Frank-Walter Steinmeier hat zum 30. Jahrestag der fremdenfeindlichen Krawalle im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen gemahnt, dass sich derartige Ereignisse nie wiederholen dürften. »Was in Rostock geschah, ist eine Schande für unser Land. Für diese Schande trägt die Politik große Mitverantwortung«, sagte der Bundespräsident im Rahmen einer Gedenkveranstaltung. Er dankte denjenigen, die sich bis heute für die Aufarbeitung der Vorfälle einsetzten.
In Lichtenhagen hatten vom 22. bis zum 26. August 1992 Anwohner und Neonazis unter dem Applaus Tausender Schaulustiger die Zentrale Aufnahmestelle für Asylsuchende und ein Wohnheim für vietnamesische Arbeiter angegriffen und teils in Brand gesetzt. Die Polizei bekam die Lage nicht unter Kontrolle. Die Ausschreitungen gelten als die schlimmsten rassistischen Übergriffe der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Steinmeier erinnerte an die traumatischen Erlebnisse und die Todesangst, die die damals in dem Stadtteil lebenden Migranten hätten durchstehen müssen. »Es müssen unendlich furchtbare Stunden gewesen sein«, sagte der Bundespräsident. Steinmeier mahnte mit Verweis auf die »dunkelsten Kapitel unserer deutschen Geschichte«, man dürfe nicht davon sprechen, dass die Ereignisse unvorstellbar seien: »Die Idee von der Unvorstellbarkeit ist ein verhängnisvoller Denkfehler.«
Zudem warnte er vor einer neuerlichen Radikalisierung in Teilen der Gesellschaft. »Das Risiko, dass die Spur der Gewalt nicht endet, ist hoch«, sagte das Staatsoberhaupt. »Gerade jetzt, in einer Zeit, die uns herausfordert wie keines der letzten Jahrzehnte, einer Zeit, die uns viel abverlangt, in der Gewohntes infrage steht und Einschränkungen drohen«, sagte Steinmeier, offenbar mit Bezug auf den Krieg in der Ukraine und steigende Lebenshaltungskosten.
Der Bundespräsident hatte zuvor auch vor dem Sonnenblumenhaus in Lichtenhagen gesprochen, das einst von Rechtsextremen in Brand gesteckt worden war. Aus den Geschehnissen in Lichtenhagen, aber auch aus den rassistischen Terrortaten von Mölln, Halle und Hanau ergebe sich eine »gesellschaftliche Pflicht«, all jenen »Schutz zu bieten, die potenziell Opfer sind«.