Die Partei Die Linke war zuletzt schwer mit sich selbst beschäftigt, inhaltlich wie sexuell. Um ihre Verwagenknechtung weiter voranzutreiben, hat sie nun einen Herbst der Proteste angekündigt. Zumindest der Linkenpolitiker Sören Pellmann, der sogenannte Ostbeauftragte seiner Fraktion im Deutschen Bundestag. »Wir brauchen neue Montagsdemos im Osten«, fordert besagter Pellmann. Wegen der Gasumlage.
Dass die Linke über einen Ostbeauftragten verfügt, fand ich irgendwie drollig. Ich hielt das für eine Tautologie, weil man als Linkenpolitiker doch quasi automatisch Ostbeauftragter ist. Noch verwunderlicher fand ich aber den Aufruf zu Montagsdemos. Gewiss, der Montag ist kein schlechter Tag, um auf die Straße zu gehen. Die Laune ist zu Wochenbeginn ohnehin im Keller, die Bereitschaft, seinen Frust rauszulassen, noch größer als sonst.
In Deutschland aber ist die Bezeichnung »Montagsdemonstration« eindeutig vergeben: an jene mutigen Bürgerinnen und Bürger, die im Herbst 1989 in ostdeutschen Städten auf die Straße gingen, um gegen das Unterdrücker-Regime der DDR zu demonstrieren. Diese Montagsdemonstrationen wurden zum Sinnbild für Zivilcourage und den unbändigen Wunsch nach Freiheit. Sich heute als Demo-Organisator auf jenes Vorbild zu berufen, ist eitel und anmaßend. Besonders schräg ist es für Politiker der Linken. Deren Vorgängern kamen die Demonstrationen im Herbst 89 ja bekanntlich eher ungelegen.
Damit es kein Missverständnis gibt – was mich stört, ist nicht das Ziel der geplanten Proteste. Auch ich halte die Gasumlage für falsch. Man hätte die Versorgerunternehmen aus Steuermitteln retten sollen, als Gemeinschaftsaufgabe. Viele Gaskunden sind Mieter und haben sich nicht selbst ausgesucht, Gaskunden zu sein. Gerade Geringverdiener sollten nicht genötigt werden, Gasversorgern das Überleben zu sichern.
Dreist ist die geschichtsvergessene Vereinnahmung eines historischen Vorbilds. Das hat inzwischen leider Tradition. Unter dem Begriff Montagsdemo wurde nach 1989 schon gegen Hartz IV (PDS, WASG, etc.), gegen Geflüchtete (Pegida) und gegen Coronamaßnahmen (»Querdenker«) protestiert. Und jetzt noch gegen Energiepreise.
Historische Aneignung ist nicht nur bei der Linken, sondern auch bei der neuen Rechten beliebt. Grüße an Jana aus Kassel, die sich allen Ernstes mit Sophie Scholl verglich, weil sie »seit Monaten im Widerstand« gegen die Coronamaßnahmen sei. Oder an jene Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich bei Demonstrationen einen gelben Stern an den Arm pappten, weil sie ihr Schicksal als Ungeimpfte mit dem der vom Nazi-Regime verfolgten und getöteten Juden verglichen. Wer solche Analogien bemüht, hat mindestens einen an der Waffel. Er oder sie diskreditiert das Anliegen schon durch die Form des Protests.
Es ist völlig in Ordnung, diese Leute nicht ernst zu nehmen.