Der Linkenpolitiker Gregor Gysi fordert eine deutsche Gedenkveranstaltung für den ehemaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow. Beide kannten sich und waren besonders in der Zeit der Wiedervereinigung Weggefährten.
»Es sollte ein besonderes Gedenken geben, weil Michail Gorbatschow einen wichtigen Beitrag zu Frieden, Abrüstung und der deutschen Einheit geleistet hat«, sagte Gysi dem SPIEGEL. Auf jeden Fall könne es eine Gedenkveranstaltung geben, »auf der man den Unterschied zwischen Putin und Gorbatschow deutlich macht, damit die scharfe Kritik an Putin nicht zu einer Ablehnung von Gesamtrussland führt«, so der Linkenpolitiker weiter.
Gysi behält den russischen Friedensnobelpreisträger in guter Erinnerung: »Michail Gorbatschow war ein höchst intelligenter und interessanter Gesprächspartner, er sprühte vor Ideen. Er organisierte einen dringend notwendigen Zusammenbruch, litt aber darunter, dass ihm kein Aufbau gelang.« Ob er zu einer Ehrenfeier nach Russland reisen würde, ist sich Gysi unsicher: »Ich glaube nicht, dass ich zu einer solchen Feier eingeladen werde. Und wenn doch, mache ich mir erst dann Gedanken.«
Auch Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag, hatte sich für eine deutsche Gedenkveranstaltung ausgesprochen. »Deutschland sollte in jedem Fall eine eigene Würdigung von Gorbatschow vornehmen. Ohne ihn hätte es die deutsche Wiedervereinigung so nicht gegeben«, sagte Bartsch, und weiter: »Denkbar wäre auch eine Feierstunde im Bundestag.«
Dahingehend äußerte sich auch Bundestagsvizepräsidenten Katrin Göring-Eckardt (Grüne): »Unser Land hat Michail Gorbatschow viel zu verdanken. Ich unterstütze es, dass sein Verdienst für Frieden und die Wiedervereinigung im Deutschen Bundestag gewürdigt wird.« In welchem Format an Gorbatschow im Bundestag gedacht werden soll, sagte Göring-Eckardt nicht.
Reisen Scholz und Merkel nach Moskau?
Ob deutsche Politiker nach Russland zu einer Gedenkveranstaltung reisen, ist unklar. Kanzler Olaf Scholz hatte nach der Kabinettsklausur in Schloss Meseberg offen gelassen, ob er an einer Trauerfeier für Gorbatschow in Russland teilnehmen würde. »Ich glaube, das ist jetzt nicht der Ort oder der Zeitpunkt, um über Reisen zu reden«, sagte Scholz. Er hoffe, »dass der russische Staat seinem früheren Staats- und Regierungschef die Ehre erweist, die ihm gebührt«.
Auch Altkanzlerin Angela Merkel wollte sich nicht dazu äußern, ob sie erwägt, zu einem Trauerakt zu reisen. Über eine solche Reise könne »zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage getroffen werden, da die näheren Umstände hierzu noch offen sind«, teilte eine Sprecherin mit. Wegen einer im Urlaub erlittenen Knieverletzung wäre eine Teilnahme für Merkel im September aber ohnehin nicht möglich.