Bundeskanzler Olaf Scholz hat für eine verstärkte europäische Zusammenarbeit in Rüstungsfragen geworben. Die Organisation zum Management von gemeinsamen Rüstungsvorhaben habe das Zeug dazu, »zum Nukleus einer europäischen Zusammenarbeit« zu werden, sagte der SPD-Politiker am Freitag auf einer Bundeswehrtagung in Berlin. »Wenn – und das ist die Voraussetzung – wir, die Mitgliedstaaten, es schaffen, unsere nationalen Vorbehalte und Regularien zu überprüfen, was die Nutzung und den Export gemeinsam hergestellter Systeme angeht.« Dazu sei die Bundesregierung bereit – was manchen vielleicht überraschen möge.
Das vielleicht drängendste Problem in Europa sei die völlig unübersichtliche Zahl an Waffensystemen und Rüstungsgütern und die Konkurrenz unterschiedlicher Rüstungsunternehmen, sagte Scholz. »Nur der koordinierte Aufwuchs europäischer Fähigkeiten führt zu einem handlungsfähigen Europa«, betonte er. Ihm sei dabei besonders die Luftverteidigung wichtig.
Scholz erneuerte zudem seine Zusage, künftig zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu investieren. »Auch meine Aussage, dass wir den Verteidigungshaushalt auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigern werden, gilt«, betonte er und versicherte: »Damit können Sie auch planen.« Auch nach dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen werde die Finanzierung der Bundeswehr nicht wieder zum alten Niveau zurückkehren. Die Bundeswehr müsse zum Grundpfeiler konventioneller Verteidigung in Europa werden, »zur am besten ausgestatteten Streitkraft«.
Scholz pocht auf Rückbesinnung auf Kernaufgaben der Bundeswehr
Scholz betonte, lange Zeit habe Deutschland eine »echte Priorisierung der Aufgaben der Bundeswehr vermieden«. Natürlich könne eine gute Armee Brunnen bohren, humanitäre Hilfe absichern, Fluten eindämmen und in Pandemiezeiten beim Impfen helfen. »Darin besteht aber nicht Ihr Kernauftrag«, betonte Scholz. »Der Kernauftrag der Bundeswehr ist die Verteidigung der Freiheit in Europa.« Alle anderen Aufgaben müssten sich dem unterordnen.
Scholz erklärte außerdem, im Rückblick hätte man anders auf die russische Annexion der Krim 2014 reagieren müssen. »Ich will sehr klar sagen, dass es vermutlich mindestens im Nachhinein völlig richtig gewesen wäre, härter auf die Annexion der Krim zu reagieren«, sagte Scholz. Dann hätte sich die Idee, einen solchen Angriff auf die Ukraine noch einmal zu versuchen, vielleicht nicht so stark im Kopf des russischen Präsidenten Wladimir Putin festgesetzt.
Die internationale Gemeinschaft hatte nach der Annexion der Schwarzmeerinsel 2014 Sanktionen gegen Russland verhängt. Deutschland brach die wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zu Russland allerdings nicht ab.