Markus Feldenkirchen Wir haben da mal die Bürgerinnen und Bürger in Berlin auf der Straße gefragt, mit welchen Gefühlen sie in den bevorstehenden Herbst gehen. Da schauen wir uns mal an.
Reporter Was haben Sie für Gefühle?
Passant Schlechte Gefühle, weil ich bin Eigenheimbesitzer, habe eine 30 Jahre alte Heizung und da kann man nichts Großartiges einstellen. Und ich bin Rentner mit einer kleinen Rente und ich weiß nicht, wie es weiter geht.
AdvertisementPassantin Gerade alleinlebend ist das eine totale gefühlsmäßige Katastrophe, weil man nicht wirklich weiß, wie die Endabrechnungen sind. Und ja, als Familie hat man es schwer, aber auch alleinstehend und das… Ehrlich gesagt bringt das ein bisschen schlaflose Nächte.
Passant 1 Ich versuche noch irgendwie einen Nebenjob zu kriegen. Das, was man nur machen kann. Vielleicht Zeitung austragen, damit ein bisschen Geld rumkommt. Aber sonst weiß ich nicht, was ich machen kann.
Markus Feldenkirchen Frau Göring-Eckardt, Sie als Vertreterin der Regierungskoalition: Was würden Sie diesem Herrn antworten? Ich meine, in der Rente zusätzlich noch Zeitungsaustragen zu müssen, das kann ja nicht im Sinne Ihrer Regierung sein.
Katrin Göring-Eckardt Nein, das ist es auch nicht. Und ich habe jetzt erst mal gedacht, das geht mir übrigens auch so, dass ich nachts schlecht schlafe oder oft auch nicht, weil ich die ganze Zeit, wie alle politisch Verantwortlichen, natürlich auch darüber nachdenke: Was können wir jetzt machen? Was müssen wir tun, um vor allen Dingen denen, die sich nicht leisten können, zu helfen? Was wir nicht noch einmal machen sollten, ist, mit der Gießkanne unterwegs zu sein. Und der Rentner, die Rentnerin… Ja, in der Tat. Und das ist ein Fehler. Also das ist, das ist auch ganz klar und das geht für diesen Herbst nicht, dass man weiter Gießkanne macht. Die Frage ist, was mit den Grundsicherungs-Empfängerinnen und Empfängern ist. Hubertus Heil hat vorgeschlagen 50 Euro mehr. Finde ich erst mal richtig als ersten Schritt. Aber wir brauchen auch eine Neuberechnung.
Jens Spahn Ich finde sehr wichtig, es wird sehr viel politische Aufmerksamkeit auf das Thema Grundsicherung, Heizkosten-Zuschuss gelenkt. Es ist alles okay, aber die Gruppe, die gerade wirklich in die Knie geht, ist diejenige, die dieses Land am Laufen hält. Die jeden Tag aufsteht, Polizistinnen, Krankenschwestern, Facharbeiter, Handwerker das sind diejenigen, die keine Sozialleistungen kriegen. Die am Ende, gerade daheim im Münsterland geht es auch nicht mit Bus und Bahn, die pendeln müssen, die beim Tanken, beim Heizen, bei all diesen Fragen einfach jeden Cent umdrehen und nicht mehr können. Und die sind fast nie im Fokus dieser Entlastungsdebatte. Und die brauchen jetzt eine Entscheidung, nicht in drei Monaten.
Markus Feldenkirchen Dazu Frau Göring Eckardt.
Katrin Göring-Eckardt Ich sage im Moment sind wir wirklich in einer extrem krisenhaften Situation. Also alle Krisen kommen ja gerade aufeinander und über einige haben wir hier gesprochen. Und in dieser Situation mit einer einmaligen Vermögensabgabe ein Signal zu setzen, finde ich richtig. Und dann muss man über so was wie Jens Spahn vorschlägt auch weiter redet. Natürlich, die diejenigen, die das machen können.
Markus Feldenkirchen Ab wann ist man vermögend?
Katrin Göring-Eckardt Vermögend ist man, sind wir vielleicht auch schon, aber es geht um die Superreichen, tatsächlich.
Jens Spahn Und ab wann ist man superreich?
Katrin Göring-Eckardt Wir haben in unserem Wahlprogramm mal gesagt, es geht um 2 Millionen. Es gibt andere Institute, die was anderes sagen, aber ich finde das ist…
Markus Feldenkirchen Konkreter wäre es schon gut, wenn Sie jetzt diesen Vorschlag machen.
Jens Spahn Aber zwei Millionen und suppereich? Zwei Millionen ist viel Geld, aber superreich? Da hätte ich jetzt eher an Jeff Bezos gedacht, oder so.
