Bundeskanzler Olaf Scholz hat vorgeschlagen, dass Deutschland sich vorrangig um die Luftabwehr und Artillerie der ukrainischen Streitkräfte kümmert. Bei einem Besuch in Prag sagt Scholz, dass man gerade ein neues Waffenpaket im Wert von 600 Millionen Euro zugesagt habe. Man brauche eine dauerhafte und verlässliche Unterstützung der ukrainischen Armee.
Scholz betonte: »Unser Ziel sind moderne ukrainische Streitkräfte, die ihr Land dauerhaft verteidigen können. Dafür dürfen wir aber nicht nur das an Kiew liefern, worauf wir selbst gerade verzichten können.« Es brauche »mehr Planung und Koordination«.
Scholz plant Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine
Er könne sich zum Beispiel vorstellen, dass Deutschland besondere Verantwortung beim Aufbau der ukrainischen Artillerie und Luftverteidigung übernehme, sagt Scholz. »Auf solch ein System der koordinierten Unterstützung sollten wir uns schnell verständigen.« Man werde diese Unterstützung aufrechterhalten, »verlässlich und vor allem: so lange wie nötig«. Er werde zusammen mit der EU-Kommission zu einer Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine am 25. Oktober in Berlin einladen, sagt der Kanzler.
Scholz will gemeinsam mit europäischen Nachbarn ein neues Luftverteidigungssystem aufbauen. Ein gemeinsam aufgebautes System »wäre ein Sicherheitsgewinn für ganz Europa«, sagte Scholz. Zudem wäre es kostengünstiger und effizienter als nationale Lösungen.
Er unterstütze die französische Idee für eine neue europäische politische Gemeinschaft, die einen engeren Austausch mit Partnern außerhalb der EU ermöglichen soll. Derzeit fehle ein Forum, bei dem die Staats- und Regierungschefs der EU mit Partnerstaaten ein- oder zweimal jährlich zentrale Themen besprechen könnten, sagte Scholz am Montag in einer Rede an der Karls-Universität in Prag. Als mögliche Bereiche nannte er beispielsweise Sicherheits- und Energiefragen sowie Klimaschutz.
»Solch ein Zusammenschluss – das ist mir ganz wichtig – ist keine Alternative zur anstehenden EU-Erweiterung«, betonte der SPD-Politiker bei seinem Besuch in Tschechien. »Denn wir stehen bei unseren Beitrittskandidaten im Wort – bei den Ländern des Westlichen Balkans sogar schon seit fast 20 Jahren.«
Georgien soll EU beitreten können
Nach der Ukraine und Moldau soll auch Georgien Teil des Staatenbündnisses werden. Scholz sagte, er setze sich für die Erweiterung der Europäischen Union um die Staaten des Westbalkans ein. Dazu zählte Scholz neben der Ukraine und Moldau »perspektivisch auch Georgien«. Diese Erweiterung sei im Interesse der Europäischen Union. »In diesen Tagen stellt sich erneut die Frage, wo künftig die Trennlinie verläuft zwischen diesem freien Europa und einer neo-imperialen Autokratie«, fügte Scholz hinzu.
Dabei sprach Scholz spricht sich für radikale Reformen in der EU aus, um diese auf die Aufnahme neuer Staaten vorzubereiten. In einer europapolitischen Grundsatzrede in Prag schlug Scholz am Montag dabei laut Redetext Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Steuerpolitik und eine Neuordnung im Europäischen Parlament vor. Die Wählerstimmen sollten in etwa das gleiche Gewicht haben. An dem Prinzip, dass jeder Staat einen EU-Kommissar oder eine Kommissarin bestimmt, will er nicht rütteln. Diese müssten sich dann aber Zuständigkeiten in einer Kommission teilen, forderte er. Die Abkehr vom Prinzip der Einstimmigkeit sei wichtig, auch wenn dies Auswirkungen auf Deutschland habe.
Zugleich plädierte der SPD-Politiker für eine sehr viel stärkere Verteidigungszusammenarbeit, forderte ein voll funktionsfähiges EU-Hauptquartier und bot eine zentrale deutsche Rolle bei der Organisation der Luftverteidigung in Nord- und Osteuropa an. Mit Blick auf die Rechtsstaatskonflikte mit Polen und Ungarn betonte der Kanzler, dass die EU keine Kompromisse bei dem Wertefundament der EU machen dürfe. »Sinnvoll scheint mir auch, Zahlungen konsequent an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards zu knüpfen«, sagte er.