Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist bei einer Veranstaltung im brandenburgischen Neuruppin auf lautstarke Gegendemonstranten gestoßen. Scholz zog seinen Auftritt am Mittwochabend auf dem Schulplatz der Stadt durch, obwohl er angesichts des Pfeifkonzerts und der Sprechchöre kaum zu verstehen war. Die Polizei nannte zunächst keine Teilnehmerzahl. Nach Angaben einer Polizeisprecherin gab es eine Anzeige wegen Widerstands, weil eine Person den abgesperrten Bereich nicht verlassen wollte. Personalien seien festgestellt worden. Verstöße gegen das Versammlungsgesetz würden geprüft.
In den vergangenen Tagen war über die Möglichkeit von Massenprotesten im Herbst gegen die Regierungspolitik spekuliert worden. Rechtsextremisten wollen ihre Anhänger für einen deutschen Wutwinter mobilisieren , auch die Linke will Demonstrationen organisieren. In Neuruppin hatte sowohl die Linke als auch die AfD zu Gegendemonstrationen aufgerufen. Von Massen konnte dort aber keine Rede sein – schätzungsweise kamen etwa 300 Protestierende an den Rand des abgesperrten Veranstaltungsgeländes. Die meisten schienen AfD-Anhänger zu sein. Sie riefen »Volksverräter«, »Lügner« und »Hau ab«.
Scholz redete über eine Lautsprecheranlage gegen den Lärm an und bekräftigte die Ankündigung, in den nächsten Tagen ein weiteres Paket zur Entlastung der Bürger gegen Inflation und hohe Energiekosten vorzustellen. Die bisherigen Beschlüsse der Ampel-Koalition brächten den Bürgern 30 Milliarden Euro, und noch nicht alles davon sei angekommen, sagte Scholz. Klar sei aber: »Da muss noch mehr passieren.« Darüber werde die Regierung »in den nächsten Tagen« entscheiden.
Auf die Frage eines Sechstklässlers sagte Scholz zu, dass trotz Gasmangels der Schulbetrieb im Winter einschließlich Aktivitäten in Turnhallen gesichert würden. »Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass wir das hinkriegen.« Die ab Oktober geltende Gasumlage verteidigte der Kanzler.
Scholz sorgt sich um Lage am AKW Saporischschja
Auch das Handeln der Regierung nach dem russischen Angriff auf die Ukraine rechtfertigte Scholz. Er äußerte zudem »ernsthafte Sorge« über die Lage am ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja . Die Bundesregierung werde weiter darauf hinwirken, eine dramatische Situation vor Ort abzuwenden. Es sei »eine ganz, ganz gefährliche Entwicklung, die da stattfinden kann«, sagte Scholz. Das größte Atomkraftwerk Europas ist von russischen Truppen besetzt und wurde in den letzten Tagen mehrfach beschossen. Die Ukraine und Russland machen sich gegenseitig dafür verantwortlich.