US-Verteidigungsminister bringt 675-Millionen-Dollar-Paket mit
Auf der US-Airbase Ramstein in der Nähe von Kaiserslautern beginnt heute Vormittag eine weitere Konferenz der internationalen Koalition zur Unterstützung der Ukraine. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin lud dazu ein, auch seine deutsche Amtskollegin Christine Lambrecht (SPD) wird mit dabei sein, wenn es um weitere Waffenlieferungen für den Kampf gegen die russischen Invasionstruppen geht.
Lambrecht in Ramstein im April
Foto: ANDRE PAIN / AFP
Die Gästeliste für die sogenannte Ramstein-Konferenz, die die USA im April als Format ausgeheckt hatten, ist hochkarätig: Der ukrainische Verteidigungsminister wird wohl kommen, mehrere europäische Minister haben sich angekündigt. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg fliegt ein.
Das alles klingt nach einer großen Sache, nach erheblichen neuen Anstrengungen für die Ukraine. Mein Kollege Matthias Gebauer aber, Verteidigungsexperte des SPIEGEL, rechnet auf deutscher Seite nicht mit bedeutenden Ankündigungen: »Auch wenn Kanzler Scholz und seine Verteidigungsministerin Lambrecht stets wiederholen, man werde bei der Militärhilfe für die Ukraine nicht nachlassen, gibt es derzeit keine neuen Ideen für Lieferungen«, sagte er mir gestern Abend.
Stattdessen werde Lambrecht in Ramstein wohl lediglich ankündigen, dass sich die Bundeswehr an einem »Winterpaket« der Nato mit warmen Uniformen und wetterfesten Feldlagern beteiligen will (darüber hat mein Kollege bereits berichtet: Deutschland sammelt Winteruniformen für ukrainische Armee ). Außerdem plane sie gemeinsam mit den Niederlanden die Ausbildung von ukrainischen Minenräumern in Deutschland. »Man gibt sich Mühe, nicht tatenlos auszusehen«, so schätzt mein Kollege die Lage ein.
Die USA aber werden in Ramstein wie gewohnt klotzen. Von einem hochrangigen US-Beamten im Pentagon erfuhr Matthias, dass Lloyd Austin beim kurzen Besuch in Deutschland ein neues Waffenpaket mit einem Volumen von rund 675 Millionen Dollar ankündigen wird.
Aber auch aus den USA gibt es weiterhin keine Kampfpanzer für die Ukraine.
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Deutschland first?
Heute Mittag werden Alice Weidel und Tino Chrupalla von der AfD im Haus der Bundespressekonferenz die Kampagne »Unser Land zuerst!« präsentieren.
Es ist eine schöne Pointe, dass derjenige, der die beiden zu dem Spruch angeregt haben dürfte, im Ausland lebt, aus deutscher Sicht also ein »Ausländer« ist. »America first«, Donald Trumps Spruch, springt einem ja sofort ins Ohr.
AfD-Politikerin Weidel
Foto: Marijan Murat / picture alliance/dpa
Originale aber sind meist wirkmächtiger als ihr Abklatsch, das sollten Weidel und Chrupalla bedenken. Einen Trump kann man nicht klonen (insgesamt eine erfreuliche Nachricht für die Welt), und ob seine Sprüche ohne ihn funktionieren, ist nicht bewiesen.
Wie sie den Spruch »Unser Land zuerst!« meint, das hat Alice Weidel schon gestern im Bundestag deutlich gemacht. Sie schlug unter anderem vor, Nord Stream 2 zu öffnen, was nichts anderes bedeutet, als Putins Druck nachzugeben.
Am selben Tag, an einem anderen Ort, auf einem Wirtschaftsforum im russischen Wladiwostok, sagte Kremlchef Wladimir Putin, dass er sich nur an Lieferverträge zu halten gedenke, wenn es ihm in den Kram passe. »Deutschland zuletzt« – ganz schnell könnte es so kommen.
Auch in Weidels Nähe, in Berlin, gab es gestern einen Termin, der offenbarte, dass Weidels Parole kaum zu gebrauchen ist, beziehungsweise nur in einem Sinne, den sie nicht mögen wird. Bei einem Treffen von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern zeigte sich wieder einmal, dass sich in Deutschland ein bereits vorhandenes Problem vergrößern wird: der Fachkräftemangel.
Wenn ausländische Fachkräfte oder Menschen, die welche werden wollen, allerdings in »unser Land zuerst« einwandern wollten, ließe sich das Problem lindern.
Ein 18-Jähriger will in den Krieg
Ich möchte Ihnen vorsichtshalber hier schon einen Text empfehlen, den sie unter den SPIEGEL+-Empfehlungen noch mal finden werden. Sie sollen ihn halt nicht verpassen, er lohnt sich wirklich. Der Text beschreibt, wie sich ein junger Deutscher, so zynisch das klingt, nach dem Krieg in der Ukraine sehnt. Sabine Rennefanz, die Autorin des Textes, wird auf den 18-Jährigen in einem Nachbarschaftsportal aufmerksam, er bittet dort um Ausrüstung für den Krieg, er will dorthin. Rennefanz trifft sich mit ihm, um seine Gründe zu erfahren. Sie erfährt nach und nach, dass der junge Mann den Kampf da draußen sucht, um eigene, um innere Kämpfe loszuwerden.
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Die Startfrage heute: In welchem deutschen Bundesland wurde die Todesstrafe formal erst 2018 abgeschafft?
Gewinner des Tages…
Foto: TMN
…ist Heinrich Mann und mit ihm auch ein bisschen die Deutschen. Heinrich Mann soll hier mal einmal gewinnen, weil er immer noch im Schatten seines Bruders und Schriftstellerkollegen Thomas Mann steht. Auch in Lübeck, der Heimatstadt der Brüder, scheint man auf ausgleichende Gerechtigkeit aus zu sein, denn heute findet dort die Pressekonferenz zu einer Ausstellung statt, die vom Wochenende an und bis in den März hinein im St. Annen-Museum zu sehen sein. Sie beschäftigt sich mit einem Werk Heinrichs: »Der Untertan. Über Autorität und Gehorsam«.
Hauptfigur des 1918 erstmals veröffentlichten Romans ist Diederich Heßling, ein Mann, der nach unten tritt und nach oben buckelt. Über Jahrzehnte galt dieser Diederich als Prototypus nicht nur des wilhelminischen Deutschen, sondern des Deutschen überhaupt.
Es ist lange her, dass ich das Buch ganz gelesen habe. Es kann also sein, dass ich mich täusche. Doch als ich es jetzt noch einmal in die Hand nahm, war mein erster Gedanke, dass sich die Deutschen irgendwie gebessert haben. Als Prototypus ginge Diederich Heßling heute nicht mehr durch. Eine gute Karikatur ist er immer noch.
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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihre Susanne Beyer