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News des Tages: Oder-Katastophe, Liz Cheney, AKW Saporischschja

1. Oder später

Ist die Brackwasseralge Prymnesium parvum der Übeltäter? Forschende haben sie in der Oder entdeckt, sie könnte das Fischsterben ausgelöst haben. Offenbar konnte sich die Alge durch den erhöhten Salzgehalt im Fluss stark vermehren. (Hier mehr dazu.)

Ob die Alge wirklich Giftstoffe produziert hat, müsse aber noch nachgewiesen werden, sagte ein Gewässerökologe der Nachrichtenagentur dpa. Für den Menschen sei das Toxin der Alge aber ungefährlich. Für den Fachmann besteht ein klarer Zusammenhang zwischen einer Salzeinleitung und der Algenentwicklung. Er persönlich glaube nicht an einen Unfall, sagte er.

Auch die Brandenburger Landesregierung geht davon aus, dass das große Fischsterben in der Oder nicht nur natürliche Ursachen hat. »Das können wir getrost ausschließen, sonst würden sich die hohen pH-Werte und der erhöhte Sauerstoffgehalt und vieles andere mehr nicht erklären«, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke – und erneuerte seine Kritik an den polnischen Behörden. Er sei »tief enttäuscht«, so spät informiert worden zu sein.

Dabei registrierte auch das Brandenburger Umweltamt schon Anfang August, dass sich das Wasser der Oder verändert, wie meine Kollegen Philipp Kollenbroich und Hannes Schrader sowie meine Kollegin Julia Merlot berichten. Doch die Behörde blieb tatenlos – obwohl in Polen massenhaft tote Fische gefunden wurden. »Deutsche Politiker waren schnell mit Schuldzuweisungen in Richtung Polen«, sagt Philipp. »Doch offenbar hat hier weder das Frühwarnsystem noch das Krisenmanagement funktioniert. Wieder einmal scheint Deutschland einer großen Katastrophe nicht gewachsen.«

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2. Der Trump-Kult

»Wir müssen aufstehen und unsere Demokratie verteidigen. Ich werde weiter alles dafür tun zu verhindern, dass Donald Trump jemals wieder in die Nähe des Oval Office kommt.« Wer hat’s gesagt? Nein, nicht die linke US-Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. Nein, auch nicht Joe Biden oder Nancy Pelosi. Das Zitat stammt von Liz Cheney, einst die drittwichtigste Republikanerin im US-Kongress, Tochter des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney, eine eigentlich erzkonservative Politikerin, wie sie früher den Ton angaben bei den Republikanern. (Hier im Video.)

Jetzt bestraft ihre eigene Partei sie. In ihrem Heimatwahlkreis Wyoming hat Cheney die Vorwahlen für den Kongress deutlich verloren. Sie wird bei den anstehenden Wahlen zum US-Repräsentantenhaus im November nicht erneut kandidieren können und verliert ihr Mandat. Eine Trump-treue Kandidatin zieht stattdessen in den Wahlkampf. »Cheneys Sünde aus Trumps Sicht«, berichtet mein Kollege Roland Nelles aus Washington: »Sie hat es gewagt, sich von ihm und seinem Kult loszusagen; sie hat – wie wenige andere in ihrer Partei – Trumps Lüge von der gestohlenen Präsidentenwahl angeprangert. Zudem arbeitet sie in Washington als Co-Vorsitzende des Ausschusses zur Untersuchung des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar maßgeblich daran mit, Trump diverse strafrechtliche Vergehen und Verstöße gegen seinen Amtseid nachzuweisen.« (Hier die ganze Geschichte. )

