Der Streit bei den Linken um eine Rede von Sahra Wagenknecht im Bundestag wird schärfer. Erste prominente Linke fordern den Rücktritt der Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali sowie den Ausschluss Sahra Wagenknechts aus der Fraktion. Darunter etwa die Thüringer Bundestagsabgeordnete und Ex-Parteivize Martina Renner.
Hintergrund ist eine Rede, die Wagenknecht vergangene Woche im Bundestag hielt. Dabei attackierte sie Wirtschaftsminister Robert Habeck scharf: Dieser sei »zu feige«, sich mit den Krisengewinnern anzulegen. Und: »Das größte Problem ist Ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen.«
Wagenknecht meinte Russland. Natürlich sei der Krieg in der Ukraine ein Verbrechen, »aber die Vorstellung, dass wir Putin dadurch bestrafen, dass wir Millionen Familien in Deutschland in die Armut stürzen und dass wir unsere Industrie zerstören, während Gazprom Rekordgewinne macht. Ja, wie bescheuert ist das denn.«
Wagenknechts Positionen widersprechen der Beschlusslage in Fraktion und Partei, weshalb sich schon im Vorfeld mehrere Abgeordnete intern kritisch zu der Planung der Fraktionsführung äußerten und eine Rede Wagenknechts zu dem Thema ablehnten.
Die drei ostdeutschen Landtagsabgeordneten und Experten für Rechtsextremismus, Katharina König-Preuss, Jule Nagel und Henriette Quade starteten nach der Rede einen Aufruf . »Statt unsere politischen Forderungen nach Umverteilung und sozialer Gerechtigkeit zu kommunizieren, wurde die Verteilungsungerechtigkeit in Deutschland gegen die angegriffene Bevölkerung in der Ukraine ausgespielt, damit Putin in die Hände gespielt und die Redezeit für rechtsoffene populistische Plattitüden verschwendet«, schreiben sie und fordern den Ausschluss von Wagenknecht und den Rücktritt der beiden Fraktionsvorsitzenden.
Diese hätten »die Rede Sahra Wagenknechts am 08.09.2022 im Deutschen Bundestag trotz massiver Kritiken und wohlwissend um die von Sahra Wagenknecht vertretenen Inhalte zugelassen und damit gestützt«. Mehr als 2200 Menschen folgten dem Aufruf.
Rücktritt von Ulrich Schneider
Renner bestätigte dem SPIEGEL, dass sie den Brief unterschrieben hat. Mit ihrer Unterzeichnung kommt die Forderung nun direkt aus der Bundestagsfraktion. Unterstützung bekommt die Rücktrittsforderung auch von dem früheren Bundestagsabgeordneten Niema Movassat.
Am Montagabend wurde zudem bekannt, dass der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, aus der Partei ausgetreten ist – ebenfalls wegen Wagenknechts Rede und dem Agieren der Fraktionsführung. Mehrere Abgeordnete äußerten ihr Bedauern, aber auch Verständnis für die Entscheidung Schneiders.
In der Fraktion wird Wagenknecht von ihren Unterstützern allerdings auch verteidigt. Die Abgeordneten Klaus Ernst und Alexander Ulrich etwa verbreiteten einen Text, der dem SPIEGEL vorliegt: »Sahra Wagenknecht hat nicht nur unsere vollste Unterstützung, sondern auch die Zustimmung von vielen Bürgerinnen und Bürgern in allen Teilen der Bevölkerung – und selbstverständlich auch innerhalb der Fraktion«, schreiben sie.
Mit den »ständigen öffentlichen Angriffen auf eine unserer gefragtesten Politikerinnen« betrieben »ihre Kritiker einen Weg, der die Linke immer mehr als nicht mehr politikfähig erscheinen lässt«, so Ernst und Ulrich.