Neuer Landeswahlleiter in Berlin soll der Verwaltungswissenschaftler Stephan Bröchler werden. Das erfuhr der SPIEGEL aus Senatskreisen. Bröchler ist Verwaltungs- und Politikwissenschaftler und lehrt an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht . Außerdem war er Mitglied in der Kommission, die das Wahldesaster in Berlin aufgearbeitet hat. Derzeit ist er auch an eine Arbeitsgruppe angedockt, die die Wahlorganisation verbessern und berlinweit vereinheitlichen soll.
Bröchler hatte bei der Vorstellung der Kommissionsergebnisse im Juli die bisherige Organisation der Wahlen in Berlin heftig kritisiert. »Es kann kein Weiter-So geben«, sagte er damals. Er forderte, die neue Landeswahlleitung müsse ihre Rolle neu denken. »Die Landeswahlleitung muss sich auch in Zeiten, in denen keine Wahlen stattfinden, für Wahlen engagieren, in der Öffentlichkeit für Wahlen werben, ihre Instrumente in der Verwaltung nutzen und junge Bürgerinnen und Bürger ansprechen.« Er warb außerdem für eine umfassende »Verwaltungs- und Verfassungsreform«.
Neuwahl in rund 400 von 2300 Wahlbezirken möglich
Die Landeswahlleitung ist in Berlin seit dem Rücktritt der Landeswahlleiterin Petra Michaelis unterbesetzt – aktuell besteht sie nur aus der stellvertretenden Landeswahlleiterin Ulrike Rockmann. Im Juli schied auch der Leiter der Geschäftsstelle der Landeswahlleitung aus dem Amt. Die Position soll erst im Oktober nachbesetzt werden.
Rockmann ist allein dafür verantwortlich, das Wahlchaos vom September 2021 gegenüber Ausschüssen und Gerichten zu verteidigen – im Mai sagte sie vor dem Wahlprüfungsausschuss des Bundestags aus. Ende September wird vor dem Berliner Verfassungsgericht verhandelt, ob die Abgeordnetenhauswahl in Berlin wiederholt werden muss. Parallel erarbeitet der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags einen Entwurf, demzufolge die Bundestagswahl in Berlin teilweise zu wiederholen wäre – in rund 400 von 2300 Wahlbezirken.
Die Ernennung Bröchlers könnte für Rockmann eine Erlösung sein. Denn nach SPIEGEL-Informationen ist sie wohl nur noch unfreiwillig im Amt. Sie soll schon im Januar die Berliner Innenverwaltung gebeten haben, sie bis April von ihren Ämtern zu entbinden.
Ein Insider aus der Berliner Verwaltung sagte dem SPIEGEL: Dass die Landeswahlleitung so lange nicht nachbesetzt werde und Rockmann dort allein sitze, sei »menschlich unterirdisch, politisch aber durchaus nachvollziehbar«. Im Wahlprüfungsausschuss musste Rockmann sich die Verfehlungen bei der Wahlplanung vorhalten lassen und verteidigen. »Finden Sie mal jemanden für lau, der sich prügeln lassen muss«, sagte der Insider dem SPIEGEL.
»Rockmann soll den Kopf hinhalten«
Die Landeswahlleitung ist in Berlin ein Ehrenamt. Ein neuer Landeswahlleiter solle »nicht beschädigt werden«, falls etwa das Berliner Verfassungsgericht entscheidet, die Abgeordnetenhauswahl wiederholen zu lassen. »Rockmann soll den Kopf hinhalten«, so der Insider. Daher erfolge die Ernennung so spät.
Aktuell erarbeitet eine Arbeitsgemeinschaft, wie die Wahlen in Berlin besser organisiert werden können. Stephan Bröchler ist daran als Berater angedockt. Am 6. September befasst sich der Berliner Senat damit, wie es mit den Berliner Wahlen weitergehen soll.