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News: Olaf Scholz und Robert Habeck, Wladimir Putins Tochter, Biontech-Gründer Uğur Şahin

1. Kanzler mit Umfragezeichen

Ich stelle mir vor, wie irgendein Mitarbeiter im Bundespresseamt die aktuellen Meldungen durchgeht, um aus dem Wust das Wichtigste für seine Chefs rauszufischen: Was leiten wir dem Regierungssprecher und seinen Leuten weiter? Was muss der Kanzler wissen? Ich stelle mir vor, wie der Mitarbeiter ein Gähnen unterdrückt beim Lesen der Schlagzeile: Umfrage zur Kanzlereignung – lieber Habeck als Scholz. Leute, erzählt mir was Neues. Wie er weiterscrollt, dann doch innehält und zurückwischt auf dem Bildschirm, um sich den aktuellen SPIEGEL-Regierungsmonitor genauer anzuschauen. Wie er sich verschluckt und den Kaffeebecher umwirft: Selbst Friedrich Merz halten die Deutschen für den besseren Kanzler – und Markus Söder liegt gleichauf mit Scholz! Copy, paste, das kommt in die Kanzlermappe, auch wenn die Chefs wieder schlechte Laune bekommen. (Lesehilfe mit allen Zahlen hier.)

Klar, Habeck redet anders, gekonnter, oft überzeugender. »Dieser Mann kommuniziert besser als die anderen Politiker. Dieser Mann trägt einen neuen Ton in die Politik«, wie mein Kollege Dirk Kurbjuweit gerade erst analysierte (hier die ganze Geschichte ). Dagegen müssen die Reden und Bürgergespräche des Kanzlers auf viele wirken wie ein sehr langer Turing-Test. Aber dass der Merz-Sound mittlerweile besser und das Söder-Gepolter ähnlich ankommen, überrascht dann doch.

Am Vormittag hat Scholz auf einem Schießplatz an der Ostsee die Ausbildung ukrainischer Soldaten am Flakpanzer »Gepard« besichtigt. 15 der Flugabwehr-Systeme wurden bereits in die Ukraine ausgeliefert, 15 weitere sollen bald folgen. »Der Export ist neben Panzerhaubitzen ein Kernstück der deutschen Waffenhilfe für den Kampf der Ukrainer gegen die russischen Invasoren«, berichten meine Kollegen Matthias Gebauer und Konstantin von Hammerstein .

»Dass Scholz sich hier zeigt, soll auch ein politisches Symbol sein«, berichten die Kollegen. »Seit Monaten steht der Kanzler wegen seiner zögerlichen Haltung bei Waffenlieferungen in der Kritik, auch in der Koalition bezeichnen ihn einige als Bremser und Zauderer.« Auf dem Truppenübungsplatz Putlos aber soll ein anderes Bild entstehen.

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Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Putin will Armee um mehr als 130.000 Soldaten aufstocken: Der Ukrainekrieg führt bei der russischen Armee zu erheblichen Verlusten. Kremlchef Putin will das Militär nun per Dekret weiter ausbauen. Woher die Einheiten kommen sollen, bleibt jedoch unklar.

  • »Er war im Haus und wurde herausgeschleudert«: In der Ostukraine haben zwei russische Raketen zahlreiche Menschen getötet – am Unabhängigkeitstag. Der fiel aus Angst vor Angriffen ohnehin still aus und wurde nur außerhalb des Landes größer gefeiert.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

2. Liebesflüge aus Moskau

Mithilfe eines großen Datensatzes aus Flug- und Hotelbuchungen, Passagierdaten, Passkopieren und internen Mails konnten ein Team um meine Kollegen Jörg Diehl und Roman Höfner die Reisebewegungen von Wladimir Putins Tochter rekonstruieren : Katerina Tichonowa jettete über Jahre samt Bodyguards nach Bayern, wohl um ihren Lebensgefährten zu treffen. »Meist verbrachte sie ihre Zeit in München oder am nahegelegenen Tegernsee«, sagt Roman. »Dabei stets an ihrer Seite: Personenschützer der russischen Präsidentengarde FSO.« Dass die Leibwächter unbewaffnet waren, halten Fachleute für ausgeschlossen.

