Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, reist für zwei Tage nach Kiew, um mit ukrainischen Regierungsvertretern, Militärs und Abgeordneten über weitere Waffenlieferungen zu sprechen. Begleitet von einer kleinen Delegation aus dem Bundestag nahm die FDP-Politikerin am Mittwochabend den Nachtzug vom polnischen Grenzort Przemysl in die ukrainische Hauptstadt.
Nach der Ankunft in Kiew am Donnerstagmorgen wird Strack-Zimmermann zunächst den zerstörten Antonow-Flughafen besichtigen. Anschließend will sie verschiedene Stellungen der ukrainischen Armee besuchen und sich ein Bild von den Geländegewinnen der jüngsten Zeit machen.
Am Freitag stehen Gespräche mit Vertretern des ukrainischen Parlaments und der Regierung auf dem Programm, darunter Verteidigungsminister Oleksi Resnikow und Andrij Jermak, dem Chefberater von Präsident Wolodymyr Selenskyj.
»Ich möchte mir vor Ort einen Eindruck machen und ins Gespräch kommen mit denen, die im wahrsten Sinne des Wortes an der Front sind, um zu hören, was wir noch tun können«, sagte Strack-Zimmermann dem SPIEGEL auf der Reise nach Kiew. Sie wolle sich vor allem erkundigen, wie ernst der Wunsch Kiews nach westlichen Kampfpanzern gemeint sei.
Die FDP-Verteidigungspolitikerin hat sich bereits mehrfach für weitere Panzerlieferungen an die Ukraine ausgesprochen. Vor allem den deutschen Schützenpanzer Marder hält sie angesichts der Geländegewinne der ukrainischen Armee für geeignet. »Wenn man die Ostukraine zurückerobern will, macht das nach meinem Verständnis Sinn«, sagte Strack-Zimmermann. »Gerade der Schützenpanzer Marder ist dafür gemacht worden, Stellungen zu bekämpfen. Der wäre ein zusätzliches militärisches Gerät, das in dieser Phase von hoher Relevanz ist.«
Zwar habe die Ukraine bereits im sogenannten Ringtausch sowjetische Kampfpanzer aus Osteuropa erhalten. Diese hätten ohne Frage auch ihre Wirkung, sagte Strack-Zimmermann, »aber was die Präzision betrifft, ist in den westlichen Panzern noch mal eine andere Feuerkraft dahinter«.
Die FDP-Politikerin wies die Behauptung zurück, die ukrainischen Soldaten könnten die westlichen Waffensysteme nicht bedienen. »Das Argument hat einen Bart. Das hat man schon bei der Panzerhaubitze gesagt und beim Gepard. Man könnte die Phase bis zum Winter nutzen, um ukrainische Soldaten an den Mardern auszubilden.«
Auch dass die Bundeswehr auf weitere Panzer nicht verzichten könne, lässt Strack-Zimmermann nicht gelten. »Ich weiß definitiv, dass die Industrie in der Lage ist, 50 Marder innerhalb eines Jahres zu kompensieren und dem Heer zurückzugeben.«
Mit ihrer Reise will Strack-Zimmermann auch den Druck auf das Kanzleramt erhöhen. Eine erste Reise im April hatte daheim in Berlin hohe Wellen geschlagen. Gemeinsam mit den Ausschussvorsitzenden für Auswärtiges – Michael Roth (SPD) – und Europa – Anton Hofreiter (Grüne) – besuchte Strack-Zimmermann die Westukraine. Die drei forderten anschließend die Lieferung schwerer Waffen. Scholz kritisierte das Trio daraufhin in einem Interview: »Manchen von diesen Jungs und Mädels muss ich mal sagen: Weil ich nicht tue, was ihr wollt, deshalb führe ich.«
Deutschland habe mittlerweile viel geliefert und müsse sein Licht nicht unter den Scheffel stellen, sagte Strack-Zimmermann dem SPIEGEL am Mittwochabend. Aber man könnte im Kreise von EU- und Nato-Partnern auch mal vorangehen. »Ich weiß, dass die Amerikaner sich Deutschland in Europa als Anker wünschen. Keiner in den USA wäre erschreckt, wenn wir uns da besonders engagieren, sondern im Gegenteil.«
»Wenn die Bundesregierung im sogenannten Rammstein-Format den anderen Nato-Partnern sagen würde: ›Wir Deutschen könnten uns vorstellen, 50 Marder zu schicken oder auch einige Leopard-Panzer, seid ihr mit an Bord?‹, dann würde das unserer Rolle gerecht werden«, sagte Strack-Zimmermann. »Wir müssen nicht immer warten, bis andere den ersten Schritt machen.«