g in der Ukraine: Funf Nachbarstaaten planen nationale Einreiseverbote fur Russen //
Die EU-Aussenminister haben eben erst beschlossen, das Visaerleichterungs-Abkommen mit Russland auszusetzen – nicht zuletzt auf Druck von Russlands Nachbarstaaten in der EU. Doch Polen, Finnland und die baltischen Lander Estland, Lettland und Litauen wollen es nicht dabei belassen.
Wie mehrere Diplomaten der beteiligten Lander dem SPIEGEL bestatigten, haben sich die funf Lander am Rande des informellen Ministertreffens am Mittwoch in Prag geeinigt, die Visavergabe an Russen in der Praxis so weit wie moglich einzustellen.
Die Einigung des EU-Ministertreffens gibt den Landern dazu ausdrucklich Raum. >>Wir erkennen an, dass die Anrainerlander Massnahmen auf nationaler Ebene ergreifen konnen, um die Einreise in die EU zu erschweren<<, hiess es in einem bei der Tagung abgefassten Dokument, das der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell anschliessend vor Journalisten vortrug.
EU-Aussenbeauftragter Borrell, Tschechiens Aussenminister Lipavsky: Massnahmen >>auf nationaler Ebene<<
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MICHAL CIZEK / AFP
Zwar musse das Vorgehen einzelner Staaten im Einklang mit den Regeln des Schengenraums stehen, innerhalb dessen freies Reisen moglich ist, betonte der Spanier. Doch auch dann haben die Mitgliedslander noch grossen Entscheidungsspielraum, wen sie hereinlassen und wen nicht – beispielsweise aus Sicherheitsgrunden, wie eine Sprecherin der EU-Kommission mitteilte. Vertreter der baltischen Lander haben in den vergangenen Tagen wiederholt betont, dass die Einreise von Russen auch ein Sicherheitsrisiko darstelle.
Nahezu komplette Einreiseverbote moglich
In der Praxis ist dadurch ein nahezu komplettes Einreiseverbot moglich, so wie es etwa Estland bereits praktiziert. Das Land verbietet seit Mitte August allen Russen die Einreise aus touristischen, geschaftlichen, sportlichen und kulturellen Grunden – sogar dann, wenn sie bereits ein von Estland ausgestelltes gultiges Schengenvisum besitzen. Nur in wenigen Ausnahmefallen, etwa wenn es um Dissidenten oder um humanitare Erwagungen geht, sollen noch Visa erteilt werden.
Das konnte viele Russen empfindlich treffen. Da der EU-Luftraum fur russische Flugzeuge aufgrund der Sanktionen wegen des Ukrainekriegs bereits gesperrt ist, reisten viele Russinnen und Russen uber Land in die baltischen Lander oder nach Finnland – und von dort in andere EU-Staaten. >>Das ist zu einem Sicherheitsrisiko fur die Anrainerstaaten geworden<>viele Russen zur Erholung oder zum Einkaufen eingereist, als ob in der Ukraine kein Krieg toben wurde<<.
Damit soll nun Schluss sein. Schon die Aussetzung des Visaerleichterungs-Abkommens werde die Zahl der von EU-Staaten ausgestellten Einreisegenehmigungen an Russen >>bedeutend senken<<, sagte Borrell. Dabei bedeutet dieser Schritt lediglich, dass die Beschaffung eines Visums fur Russen aufwendiger wird und die Kosten von 35 auf 80 Euro steigen.
Den Russland-Anrainern in der EU ist das offensichtlich nicht genug. >>Estland und andere Lander, die eine Grenze mit Russland und Belarus teilen, werden nationale Visasperren oder die Einschrankung von Grenzuberschreitungen fur russische Staatsburger mit EU-Visa erwagen<<, hatte der estnische Aussenminister Urmas Reinsalu nach dem Treffen mit seinen EU-Kollegen gesagt.
Dies soll Russen eine Einreise praktisch unmoglich machen. Die Sicherheitschecks wurden kunftig langer werden, sagte eine Diplomatin – sehr viel langer. Wenn sich das herumspreche, werde das als >>Abschreckung<< fur andere Personen aus Russland dienen.
Aussenministerin Baerbock: Neuausrichtung der EU-Russlandpolitik
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Denkbar erscheint auch, dass die EU die derzeit gultigen langerfristigen Schengenvisa fur Russen angeht. Die Zahl dieser Dokumente liegt nach Angaben des tschechischen Aussenministers Jan Lipavsky bei zwolf Millionen. Auf eine >>schnelle Losung<>diese Situation gemeinsam anzugehen<<, hiess es in der Einigung der Minister. Die EU-Kommission soll nun klaren, wie mit den Visa umzugehen ist.
Die russische Regierung drohte prompt mit Vergeltung. Die Aussetzung des Visaerleichterungs-Abkommens werde >>nicht ohne Konsequenzen<< bleiben, sagte Vizeaussenminister Alexander Gruschko.
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Die EU aber wird das von ihrem Kurs kaum abbringen. Das zeigte sich auch an einem vertraulichen Positionspapier, das die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock gemeinsam mit ihrer franzosischen Kollegin Catherine Colonna beim Ministertreffen in Prag vorgestellt hat. In dem Papier, das dem SPIEGEL vorliegt, fordern die beiden Politikerinnen eine >>strategische Neuausrichtung<< der EU-Russlandpolitik. Sie soll demnach aus vier Saulen bestehen. Ziele sind demnach,
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Russland von weiterer Aggression abzuschrecken und international zu isolieren sowie die Ukraine langfristig zu unterstutzen,
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die Widerstandskraft der EU gegen systemische Rivalen zu starken,
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in die Nachbarschaft der EU zu investieren und Alternativen zu systemischen Rivalen anzubieten,
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die Zivilgesellschaft und demokratische Opposition innerhalb und ausserhalb Russlands zu starken.
Einer der ersten Schritte ist nach Baerbocks und Colonnas Vorstellungen, Russlands Prasident Wladimir Putin in der Ukraine eine empfindliche Niederlage beizubringen: >>Russlands Krieg gegen die Ukraine muss ein strategischer Fehlschlag werden.<<