Und die deutschen Sicherheitsbehörden? Hatten offenkundig keine Ahnung von den Trips, wie die Recherchen zeigen. »Die Reisefreudigkeit der Putin-Tochter und ihrer Entourage wirft erhebliche diplomatische und sicherheitspolitische Fragen auf«, berichten die Kolleginnen und Kollegen. Es geht nicht um Sippenhaft, wie manch ein Leser in unserem Forum schreibt, und auch nicht darum, ob eine prominente Privatperson im »Superior Doppelzimmer« übernachtet.

Der Vorgang macht einerseits klar, wie wenig der Kreml Deutschlands Kontroll- und Sicherheitsinteressen berücksichtigte. Und er offenbart andererseits das Desinteresse, das in deutschen Nachrichtendiensten herrschte: Kaum jemand scheint sich darum geschert zu haben, was einflussreiche Russinnen und Russen in der Bundesrepublik so treiben. »Welche Immobilien sie kauften oder mit wem sie Geschäfte machten, galt gemeinhin als Privatsache«, berichten die Kolleginnen und Kollegen. »Der laxe Umgang rächt sich nun. Es ist schwer, Sanktionen gegen Putins Helfershelfer durchzusetzen. Ihre Netzwerke sind für Behörden nur schwer zu durchdringen.«

3. Endlich, der Omikron-Booster

Biontech-Chef Uğur Şahin rechnet mit einer Zulassung des Omikron-Boosters in der kommenden Woche und kündigt an, anschließend innerhalb weniger Tage den angepassten Impfstoff flächendeckend bereitzustellen: »Wir können sehr zeitnah ausliefern, hoffentlich ab Anfang September«, sagte Şahin im Interview mit meinem Kollegen Thomas Schulz . Zunächst erwartet Şahin die Zulassung des auf dem ursprünglichen Omikron-Subtyps BA.1 basierten Impfstoffs.

Biontech hat inzwischen aber auch einen weiteren Booster für den nun dominanten Subtyp BA.5 entwickelt und produziert. Dieser werde vermutlich jedoch nur wenig später zugelassen, Biontech reiche gerade bei der EMA die letzten Dokumente ein: »Dann kann es auch hier schnell gehen«, sagte Şahin. Grundsätzlich bestehe »zwischen den beiden Impfstoffen kein gewaltiger Unterschied«. Beide wirken den Unternehmens-Studien zufolge deutlich besser gegen Omikron als die ursprüngliche Vakzine. Dennoch hat Şahin eine persönliche Präferenz: »Ich bin dafür, immer so nah wie möglich am dominierenden Stamm zu bleiben. Das wird auch bei der Grippe so gemacht.«

Zugleich bereitet sich Biontech darauf vor, noch schneller auf künftige gefährliche Varianten zu reagieren: »Wir haben ein Frühwarnsystem entwickelt, das mithilfe von künstlicher Intelligenz ständig die Entwicklung des Virus analysiert«, so Şahin. »Dabei schauen wir uns jeden Monat zehntausende Sequenzen des Spike-Proteins von neuen Varianten an.« Anschließend werde eine »Top-100-Liste der zu beobachtenden Varianten« erstellt.

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Was heute sonst noch wichtig ist

  • Urteile im Mordfall Lübcke rechtskräftig: Der Mordfall Walter Lübcke wird nicht neu verhandelt: Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen zurückgewiesen und die lebenslange Freiheitsstrafe für Stephan Ernst und den Teilfreispruch des Mitangeklagten Markus H. bestätigt.

  • Britische Bank zieht positive Bilanz zur Viertagewoche: Vergangenes Jahr reduzierte die britische Atom Bank die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter auf vier Tage in der Woche. Ihr Fazit: selbst die Kunden sind zufriedener.

  • Wissings Klimaprogramm »schon im Ansatz ohne Anspruch«: Deutschland verfehlt seine Klimaziele im Verkehr drastisch – und gibt sich keine Mühe, die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Der Expertenrat Klima gibt Minister Wissing für sein Sofortprogramm eine glatte Sechs.