Katrin Göring-Eckardt Ja, Jeff Bezos ist mit Sicherheit auch dabei. Und ich will gar nicht die Diskussion haben, ab welchem Betrag ist man das? Sondern ich möchte gerne, dass wir eine gesellschaftliche Debatte darüber haben, dass eine solche Vermögensabgabe möglich ist bei den Leuten, die mehrfach Millionen besitzen. Und das kann man auch, und dann ist es diese Abgabe. Es geht auch in unserer Verfassung nur wirklich einmalig.
Markus Feldenkirchen Sie, Herr Spahn, waren ja schon immer ein Freund der Atomkraft. Ich kann mich zum Beispiel an Deutschlandtage der Jungen Union erinnern, wo wirklich die Leute johlend aufgestanden sind, als es um die Atomkraft ging. Ist die Gaskrise für Sie jetzt so was wie die letzte Hoffnung, die Kernenergie in Deutschland doch noch zu retten?
Jens Spahn Nein, darum geht es doch nicht. Es geht darum, dass wir eine sichere und vor allem bezahlbare Energieversorgung haben. Und da geht es übrigens nicht nur um den Winter. Wir hatten gestern Strompreise von über 700 Euro die Megawattstunde, das sind 70 Cent für eine Kilowattstunde. Das ist Wahnsinn. Das zeigt, dass eine der großen Fehleinschätzungen dieser Krise der Satz ist: “Wir haben kein Stromproblem”. Die Kernkraftwerke, die drei, die noch laufen, produzieren fünf, sechs Prozent des deutschen Stroms. Und ich finde, man kann nicht die Deutschen dazu auffordern, weniger zu duschen. Halte ich sowieso nicht so viel von von solchen Vorschlägen. Aber wenn man das schon macht und jede Kilowattstunde zählt und dann sechs Prozent des deutschen Strom der deutschen Stromproduktion vom Netz gehen lassen. Was ich übrigens, sorry, gar nicht verstehe. Frau Göring-Eckardt hat ja zu Recht gesagt, wir wollen fossilfrei werden, auch in der Stromerzeugung. Warum Grüne lieber Kohle? Wir haben Gesetze geändert im Juli, damit mehr Kohlekraftwerke wieder ans Netz kommen. Klimakiller Nummer Eins in Deutschland ist Kohle davon, gar kein Problem, können wir mehr nutzen. Sofort beschlossen innerhalb von zwei Wochen, klimaneutrale Kernenergie soll auslaufen. Und das zeichnet einfach die Grünen. Sie haben ja gesagt, wir würden den Grünen nur eine reinwürgen wollen, wer diese Debatte führen will. Für die Grünen ist das so eine Gründungsmythos-Frage Aber sie sind halt mehr Anti-AKW Partei als Anti-Klima-Partei.
Markus Feldenkirchen Haben Sie Quatsch erzählt, mit der Behauptung wir haben kein Stromproblem.
Katrin Göring-Eckardt Wir haben ein viel größeres Problem als wir ein Stromproblem haben. Und in der Tat ist ja die Frage, wie ist das mit dem Stromsparen? Was haben wir da für Möglichkeiten und was ist mit der mit der Atomkraftdebatte? Ich gehört nicht zur Gründungsgeneration der Grünen, aber für mich ist, ich bin in der nähe von Tschernobyl gewesen 1990, und habe gesehen, was da passiert ist. Die Sicherheitsfrage ist die eine. Und ich finde, wir sollten sie auch nicht kleinreden. Wir haben eine Atomaufsichtsbehörde in Deutschland, die viel tut für die Sicherheitsfrage, aber sie ist da, und sie ist und bleibt relevant. Die andere Frage ist die ökonomische. Und ich finde, wir können auch bei der Atomkraft nicht sagen: “Jetzt lass uns mal alle Nebenkosten einmal kurz wegreden”. Da gehört die Sicherheitsfrage dazu. Übrigens alles das, was da drum herum gemacht werden muss, also Sicherheit gegen Flugzeuge, die da reinfahren können und alles das, was passiert, kostet wahnsinnig viel Geld. Die Endlagerfrage ist definitiv Nullkommanull gelöst. Mir geht es nicht um nicht um nicht irgendwas Ideologisches. Für mich ist es auch nicht das Lebenswerk, aber ich finde, wir brauchen eine vernünftige Abwägung. Und natürlich, ich meine, dass wir in die Regierung kommen und dann aus dieser Situation heraus der Abhängigkeit von Russland, den Fehlern, die in den letzten Jahrzehnten gemacht worden sind und all dem dann dastehen und sagen müssen: Wir müssen Kohlekraftwerke wieder hochfahren, das ist die Hölle. Also nicht nur emotional, politisch in jeder Hinsicht.