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Parteitag der CDU: Ein Anfang, aber lange nicht das Ende

CDU-Chef Friedrich Merz beim Parteitag


Foto: Michael Kappeler / dpa

Bevor der Parteitag losging, beschäftigte viele in der CDU dieselbe Sorge: Man wollte mit dem Treffen ein Zeichen in der Krise setzen, eigene Antworten auf Krieg, steigende Energiepreise und Versorgungsunsicherheit bieten – fürchtete aber zugleich, dieses Signal werde neben Debatten über die Frauenquote ohnehin nicht durchdringen.

»Wir werden auf diesem Parteitag auch über uns selbst sprechen. Wichtiger aber ist, dass wir über unser Land sprechen«, erklärte dann auch CDU-Chef Friedrich Merz zum Auftakt des Parteitags. Tatsächlich lässt sich im Nachhinein sagen: Diese Erwartung der CDU zeugt wohl vor allem von einem falschen Selbstbild. Denn ja, die Partei braucht Antworten auf aktuelle Krisen. Wenn der Parteitag jedoch eines deutlich gemacht hat, dann, dass die CDU etwas Anderes noch dringender braucht: die Beschäftigung mit sich selbst.

Das zeigt sich allein schon daran, welche Debatten mit echter Inbrunst geführt wurden. Es waren nicht die Diskussionen über den Antrag des Bundesvorstandes zu Entlastungen in der Krise. Sondern jene Debatten, in denen es um die Strukturen der Partei selbst ging. Erst beim Thema Frauenquote lebte der Saal richtig auf, lieferten sich die Delegierten hitzige Gefechte.

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Teile der Partei liegen weit auseinander

Das Thema Frauen in der CDU beschäftigte die Partei sogar so sehr, dass es gleich zweimal auf die Agenda kam. Am Freitagabend verhandelte die CDU zunächst darüber, ob man sich eine interne Quote geben solle. Schon bei dieser Debatte zeigte sich, wie weit die verschiedenen Teile der Partei in diesen Fragen auseinander liegen. Während der eine Teil die Quote etwa als »Angriff auf die innerparteiliche Demokratie« wertete, beschwerte sich Ex-Ernährungsministerin Julia Klöckner über die Altherren-Atmosphäre in der Halle: Das »Schenkelklopfen« der Männer im Saal über junge Frauen, die keine Quotenfrauen sein wollen, habe sie satt.


Gegen den Begriff Gleichstellung: Kristina Schröder

Gegen den Begriff Gleichstellung: Kristina Schröder


Foto: IMAGO/Political-Moments

Am Ende entschied sich der Parteitag für die Quote – mit 559 Ja- zu 409 Nein-Stimmen. Aber damit war es eben nicht getan. Gleich am nächsten Morgen kam das Thema Frauen erneut auf den Tisch – in Form der Frage, ob der Begriff »Gleichstellung« in der Grundwertecharta der Partei durch »Chancengerechtigkeit« ersetzt werden solle. Auch diese Debatte war wieder einer jener Momente, in denen der Saal plötzlich auflebte.

Die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder forderte, den Begriff Gleichstellung aus der Charta zu streichen, denn er sei Ausdruck von »Identitätspolitik«. Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß warnte davor, Begriffe »aus dem rot-rot-grünen Milieu« einfach zu übernehmen, stattdessen müsste man Gleichstellungsdebatten eine »bürgerliche Vernunft« entgegensetzen.

Von Grundsatzdebatten zu Grabenkämpfen

Auch hier mussten sich die konservativen Teile der Partei am Ende allerdings geschlagen geben: Gleichstellung bleibt in der neuen CDU-Grundwertecharta stehen, das Dokument wurde schließlich von der Mehrheit der Delegierten bewilligt.

Dass die CDU solche Fragen offen debattiert, ist wichtig für die Partei. Dass sie im Prinzip dieselbe Debatte zwei Mal so intensiv führt, macht allerdings auch deutlich, wie viel Bedarf an Gesprächen zu grundlegenden Fragen es in der Partei noch gibt. Wenn Grundsatzdebatten zu Grabenkämpfen führen, dann weiß die CDU offenbar zu oft nicht, wo sie steht. Dann gibt es in Sachen Standortbestimmung immer noch Einiges zu tun.

Es war schließlich der Bundestagsabgeordnete und Ex-Gesundheitsminister Hermann Gröhe, der in der Gleichstellungsdebatte auf ein grundlegendes Problem der CDU in diesen Fragen hinwies. Es sei doch an der Partei, selbst zu bestimmen, was der Begriff Gleichstellung für sie bedeute, erklärte Gröhe. Die CDU dürfe sich da weder von links noch von rechts etwas diktieren lassen. »Wenn ich Ihnen vorlese, was die Linke zum Begriff Solidarität sagt, fordern Sie dann auch, den Begriff Solidarität aus unseren Programmen zu streichen?«

CDU muss sich ehrlich machen

Das fasst die Aufgabe der Partei gut zusammen: Die CDU muss herausarbeiten, wie ihr Bild einer modernen Volkspartei aussieht und wer sie in den kommenden Jahren sein will. Sie muss lernen, Schlagworte wieder selbst mit Leben zu füllen und Positionen zu finden, die nicht lediglich aus der Abgrenzung zu anderen Parteien bestehen. Es reicht nicht, gegen Identitätspolitik und das Gendern zu sein. Die CDU sollte auch dringend überlegen, wofür sie konkret stattdessen stehen will, für welche Sozial-, Gesellschafts- oder Klimapolitik.


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Ja, zu diesem Prozess gehört auch, Antworten auf aktuelle Krisen zu finden. Aber die werden vor allem dann von Interesse sein, wenn klar ist, was für eine Art von Partei dahintersteht und in welchen Linien sie langfristig denkt. Und das wird nur gelingen, wenn die CDU ehrlich genug ist, sich trotz äußerer Krisen auch mit ihren inneren Problemen zu befassen.

Nach dem Parteitag ist die CDU jetzt zumindest eine Partei, die wieder diskutiert. Und eine Partei, die sich Gleichstellung ins Grundsatzprogramm schreibt, sowie eine Frauenquote umsetzen will. In einem wesentlichen Punkt haben die Delegierten damit schon einmal Stellung bezogen.

Das ist ein Anfang. Aber eben noch lange nicht das Ende.


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