Das Jahrhundertereignis
Heute findet das Staatsbegräbnis von Queen Elizabeth II. statt. Der Sarg wird ab 11.44 Uhr in einer Prozession von der Westminster Hall des Parlaments in die Westminster Abbey gebracht. 2000 Gäste werden dort zur Trauerfeier erwartet, unter anderen US-Präsident Joe Biden und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Um 12.55 Uhr ertönt das Hornsignal »Last Post«. Danach sollen die Menschen im ganzen Land für zwei Minuten schweigen. Am späten Nachmittag, um 17 Uhr, beginnt der Aussegnungs-Gottesdienst in der St.-Georges-Kapelle von Schloss Windsor. Vor dem letzten Lied werden Krone, Zepter und Reichsapfel vom Sarg entfernt und auf den Altar gelegt. Dann wird der Sarg in die königliche Gruft hinuntergelassen.
Auf SPIEGEL.de können Sie die Ereignisse unter anderem auf einem Livestream verfolgen. Empfehlen möchte ich Ihnen auch ganz besonders den Live-Newsblog meiner Kollegin Patricia Dreyer und meines Kollegen Arno Frank.
Großbritanniens König Charles III. (M), Prinzessin Anne (l), Prinz Andrew und Prinz Edward halten eine Mahnwache am Sarg von Königin Elisabeth II. in der St. Giles’ Cathedral.
Foto:
Jane Barlow / dpa
Es hat sich abgezeichnet, dass die Trauer um die Königin in Großbritannien und in der ganzen Welt groß sein würde – oder zumindest die Neugierde auf das Tamtam der Feierlichkeiten. Die Ausmaße der Anteilnahme ist nichtsdestotrotz erstaunlich. Von einem Jahrhundertereignis ist die Rede, London stellt sich heute auf die komplizierteste Sicherheitsoperation in der Geschichte der Stadt ein.
Wie sind die Ausmaße zu erklären?
Einige Erklärungen sind einfach: Da ist das Gefühl, dass die Queen immer schon da war. Da ist diese einzigartige Mischung aus Klatsch, Glamour und Weltgeschichte, die in ihrer Familie zusammenkommt. Wegen ihrer Bekanntheit bietet diese Familie anderen Familien auch ein psychoanalytisches Angebot: Man kann sich mit ihr identifizieren oder von ihr abgrenzen und so den eigenen Weg finden. Denn sie zeigt, wie mit dem schrecklichen Onkel oder der enttäuschten Schwägerin umzugehen ist – oder wie man es besser nicht macht.
Die Windsors waren in aller Welt immer bekannter, auch populärer als andere Adelshäuser. Das hängt vor allem mit der kulturellen Bedeutung Großbritanniens zusammen. Zwar verlor das Königreich mit dem Verlust der Kolonien seinen politischen Weltmachtstatus. Doch gleichzeitig stieg es zu einer kulturellen Weltmacht auf. Die Beatles und die Rolling Stones – beides britische Band – trugen zum Siegeszug der Popkultur bei, und »mit dem Pop wurde die Welt erfunden, in der wir noch heute leben«, so schrieb mein Kollege Tobias Rapp einmal. Der Königsfamilie gelang es wiederum, Teil der Populärkultur zu werden – die Queen trat mit James Bond und Paddington Bär auf –, zugleich aber bildet sie mit ihren antimodernen Ritualen einen interessanten Kontrast dazu.
Es kann also gar nicht anders sein, als dass sich die Augen der Welt heute auf die Königsfamilie richten.
Doch ist das die ganze Erklärung für die dann doch erstaunliche Allgegenwart dieses einen Themas in so vielen Ländern der Welt? Oder gibt es auch politische Gründe, die in den Ländern selbst liegen?
Bürgerinnen und Bürger nehmen in Westminster Hall Abschied von der Queen
Foto: Markus Schreiber / dpa
In politisch schwierigen Zeiten ist dieser Trauerfall, so zynisch das erst mal klingt, eine willkommene Ablenkung. Und es kann in einer stürmischen Weltlage wie der jetzigen beruhigend sein zu sehen, wie mit der uralten britischen Monarchie eine Institution den Wechselfällen der Zeiten trotzen. Wie sie sich verwandeln, sogar an die Demokratie anpassen konnte, wie sie es auch jetzt vermag, einen ritualisierten Übergang in eine neue Ära zu schaffen.
In den polarisierten Gesellschaften des Westens scheint es kaum noch möglich, über ein auch nur entfernt politisches Thema ins Gespräch zu kommen und nicht in Streit zu geraten. Nun aber gab es tagelang die Gelegenheit, sich auf ein vergleichsweise unverfängliches Thema zu verlegen: den Tod einer alten Dame.
Doch über den heutigen Tag hinaus wird dieses Thema kaum tragen. Es mag noch interessant sein, ob sich der neue König im Amt bewährt. Ob er es, anders als seine Mutter, schaffen wird, die überfälligen Debatten über die Rolle der Krone in der Kolonialzeit von sich aus zu befördern. Doch die anderen Themen, die vor dem Tod der Queen die Lage beherrschten, werden zurückkehren. Und es wird umso sichtbarer sein, wie sehr das Verbindende fehlt, auch hierzulande, in Deutschland.
Das also wäre das eigentliche Thema, der eigentliche Auftrag, der sich aus dem heutigen Tag ergibt. Sich zu fragen, ob es über die notwendigen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West, Jung und Alt, Reich und Arm noch etwas gibt, worauf die Menschen sich einigen können.
In Putins Hirn
US-Präsident Joe Biden hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin davor gewarnt, Atomwaffen einzusetzen. Die Aufregung nach dieser Äußerung ist groß. Der amerikanische Geheimdienst ist erwiesenermaßen gut informiert.
Russlands Präsident Wladmir Putin
Foto: MIKHAIL METZEL / AFP
Gibt es also Anzeichen, dass Putin vorhat, gefährlichste Waffen einzusetzen? Das große Kopfzerbrechen über Putins Reaktionsweisen hat wieder begonnen. Die einen sagen, er verstehe nur die Sprache der Härte, die anderen, er sei so reizbar, dass man vorsichtig sein müsse, die berühmten roten Linien zu überschreiten. So richtig es ist, alle Eventualität zu bedenken – über die Psyche des heutigen Putin weiß niemand, wahrscheinlich nicht einmal sein engster Machtzirkel, genau Bescheid. Eine Strategie gegen Putin lässt sich über den Weg in Putins Hirn und Seele nicht finden. Dieser Weg ist nämlich kein Umweg, sondern eine Sackgasse.
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