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Debatte über Gas- und Strompreisbremse vor Bund-Länder-Treffen: Warum die Länder aufs Tempo drücken

Kanzleramt: Hier kommen am Dienstag Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten zusammen


Foto: papp / STPP / IMAGO

Am Dienstag wird die Kommission zum zweiten Mal zusammenkommen: Unter der Leitung der Volkswirtin Veronika Grimm, des Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, und des Chefs der Gewerkschaft für Bergbau, Chemie und Energie, Michael Vassiliaadis, erarbeiten 18 Experten, wie die von der Ampelkoalition geplante Gaspreisbremse konkret funktionieren soll. Parallel tüftelt die Bundesregierung an der Gestaltung des zweiten zentralen Instruments, der Strompreisbremse.

Nicht mehr als ein halbes Zauberkunststück

Aber wenn sich – ebenfalls am Dienstag – die Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz treffen, hätten sie am liebsten schon konkrete Ergebnisse. Denn der als »Doppelwumms« von Sozialdemokrat Scholz vergangenen Donnerstag angekündigte sogenannte Abwehrschirm  im Volumen von bis zu 200 Milliarden Euro, mit dem die Koalition Deutschland so glimpflich wie möglich durch die Energie- und Preiskrise bekommen will, tangiert die Länderchefs mindestens so sehr wie den Bund.

Was Olaf Scholz, sein Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen und FDP-Finanzminister Christian Lindner vor wenigen Tagen aus dem Hut gezaubert haben, ist aus Sicht der Ministerpräsidenten bislang nicht mehr als ein halbes Zauberkunststück.

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Sie fragen: Wie soll das denn am Ende genau funktionieren?

Mitte Oktober – wenn nach aktuellem Regierungszeitplan die Kommission ihre Ergebnisse präsentieren werde – sei zu spät, heißt es unisono aus den Ländern. Das war, so ist zu hören, auch einigermaßen Konsens in den Gesprächen der Ministerpräsidenten am Sonntagabend im Rahmen der offiziellen Feierlichkeiten zum Tag der Einheit in Erfurt. Elf Länderchefs, heißt es, hätten an dem traditionellen Abendessen am Vorabend des 3. Oktober teilgenommen, diesmal kam man in der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar zusammen. Es sei »fröhlich, freundlich, aber klar geredet« worden, teilte der Gastgeber und Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) anschließend mit.

Natürlich unterscheiden sich die Mahnungen an die Bundesregierung im Ton je nach Parteizugehörigkeit – aber aufs Tempo drücken sie alle.

Beim niedersächsischen Regierungschef Stephan Weil von der SPD, seit 1. Oktober für sechs Monate turnusgemäß Chef der Ministerpräsidentenkonferenz, klingt das dann mit Blick auf die angekündigten Maßnahmen so: »Wir brauchen jetzt aber auch schnell Klarheit, wie dieser Deckel umgesetzt werden soll.« Deutlicher wird Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder. »Wenn die Hilfe zu spät kommt, sind etliche Betriebe nicht mehr lebensfähig und viele Bürgerinnen und Bürger in Finanznot«, twitterte er am Montagnachmittag.


Signal zum »Doppelwumms«: Der wegen seiner Coronaerkrankung zugeschaltete Kanzler Scholz, Vizeregierungschef Habeck und Finanzminister Lindner am Ende der gemeinsamen Ankündigung

Signal zum »Doppelwumms«: Der wegen seiner Coronaerkrankung zugeschaltete Kanzler Scholz, Vizeregierungschef Habeck und Finanzminister Lindner am Ende der gemeinsamen Ankündigung


Foto: Kay Nietfeld / dpa

Noch ein wenig komplizierter wird die Sache, weil kommenden Sonntag in Niedersachsen gewählt wird – der neue MPK-Chef und damit Länderkoordinator Weil kämpft also parallel auch noch um sein Ministerpräsidentenamt. Umfragen zufolge liegt die SPD nur knapp vor der CDU seines Herausforderers Bernd Althusmann . Und auch der mahnt die Bundesregierung zur Eile. »Wir brauchen endlich klare Aussagen sowie Verlässlichkeit bei Gas- und Strompreisen und einer sicheren Energieversorgung«, sagt Althusmann.

Bürger und Unternehmen wollen so rasch wie möglich Planungssicherheit, um über den Winter zu kommen – aber für die weiteren Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Kostenverteilung der Krisenpolitik ist eben entscheidend, wie Gas- und Preisbremse schließlich konkret aussehen.

Je nachdem, wo die Preise nachher liegen werden, steigen für die Länder in vielen Bereichen auch die Kosten, beispielsweise im Nahverkehr, für den Betrieb von Krankenhäusern oder der Unterbringung von Flüchtlingen. Selbst die saarländische SPD-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger sagte der Funke-Mediengruppe, die Länder hätten zwar auch einen Teil der neuen Belastungen zu schultern – müssten aber deshalb nicht alles mitmachen.

Viele Formulierungen in der Vorlage sind noch nicht geeint

Kein Wunder also, dass die dem SPIEGEL vorliegende aktuelle Beschlussvorlage zum Bund-Länder-Treffen am Dienstag an vielen Punkten, vor allem aber den entscheidenden, entweder eine in Klammern gesetzte Formulierung oder mitunter gleich zwei derart gekennzeichnete Passagen enthält. In Klammern bedeutet, dass man sich hier noch nicht geeinigt hat. Die Vorlage stammt aus dem Kanzleramt, viele der Länder-Forderungen sind in dem Papier lediglich in dieser Form enthalten.

Im Kern gibt es bei vier Punkten massiven Dissens:

  • Beim Wohngeld, wo Bürgerinnen und Bürger ab dem 1. Januar 2023 mehr Zuschüsse erhalten, wünschen sich die Länder auch künftig eine vollständige Übernahme durch den Bund.

  • Beim Ausbau und der Modernisierung des öffentlichen Personennahverkehrs wollen die Länder deutlich mehr Mittel vom Bund, als der es bislang zusagt.

  • Angesichts von hoher Inflation und galoppierenden Energiepreisen wird die Krankenhausbewirtschaftung immer teurer für die Länder – hier wünscht man sich deshalb ebenfalls entsprechende Mehrzuweisungen. Vor dem Kliniknotstand hatte zuvor gegenüber dem SPIEGEL auch schon der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, gewarnt.

  • Die hohe Zahl von Ukraine-Flüchtlingen plus den sonstigen nach Deutschland Geflüchteten und weiteren aus Russland zu erwartenden Schutzsuchenden stellt Länder und Kommunen vor große Herausforderungen , sie fordern unmittelbare zusätzliche Leistungen des Bundes. Auf Unverständnis stößt auf Länderseite nach SPIEGEL-Informationen die Ankündigung von Finanzminister Lindner an die Länder, erst in den kommenden Wochen in Gespräche über die Finanzierung zu treten.

Gleichzeitig, das betonen selbst die Unionsministerpräsidenten, wolle man in dieser schweren Krise so konstruktiv wie möglich mit dem SPD-Kanzler verhandeln. Umso mehr käme es nun auf die Details seines Abwehrschirms an.


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