Bundesfinanzminister Christian Lindner hält ein drittes Entlastungspaket im »unteren zweistelligen Milliardenbetrag für erreichbar«. In der »Rheinischen Post« (Freitag) nannte der FDP-Chef dafür drei Prioritäten. »Erstens geht es um Bedürftige, zweitens um die arbeitende Mitte und drittens um die energieintensive Wirtschaft. Für jeden dieser drei Bereiche brauchen wir passende Instrumente«, sagte Lindner.
Bürgergeld und Wohngeld würden den Bedürftigen helfen, der Inflationsausgleich gegen die kalte Steuerprogression schütze die Mitte. Für die energieintensiven Unternehmen werde es gezielte Wirtschaftshilfen geben müssen, sagte der Finanzminister.
Spezielle Hilfen für Rentnerinnen und Rentner lehnte Lindner hingegen ab. »Die Renten wurden in diesem Jahr zum Glück deutlich erhöht«, sagte der FDP-Politiker. Bedürftige Rentner hätten wie alle in der Grundsicherung eine Sonderzahlung erhalten, zudem gebe es beim Wohngeld einen Heizkostenzuschuss. Auch profitierten Rentner von der Abschaffung der EEG-Umlage auf die Stromrechnung.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Donnerstag in Berlin betont, mit dem Entlastungspaket solle der große Druck, der auf vielen Bürgern und Unternehmen laste, gemildert werden. »Wie das Paket genau aussieht, besprechen wir vertrauensvoll in der Regierung. Die Gerechtigkeitsfrage ist entscheidend, damit das Land in dieser Krise zusammenhält.« Der SPD-Parteivorstand schrieb am Abend auf Twitter, das dritte Entlastungspaket befinde sich in den »letzten Abstimmungen«.
Sozialverband VdK pocht auf Übergewinnsteuer
Sozialverbände und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi reagierten indes kritisch auf die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf sieben Prozent. »Die Mehrwertsteuerabsenkung entlastet alle, also auch diejenigen, die es überhaupt nicht nötig haben«, erklärte der Paritätische Gesamtverband gegenüber der »Rheinischen Post«. Der Verband sprach sich stattdessen für »gezielte Hilfen für die aus, die ihre Gasrechnung nicht mehr bezahlen können«.
Der Sozialverband VdK begrüßt die von der Bundesregierung angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas. Sie gleiche die Gasumlage ungefähr aus. »Das ist gut für die Haushalte, die unter den hohen Gaspreisen leiden. Das ist aber schlecht für den Staatshaushalt. Wir müssen jetzt ganz dringend über Einnahmen reden, sonst wird es keine Kindergrundsicherung, kein gutes Bürgergeld und keine Entlastung für pflegende Angehörige geben«, sagte Präsidentin Verena Bentele.
Sie sprach sich als Gegenfinanzierung für eine Übergewinnsteuer krisenbedingt hoher Firmengewinne aus. Bentele sagte, Lindner müsse endlich ernsthaft über eine Übergewinnsteuer und eine Vermögensabgabe nachdenken, um Geld für die Entlastung der Schwächsten zu haben. »Außerdem muss sichergestellt sein, dass dieses Mal die Steuersenkung bei den Menschen wirklich ankommt. Es darf nicht wieder so laufen wie beim Tankrabatt.« Lindner lehnt eine Übergewinnsteuer ab.
Die Bundesregierung will für einen befristeten Zeitraum die Mehrwertsteuer auf Erdgas senken. Scholz betonte, er erwarte von den Unternehmen, dass sie die Steuersenkung eins zu eins an die Verbraucher weitergeben.
Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent solle so lange gelten, wie die staatliche Gasumlage erhoben wird, also bis Ende März 2024. Mit der Gasumlage können Importeure ab Oktober wegen des Ukrainekriegs erhöhte Beschaffungskosten an die Verbraucher weitergeben.