vorbereitung so nutzlos wie in diesen Tagen. Ich finde das richtig, wundere mich nur einmal mehr über den Regieraum der Geschichte, wo man Pointen gern so eigensinnig setzt.
Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:
-
Putin hat sich laut Biden »erheblich verkalkuliert«, Ukraine meldet 20 abgefangene Raketen: Der US-Präsident fällt bei CNN ein klares Urteil über den Kremlchef. Die Ukraine will Odessa als Welterbe anmelden. Und: Putin angeblich dialogbereit im Streit um Kernkraftwerk. Das geschah in der Nacht.
-
Wie Iris-T die Luftverteidigung der Ukraine unterstützen kann: Deutschland hat das Flugabwehrsystem Iris-T am Dienstag an die Ukraine übergeben. Und mehrere westliche Staaten haben noch mehr Hilfe bei der Luftverteidigung angekündigt. Was können die Waffen leisten?
-
»Der Wolf kann nicht Vegetarier werden«: Als einziges EU-Land verweigert Ungarn der Ukraine konsequent Hilfe. Was hält den Autokraten Viktor Orbán aus Budapest an der Seite des Kriegstreibers in Moskau?
-
Musk weist Meldung über Gespräch mit Putin zurück: Elon Musk widerspricht einem Bericht, demzufolge er seine Ukraine-Friedensvorschläge mit Wladimir Putin diskutiert habe. Er habe nur einmal und vor längerer Zeit mit dem Kremlherrscher gesprochen – über Raumfahrt.
Ein Wrack für Berlin
Dass sich die Bundesregierung damit schwer tut, Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern, ist bekannt. Nun könnte ein Panzer aus der Ukraine nach Berlin geliefert werden, ein russischer Panzer, ein zerstörter russischer Panzer. Er soll für zwei Wochen vor der russischen Botschaft aufgestellt werden, als Mahnmal gegen den Krieg.
Das Museum »Berlin Story Bunker« hatte diese Aktion geplant, wurde aber vom Bezirksamt gestoppt, unter anderem weil die außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik berührt seien. Das Verwaltungsgericht gab aber dem Museum recht. Dem Bezirksamt bleibt der Weg zum Oberverwaltungsgericht offen.
Der Name »Berlin Story Bunker« steht für eine Dokumentation über den Nationalsozialismus in einem Berliner Bunker aus jener Zeit.
Gewinner des Tages…
…ist Thomas Müller, Stürmer des FC Bayern München. In einem Interview mit der »Süddeutschen Zeitung« liefert er eine bahnbrechende Erkenntnis und eine Definition, die von nun an gültig sein wird.
Thomas Müller
Foto: ANDREAS GEBERT / REUTERS
Bei der bahnbrechenden Erkenntnis dreht es sich um die Frage, warum Mammuts ausgestorben sind. Müller: »Früher gab’s ja fast nix anderes als Fleisch. Der Körper braucht nun mal Proteine. Wenn da vor zehntausend Jahren, als sie die Mammuts gejagt haben, auch die veganen Cevapcici zum Aufreißen herumgelegen hätten, gäbe es Mammuts vielleicht heute noch.« Pech für die Mammuts.
Die nunmehr gültige Definition liefert Müller auf die Frage, was eine Wurst zur Wurst mache: »Die Form, oder? Selbst ein Aufschnitt hat in seiner Ursprungsform eine Wurstform. Das ist das Entscheidende. Es gibt harte Würste, dicke, dünne – aber es ist immer eine längliche Form mit zwei Enden. Und dann der Inhalt: meisten würzig, natürlich auch mit Fleischgeschmack.«
Hintergrund dieses erstaunlichen Wissens: Müller, eigentlich Experte für Torvorlagen, hat in einen Hersteller veganer Lebensmittel investiert.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
-
Krankenhäuser warnen vor Überlastung wegen steigender Infektionszahlen: Seit Beginn der kühleren Jahreshälfte werden deutlich mehr Ansteckungen mit dem Coronavirus gemeldet. Das macht sich auch in den Krankenhäusern bemerkbar – es stehen schwierige Wochen befürchtet.
-
Supreme Court will rasch über Trumps Antrag entscheiden: Der juristische Disput zwischen Donald Trump und dem US-Justizministerium beschäftigt den Obersten Gerichtshof. In den kommenden Tagen soll eine wichtige Entscheidung fallen. Im Mittelpunkt: ein Sonderprüfer.
-
Schauspielerin Angela Lansbury ist tot: Früh wurde sie für einen Oscar nominiert, machte Karriere in Kino und Theater – und wurde weltweit bekannt durch die Rolle der Jessica Fletcher in »Mord ist ihr Hobby«. Nun ist Angela Lansbury mit 96 gestorben.
__proto_kicker__
Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute
-
»Ich empfinde mich weder als Vorzeige-Aufsteiger noch als Feigenblatt der FDP«: Die meisten Abgeordneten kommen aus Akademikerfamilien. Der FDP-Politiker Jens Teutrine ist der Sohn einer Reinigungskraft. Warum er über seine Herkunft lange geschwiegen hat.
-
Willkommen, 007, welchen Geschlechts Sie auch sind. Es gibt Arbeit: Stellen Sie sich vor, Sie wären James Bond. Ihr größter Feind ist nicht Blofeld – sondern die Klimakrise. Ob es ein Happy End gibt? Das liegt in Ihrer Macht. Ein Appell von Frank Schätzing.
-
Ich habe mich nie so sehr infrage gestellt: Früher hatte ich mir vorgenommen, die Sache mit der Mutterschaft ganz bewusst zu entscheiden. Woran ich niemals gedacht hätte: Dass es auf natürlichem Wege nicht klappen könnte. Seinetwegen.
-
Die ignorierten Opfer des Holocaust: Kaum jemand kennt die Geschichten der Roma, die in der Ukraine von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. Die Überlebenden erfahren immer noch Diskriminierung – und leiden besonders unter Putins Krieg. Ein Besuch.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihr Dirk Kurbjuweit