Wieder zeigt sich: Große Teile der Republikaner haben sich von Trump kapern lassen, haben das Feld seinen Spießgesellen und Claqueuren überlassen – und kopieren seine Methoden. Immer neue Fronten im Kulturkampf eröffnen sie, etwa gegen vermeintlich »woke« Konzerne. Einflussreiche Republikaner agitieren mittlerweile selbst gegen Großbanken wie Goldman Sachs, weil die weniger in Kohle und Öl investieren wollen, wie mein Kollege Alexander Demling aus San Francisco berichtet. So setzte West Virginias republikanischer Finanzminister fünf Finanzfirmen kurzerhand auf eine Sanktionsliste, damit sie keine staatlichen Aufträge mehr erhalten. (Hier mehr dazu. )

Wie bei einem Kult immunisieren viele Republikaner sich gegen die Wirklichkeit. Wichtigster Glaubenssatz: die Lüge von der gestohlenen Wahl 2020. Wer ihn nicht teilt, wer ihm gar öffentlich widerspricht, gilt schnell als Verräter – oder Verräterin. Wie jetzt Liz Cheney. Sie aber will nicht klein beigeben, im Gegenteil: Sie erwägt eine Präsidentschaftskandidatur.

3. Das umkämpfte AKW

Das größte Atomkraftwerk Europas unter Beschuss – solche und ähnliche Meldungen waren in den vergangenen Tagen immer wieder zu lesen und zu hören. Für den Beschuss weisen Russland und die Ukraine sich gegenseitig die Schuld zu. Klar ist: Russische Truppen halten die Anlage in Saporischschja besetzt; in den vergangenen Tagen trafen Geschosse das Umspannwerk, mehrere Transformatoren und Strahlenmessstationen sind zerstört. Die Notstromaggregate eines Blocks sprangen an, heißt es. »Die Sorge vor einem Unglück wächst«, berichtet meine Kollegin Julia Merlot aus unserem Wissenschaftsressort.

Wie so ein Unglück aussehen könnte, wie wahrscheinlich es ist und was es für Folgen hätte, darüber hat Julia mit einem Experten gesprochen. Das am wenigsten beunruhigende Ergebnis ihrer Recherche: Das Worst-Case-Szenario, nämlich Schäden am Reaktordruckbehälter einer laufenden Anlage, ist zugleich das unwahrscheinlichste. Dabei würden »unter Druck große Mengen Radioaktivität in die Atmosphäre getragen und weiträumig verteilt«, schreibt Julia. Die Hülle aus Beton und Stahl, gebaut nach dem Zwiebelprinzip, sollte das aber verhindern.

Die doch eher beunruhigenden Ergebnisse ihrer Recherche: Andere Szenarien sind weniger unwahrscheinlich, etwa ein Stromausfall im AKW, wodurch die Kühlung der Brennstäbe ausfiele und es zur Kernschmelze kommen könnte. »Doch auch für diesen Fall gibt es noch eine Sicherheitsvorrichtung, die eine richtig große Katastrophe hoffentlich verhindern könnte«, sagt Julia.

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Guterres, Selenskyj und Erdoğan sprechen – auch über Frieden? Die Türkei konnte schon in Sachen Getreideverschiffung vermitteln. Bei einem Treffen mit dem Uno-Generalsekretär in Lwiw geht es nun um Handel, das AKW Saporischschja – und womöglich um diplomatische Wege aus dem Krieg.

  • Wissing will notfalls Kohlewaggons Vorzug vor Personenverkehr geben: Um auch bei niedrigen Wasserständen die Versorgung zu sichern, will Verkehrsminister Wissing Kohletransporte per Schiene im Zweifelsfall bevorzugen. Personenzüge müssten dann warten.

  • Warum eine Offensive im Süden riskant ist – aber nicht chancenlos: Explosionen auf der Krim deuten darauf hin, dass die ukrainischen Truppen verstärkt im Süden angreifen. Gegen das übermächtige russische Militär ist ein großes Manöver kaum möglich – wohl aber ein Partisanenkampf .

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

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Podcast Cover


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Was heute sonst noch wichtig ist

  • Verfassungsschutz erwartet mehr russische Propaganda und Spionage: Einen »heißen Herbst« hält der Verfassungsschutz zwar für unwahrscheinlich. Doch die Behörde warnt vor Sabotageakten von Linksextremisten und Einschüchterungsversuchen von Rechten – mit Unterstützung aus Moskau.

