Die harmonische Anfangsphase der Ampel scheint vorbei zu sein , doch das will die Koalition ändern – hinter verschlossenen Türen auf der gemeinsamen Klausurtagung auf Schloss Meseberg. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte deutlich, dass er bei der Klausur einen Schlussstrich unter die Streitereien in der Ampelkoalition ziehen will. Es solle dort sichergestellt werden, »dass wir als Bundesregierung eng und untergehakt zusammenarbeiten«, sagte der Kanzler. »Das wird eine Klausurtagung, wo es gute Stimmung gibt und die Bereitschaft in einer ernsten Lage eng zusammenzuarbeiten zum Wohl des Landes.«
Beherrschendes Thema am ersten Tag der Tagung: der Krieg in der Ukraine mit seinen Folgen für Innen- und Außenpolitik. Die Bundesregierung hat sich etwa vorgenommen, die Grundlinien ihrer Sicherheitspolitik in einer Nationalen Sicherheitsstrategie neu zu definieren. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe »gravierende Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir unsere nationale Sicherheit denken müssen«, sagte Scholz. Das Konzept solle alle Facetten des Sicherheitsbegriffs umfassen, zum Beispiel auch die Versorgung mit Energie und Rohstoffen, den Erhalt der sozialen Marktwirtschaft oder eine starke Bildung und Forschung.
Verteidigungsministerin sieht kaum noch Spielraum für Bundeswehr-Lieferungen
Es ist das erste Mal, dass eine Bundesregierung eine umfassende nationale Sicherheitsstrategie erstellt. Geplant war sie schon vor dem Ukrainekrieg, der eine Kehrtwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik brachte. Nun soll die Bundeswehr massiv aufgerüstet werden.
Derzeit gebe es dabei kaum noch Möglichkeiten, Waffen aus Bundeswehrbeständen für den Abwehrkampf gegen Russland in die Ukraine zu schicken, sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD): »Ich muss zugeben als Verteidigungsministerin, (…) da kommen wir an die Grenzen dessen, was wir aus der Bundeswehr abgeben können.« Die Bundeswehr müsse die Landes- und Bündnisverteidigung gewährleisten können. Sie werde als Verteidigungsministerin sehr genau darauf achten, dass das weiterhin der Fall ist, betonte sie.
Sie zeigte sich »sehr optimistisch«, dass es in naher Zukunft zu einem Ringtausch mit Griechenland zur Unterstützung der Ukraine kommen könne. Polen bot sie weitere Gespräche darüber an. Die Idee des Ringtauschs entstand kurz nach Beginn des Ukrainekriegs. Ziel ist es, die Ukraine möglichst schnell mit schweren Waffen zu versorgen. Da die ukrainischen Streitkräfte für sowjetische Systeme keine zusätzliche Ausbildung benötigen, wurden solche Waffen zügig aus osteuropäischen Ländern in die Ukraine geliefert. Dafür sollen diese jetzt mit westlichen Fabrikaten versorgt werden.
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht
Foto: CLEMENS BILAN / EPA
Der Krieg Russlands beeinflusst auch innenpolitische Entwicklungen in Deutschland – insbesondere die Energieversorgung. Dem Bundeskanzler zufolge ist Deutschland für den Winter offenbar gerüstet. Man könne »mit aller Vorsicht« sagen, »dass wir wohl das Notwendige auf den Weg gebracht haben und noch weiter auf den Weg bringen können, um durch diesen Winter und durch den nächsten Winter zu kommen«, sagte Scholz. So seien etwa die Gasspeicher deutlich besser gefüllt, als man das vor einiger Zeit erwartet habe.
Als Nächstes stelle sich die Frage, wie man übertriebene Preisbildung auf dem Energiemarkt verhindern könne. Die Preisbildung an den Strombörsen zum Beispiel sei nicht gerechtfertigt.
Habeck will bei Gasumlage nachbessern
Einer der großen Streitpunkte innerhalb der Koalition war in den vergangenen Tagen die Gasumlage. Nun reagierte Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck auf teils die heftige Kritik an dem von ihm entworfenen Konzept und stellte Bedingungen auf, unter denen Energieunternehmen Anspruch auf die Zusatzeinnahmen erheben können. Man müsse »die Trittbrettfahrer vom Trittbrett schubsen«, sagte er vor Beginn der Klausur. Seiner Ansicht nach gebe es einige Stellschrauben, um zu verhindern, dass profitable Unternehmen die Umlage erhalten. Die Gasumlage sei aber kein Fehler, sondern ein notwendiges Mittel, um die hohen Preise »möglichst gerecht« auf Deutschland zu verteilen.
Unter anderem sollten nur Unternehmen unterstützt werden, die für die Gasversorgung in Deutschland relevant seien. Zudem müsse ihr Gasgeschäft im Betrieb eine relevante Größe haben. Wer von der Umlage profitierten wolle, muss laut Habeck seine Bücher offenlegen. Allein das könnte schon reichen, »um diese Unternehmen auszusortieren«.
Die Umlage sei wichtig für die Versorgungssicherheit in Deutschland, sagte Habeck nach der Kabinettsklausur. Unternehmen auszuschließen, die Gewinne machten, sei nicht so einfach – da stellten sich »wenn man tiefer einsteigt, enorm viele Fragen«, und die Regelungen müssten im Zweifelsfall auch Klagen standhalten.
Vorschläge für drittes Entlastungspaket kommen »sehr bald«
Scholz versprach vor dem Hintergrund der hohen Energiepreise erneut, »sehr bald« Vorschläge für eine Entlastung von Bürgern und Unternehmen vorzulegen. Dazu gebe es sehr konstruktive und vertrauliche Gespräche in der Bundesregierung. Es sei wichtig, das »sehr ernsthaft, sehr intensiv und sehr vertraulich« zu machen, um effizienter und schneller zu Ergebnissen zu kommen.
Auch dem Fachkräftemangel versucht die Bundesregierung zeitnah zu begegnen. Zumindest kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ein Maßnahmenbündel. Man werde im Herbst dazu Entscheidungen treffen, sagte der SPD-Politiker und kündigte eine »umfassende Fachkräftestrategie« an. Die Weiterbildung solle fortentwickelt und »mit einem modernen Einwanderungsrecht« solle für »ergänzende Fachkräfteeinwanderung« gesorgt werden, so Heil. Das Thema Ausbildung werde man mit einer Ausbildungsgarantie angehen.
Am Mittwoch schließt die Bundesregierung ihre Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg ab. Bei einer Kabinettssitzung sollen unter anderem die Digitalstrategie der Bundesregierung sowie der Rüstungsexportbericht 2021 beschlossen werden.