Twitter gilt als ein wichtiger Seismograf politischer Debatten in Deutschland – kaum eine Politikerin oder ein Politiker kommt um den Kurznachrichtendienst herum. Gleichzeitig zeigen sich Nutzende regelmäßig frustriert von der aggressiven Stimmung auf Twitter. Nun hat der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn einen Rückzug von der Plattform angekündigt.
Er habe die App nicht mehr auf seinem Handy, sagte der CDU-Politiker im Podcast »Die Wochentester« des »Kölner Stadt-Anzeigers« und des Redaktionsnetzwerks Deutschland. »Es macht schlechte Laune«, so Spahn: »Wenn du halt jedes Mal, wenn du gerade ins Auto steigst, im Aufzug stehst, mal ne ruhige Sekunde hast, als erstes auf Twitter schaust, das ist fast eine kleine Sucht, und guckst, was ist jetzt wieder los? Unbewusst macht das echt schlechter gelaunt.« Er habe »eine bessere Grundstimmung« gespürt, nachdem er Twitter nicht mehr auf dem Handy hatte.
»Drei Shitstorm parallel«
Zudem habe Spahn gemerkt, dass die Themen auf Twitter dort einseitig stark fokussiert seien und mit realen Debatten in der Breite häufig wenig zu tun hätten. So habe er »teilweise drei Shitstorms parallel« gehabt, »weil irgendeine Aussage oder irgendeine politische Aktivität (…) einem Teil der Twitter-Blase nicht gefallen hat«. Vor Ort in den Wahlkreisen habe er dann aber erlebt, dass die Themen der Veranstaltungen und Diskussionen nicht die Twitter-Themen waren.
Spahn, der von 2018 bis 2021 Bundesgesundheitsminister war, hat gerade das Buch »Wir werden einander viel verzeihen müssen. Wie die Pandemie uns verändert hat – und was sie uns für die Zukunft lehrt« veröffentlicht. Darin geht es auch die Debattenkultur während der Pandemie.
Er ist nicht der erste Politiker, der Twitter den Rücken kehrt. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich bereits 2019 von Twitter und auch Facebook zurückgezogen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der oft und gerne an Debattenschlachten auf Twitter teilnahm, hatte vergangene Woche seinen Rückzug vom Netzwerk verkündet.