Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Bürgerinnen und Bürger auf einen schwierigen Coronaherbst eingestimmt. Mit der Omikron-Subvariante BA.5 werde man zumindest am Anfang des Herbstes einen Anstieg der Fallzahlen erleben, sagte der SPD-Politiker der »Welt am Sonntag« (WamS). »Es wird dann zu Ausfällen in den Betrieben und der kritischen Infrastruktur kommen, etwa in Krankenhäusern. Es stehen uns also schwierige Zeiten bevor.« Dies sei besonders dann der Fall, wenn der Aufenthalt in Innenräumen wegen der niedrigen Temperaturen zur Regel werde.
Im Herbst stehen wieder schärfere Vorgaben zum Pandemieschutz bevor. Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch einen Entwurf auf den Weg gebracht, der vom 1. Oktober bis 7. April 2023 weitergehende Regeln zu Masken und Tests vorsieht. Die Länder sollen sie verhängen und bei kritischer Lage ausweiten können. Bundesweit soll eine FFP2-Maskenpflicht in Flugzeugen und Fernzügen, Pflegeheimen und Kliniken gelten.
Lauterbach verwies in der WamS auf die Zahl von 100 bis 150 Coronatoten pro Tag. »Meine Sorge ist, dass diese Zahl noch steigen könnte.« Das sei nicht vertretbar. Daher müsse man gut vorbereitet sein. »Und wir sind es, wenn der Bundestag die vorgelegten Änderungen zum Infektionsschutzgesetz beschließt.« Wenn ein Wechsel der Virusvarianten ausbleibe, dann werde Deutschland nicht in eine epidemische Lage kommen. »Trotzdem brauchen wir für den Notfall Werkzeuge«, sagte Lauterbach.
Lüften statt Luftfilter
Heinz-Jörn Moriske, Direktor im Umweltbundesamt (UBA), rief derweil dazu auf, in der Energiekrise die Nutzung mobiler Luftfilter in Schulen auf das Nötigste zu beschränken. Er riet dazu, alle 20 Minuten zu lüften. Einige Bundesländer hatten viel in die Anschaffung mobiler Luftfilter für Schulen investiert.
In der WamS wehrte Lauterbach sich gegen Kritik an der geplanten Maskenpflicht für Schüler ab der fünften Klasse. »Mit meiner Aufgabe als Gesundheitsminister ist es nicht zu vereinbaren, dass Kinder massenhaft erkranken. Die Durchseuchung einer ganzen Generation ist unverantwortlich«, sagte er. Es gehe um Millionen von Kindern. »Noch wissen wir nicht, was diese Infektion, wenn sie wiederholt auftritt, mit dem Immunsystem der Kinder macht.«
Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, sprach sich für einen stärkeren Einsatz des Medikaments Paxlovid aus, um schweren Erkrankungen zu begegnen. »Ich glaube tatsächlich, dass die stärkere Behandlung mit diesem Medikament dazu beitragen könnte, dass weniger Coronapatienten mit einem schweren Verlauf auf den Intensivstationen behandelt werden müssen«, sagte Marx den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Studiendaten wiesen darauf hin, dass die Verabreichung von Paxlovid gerade zu Beginn einer Infektion einen schweren Verlauf verhindern könne. »Wenn die Behandlung mit dem Medikament angezeigt ist und der Patient dies auch möchte, sollten Ärzte dies auch stärker als bislang tun.«
Wie die »Bild«-Zeitung am Samstag unter Berufung auf eine Abfrage bei den Ländern berichtete, sind sich diese uneins über Indikatoren zur Anwendung schärferer Coronamaßnahmen im Herbst.
Das Land Berlin will demnach auf eine Mischung aus verschiedenen Kennzahlen setzen, darunter die Entwicklung der Fallzahlen, die Krankenhausbelegung und Personalausfälle in der kritischen Infrastruktur. Auch Rheinland-Pfalz und Sachsen wollen sich an der Lage in den Kliniken orientieren. Die Mehrheit der Bundesländer legte laut »Bild« noch keine Indikatoren für weitere Coronamaßnahmen fest und hofft weiter auf bundeseinheitliche Kriterien.