  • EU lehnt Mehrwertsteuer-Ausnahme ab – schlägt aber Alternativen vor: Finanzminister Christian Lindner wollte die umstrittene Gasumlage von der Mehrwertsteuer befreien, die EU-Kommission ist dagegen. Nun stellt sie aber andere Entlastungen in Aussicht.

  • Bundestagswahl muss womöglich in 440 Berliner Wahlbezirken wiederholt werden: In Berlin verlief die Bundestagswahl im September 2021 chaotisch. Eine erneute Abstimmung in rund 440 Stimmbezirken der Hauptstadt wird nach einer Beschlussvorlage einer Kommission immer wahrscheinlicher.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Warum der Kanzler schwieg: Ein Besuch mit Folgen: Der Präsident der Palästinenser zieht im Kanzleramt krude Holocaust-Vergleiche, Olaf Scholz verpasst seinen Einsatz – und der Regierungssprecher nimmt’s auf sich. Was war da los? 

  • Der Kanzler und das entlarvende Protokoll: Neue Details belegen: Olaf Scholz verbreitet über ein wichtiges Treffen mit einem Bankier in der Cum-ex-Affäre Widersprüchliches. Und Spitzenbeamte behindern die Aufklärungsarbeit der Ermittler .

  • »Das Risiko eines schweren Covid-Verlaufs wird häufig unterschätzt«: Warum wird das Coronamedikament Paxlovid in Deutschland nicht öfter eingesetzt? Der Düsseldorfer Infektiologe Torsten Feldt erklärt, für wen das Mittel infrage kommt – und warum viele Ärzte unnötig zögern .

  • Das Comeback der Himmelsstürmerin: Vier Jahre ging bei Sprinterin Gina Lückenkemper wenig voran. Nun hechtete sie in München zum EM-Titel – ohne Rücksicht auf Verluste .


Was heute weniger wichtig ist

Am Ende des Talkes: Frank Plasberg, 65, gibt Ende November nach mehr als 20 Jahren die Moderation von »Hart aber fair« ab, wie der Westdeutsche Rundfunk mitteilte. Übernehmen soll demnach der Schauspieler und Journalist Louis Klamroth, 32, der als Kind in »Das Wunder von Bern« mitspielte und im vergangenen Jahr bei ProSieben durch die »Bundestagswahl-Show« führte. Noch-Gastgeber Plasberg lässt sich wie folgt zitieren: »Wenn man so lange mit einer Sendung gereist ist, will man auch, dass sie sich weiterentwickelt.«

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Pressekonferenz miz Abbas«

Cartoon des Tages: Kleine Gesten

Illustration: Thomas Plaßmann


Und heute Abend?


Wolfgang Petersen

Wolfgang Petersen


Foto: Ulrich Perrey / picture alliance / dpa

Könnten Sie einer Empfehlung meines Kollegen Lars-Olav Beier folgen und sich einen der großen Filme von Wolfgang Petersen angucken. Entweder, klare Sache, »Das Boot«: »Der beste U-Boot-Film, der je gedreht wurde, packend, mitreißend, keine Sekunde zu lang.« Oder »In the Line of Fire«: »Ein nahezu perfekter Thriller und einer der besten Filme mit Clint Eastwood in diesem Genre.«

Gestern wurde bekannt, dass der »Blockbuster-Kapitän« Petersen, wie Lars-Olav ihn nennt, am vergangenen Freitag einem Krebsleiden erlag (einen Nachruf finden Sie hier ). Ein Kollege wünschte sich prompt ein »Best-of« mit Zitaten für Führungskräfte, weit vorn: »Alles, was drin ist« und »Das muss das Boot abkönnen.«

Morgen tauche ich hier wieder auf. Ihnen einen schönen Abend,
herzlich
Ihr Oliver Trenkamp

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