Meine Lieblingsgeschichte heute: Raten nach Zahlen

Das echte Leben in die Sprache der Mathematik zu pressen, wirkt schnell wie Zynismus. Ich erinnere mich dunkel, dass in der Journalistenschule eine Formel für Nachrichtenrelevanz ausgegeben wurde: Betroffenheit = Opferzahl/Entfernung. Je mehr Tote, desto wichtiger für die Leute; je weiter weg, desto unwichtiger. Pi mal Daumen scheint die Formel zumindest für das messbare Interesse zu stimmen: Eine (kostenlose) Meldung über das Leid der Rohingya, die heute vor fünf Jahren aus Myanmar vertrieben wurden, klickten etwa 17.000 Leute auf unserer Homepage an. Für die Geschichte über eine getötete 23-Jährige in Ingolstadt, die meine Kollegin Lisa Duhm und mein Kollege Jens Witte recherchiert haben und für die man ein SPIEGEL+-Abo braucht, entschieden sich 71.000 Leute. (Hier die ganze Story.)

Verstehen Sie das nicht als moralisches Urteil, wahrscheinlich ist es ganz einfache Psychologie: Jede und jeder braucht einen Wahrnehmungsfilter, um nicht dem Wahnsinn anheimzufallen bei all dem Grauen auf der Welt. Journalismus heißt aber eben auch, sich nicht nur an der Einschaltquote zu orientieren.

Deutlich unproblematischer und zugleich aussichtsloser erscheint es mir, den Alltag mit Kindern berechenbar zu machen. Der britische Mathematiker James Hind hat eine Formel aufgestellt, die vorhersagen soll, wie häufig es im Auto zu Wutanfällen von Kindern kommt: T (Time) in Minuten bis zum nächsten Wutanfall = 70 plus 0.5 E (Entertainment) plus 15 F (Food) minus 10 S (Siblings, also Geschwister). Je mehr Unterhaltung und Essen, desto länger bis zu Quängelei; je mehr Geschwister, desto kürzer. »Ich fürchte, dass man Wutanfälle akzeptieren muss«, sagte er meiner Kollegin Katharina Koerth. »Aber man kann die Zeit zwischen den Trotzanfällen strecken.« Seinen Berechnungen zufolge fragen Kinder alle halbe Stunde: »Sind wir schon da?« So selten? Das glaubt kein Mensch, jedenfalls keiner, der Kinder hat.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Wie ein Geschäftsmann Gas- und Stromverbraucher austricksen will: Gas und Strom zu garantierten Niedrigpreisen: So lockte ein windiger Energiediscounter Verbraucher an. Nun will er seine Tarife drastisch erhöhen. Sind Kunden solchem Treiben machtlos ausgeliefert? 

  • You can’t hurry Love: Beim Nachwuchs von Hannover 96 trainiert nun ein 17-Jähriger mit berühmtem Namen: Matthew Collins. Der Sohn des Musikerstars Phil Collins hat zwar noch nicht gespielt. Der Rummel ist aber schon jetzt groß .

  • Italiens verrückter Sommer: Kurz vor der Parlamentswahl in Italien ist die politische Zukunft des Landes so offen wie lange nicht: Das rechte Lager um Giorgia Meloni liegt vorn, ist sich aber bei vielen Themen nicht einig. Auch die Gegenseite ist zerstritten .


Was heute weniger wichtig ist

Ringfrei: Jennifer Flavin, 54, Noch-Gattin von Sylvester Stallone, 76, will die Ehe mit dem »Rocky«- und »Rambo«-Darsteller beenden, wie sie über das Magazin »People« öffentlich machte: »Ich bin traurig, mitteilen zu müssen, dass ich nach 25 Jahren Ehe die Scheidung von meinem Mann eingereicht habe.«

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Das Emborgo werde zumindest zu höheren Preisen führen«

Cartoon des Tages: Ampel

Illustration: Thomas Plaßmann


Und heute Abend?

Könnten Sie kochen und zwar finnisch. Die Finnen können nämlich nicht nur feiern (Sie haben es mitbekommen), sondern auch ihr heimliches Nationalgericht lohnt sich: »Karelische Piroggen werden in Finnland zu jeder Tageszeit gegessen, zum Frühstück, mittags oder abends und zwischendurch als Snack«, schreibt unsere Köchin und Kolumnistin Verena Lugert – empfiehlt, sich bei den Finnen auch eine sehr beeindruckende Grundhaltung zum Leben abzuschauen. (Hier der ganze Text.) Schaffen Sie sich Ihre eigene Finn-Finn-Situation.

Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp

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