Die Bundesregierung unterstützt die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland offenbar deutlich intensiver, als öffentlich eingeräumt wird. Laut einem Bericht der »Zeit« versorgt der Bundesnachrichtendienst (BND) die Ukraine bereits seit dem Frühsommer in einer Geheimoperation regelmäßig mit Geheimdienstinformationen aus dem Kriegsgebiet. In den mehr als hundert Berichten, die an den ukrainischen Geheimdienst gingen, waren demnach auch Satellitenaufnahmen und aus abgehörter Kommunikation gewonnene Informationen zu russischen Stellungen.
In Sicherheitskreisen wurde die von der »Zeit« beschriebene Kooperation des BND mit dem ukrainischen Geheimdienst bestätigt. Für die sichere Übermittlung von Daten sei im April eigens technisches Material nach Kiew gebracht worden.
Allerdings wird im Berliner Regierungsviertel betont, die übermittelten Informationen seien »nicht unmittelbar« für ukrainische Angriffe auf die russischen Truppen geeignet. Bilder russischer Stellungen oder Details zu Munitionsdepots in den von Russland besetzten Gebieten dienten vielmehr dazu, das Lagebild der Ukrainer zu verdichten.
Der BND hatte die Rechtmäßigkeit der heiklen Hilfsoperation sicherheitshalber juristisch prüfen lassen. Laut dem »Zeit«-Bericht ging es in dem entsprechenden Rechtsgutachten um die »Zulässigkeit von Übermittlung targeting-fähiger Informationen an die Ukraine«.
Mit dem Begriff »targeting« beschreiben Militärs die Vorbereitung für Angriffe auf militärische Ziele. In dem Gutachten, so die »Zeit«, sei dem BND attestiert worden, dass Deutschland durch die Übermittlung der BND-Informationen nicht automatisch zur Kriegspartei würde. Dies will Bundeskanzler Olaf Scholz auf jeden Fall vermeiden.
Trotzdem ist die bis dato geheim gehaltene Kooperation mehr als brisant. So hatte die Bundesregierung bisher bei allen Auslandseinsätzen, zum Beispiel in Afghanistan, sehr penibel darauf geachtet, dass deutsche Informationen nicht für tödliche militärische Operationen anderer Nationen benutzt werden. Damals wollte Berlin vor allem verhindern, dass die USA deutsche Erkenntnisse für gezielte Tötungen von Taliban-Kommandeuren benutzten. Auch in Mali installierte Deutschland strenge Regeln, damit die Daten der unbemannten Drohnen nicht von Frankreich für robuste Anti-Terror-Operationen genutzt werden.
Bundesregierung wollte BND-Kooperation geheim halten
Nach dem russischen Angriffskrieg aber änderte das Kanzleramt, das für die Kontrolle des BND zuständig ist, den Kurs. In Berlin wird betont, die BND-Erkenntnisse dienten »nicht unmittelbar« zur Planung von Angriffen. Zu den Auflagen des BND zähle zudem, nur Aufnahmen aus der Ukraine zu teilen, Informationen zu Militäreinrichtungen auf russischem Staatsgebiet seien tabu. Die Einschränkung passt zur deutschen Linie. So ließ sich Berlin vor der Lieferung von Panzerhaubitzen zusichern, dass die Ukrainer damit keine Ziele in Russland ins Visier nehmen.
Der Bericht dürfte in Berlin für Aufsehen sorgen. Zwar hatten sich die Geheimdienste der USA im Frühsommer regelrecht gerühmt, wie oft und effektiv sie die ukrainischen Kollegen mit Informationen für militärische Attacken versorgen. Das Weiße Haus allerdings war über die detaillierten Berichte zur amerikanischen Hilfe beim Kampf gegen Russland erbost und erließ eine Art Maulkorb. Seitdem gilt laut US-Geheimdienstlern eine neue inoffizielle Regel: »Tue Gutes, aber rede nicht darüber.«
So ähnlich hätte es die Bundesregierung sicher auch gern gehalten.