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News des Tages: Gasumlage, Coronavirus, Ukraine-Krieg

1. Winter is coming

Gas in Deutschland wird deutlich teuer. Krisenkommunikationsprofi Robert Habeck brachte die schlechte Nachricht aus seinem Regierungsressort nicht selbst unters Volk. Stattdessen teilte am Vormittag die Firma »Trading Hub Europe«, ein Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber, von dem vermutlich nicht nur ich zuvor noch nie gehört hatte, mit: Die Höhe der staatlichen Gasumlage steigt auf 2,419 Cent pro Kilowattstunde.

Die Umlage soll Gasversorgern zugutekommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende, günstigere Gasmengen aus Russland kaufen müssen. Sie gilt ab Anfang Oktober – wird aber wohl nicht unmittelbar auf den Rechnungen sichtbar werden, sondern mit etwas Zeitverzug, so das Wirtschaftsministerium in einer zeitgleich veröffentlichten Pressemitteilung. Bei einem Haushalt mit Einfamilienhaus und einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden betragen die Mehrkosten durch die Gasumlage rund 484 Euro im Jahr.

Ab sofort ist die Regierung gefragt, den Bürgerinnen und Bürgern Mut zu machen, Olaf Scholz’ Versprechen »You´ll never walk alone« mit Inhalten zu füllen. Auf dem Weg ins Büro radel ich seit letzter Woche an einem pinkfarbenen Werbeplakat aus Habecks Wirtschaftsministerium vorbei: »Vielen Dank fürs Energiesparen.« steht darauf geschrieben. »Durch euch ist der Gasverbrauch schon spürbar gesunken!«

Wie wäre es, würde der Wirtschaftsminister sein Volk nicht kollektiv duzen, sondern die Gaspipeline Nord Stream 2 öffnen, um mangelbedingte Gaspreissteigerungen zu bekämpfen? Diesen etwas unkonventionellen Vorschlag macht heute unser Kolumnist Nikolaus Blome. Er findet es »unwürdig und widersprüchlich«, dass die Bundesregierung die eine Gaspipeline geschlossen halte, während sie bei Putin zugleich darum bettelt, dass durch die andere mehr fließen möge.

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Jetzt, wo die Höhe der drohenden Belastungen für die Bevölkerung immer klarer wird, ist die Politik jedenfalls unter Zugzwang, das Ausmaß der versprochenen Entlastungsmaßnahmen zu konkretisieren. »Es ist höchste Zeit, finden auch führende Sozialdemokraten und Grüne. Doch die FDP davon zu überzeugen, dürfte noch dauern«, prognostiziert mein Kollege Christian Teevs aus unserem Hauptstadtbüro. »Vermutlich werden die Ampelparteien einen Kompromiss finden, aber allein, dass dieser so lange auf sich warten lässt, schadet dem Ansehen der Koalition.«

2. Possenminister Lauterbach

China zieht seine Null-Covid-Strategie mit großer Härte durch. Was das auslösen kann, zeigten Szenen aus Shanghai: Mitarbeiter des staatlichen Gesundheitsdienstes haben unter den Kunden eines Ikea-Marktes im beliebten Viertel Xuhui einen kollektiven Fluchtreflex ausgelöst, weil sie die Anwesenden unter Quarantäne stellen wollten. Wie das »Handelsblatt« berichtet, hatte sich einer der Kunden offenbar längere Zeit in der Nähe eines Coronainfizierten aufgehalten.

Der Spontan-Lockdown führte jedoch nicht dazu, dass sich die Anwesenden fügten. Im Gegenteil – jeder versuchte noch, in letzter Sekunde den Ausgang zu erreichen, bevor sich die Türen schlossen. Videos in sozialen Medien zeigen, wie Menschen übereinander stürzten. Im Frühjahr hatte die Regierung die Bewohner der 25-Millionen-Metropole zwei Monate lang gleichermaßen unter Hausarrest gestellt, um die Verbreitung des Virus zu bremsen.

In Deutschland scheinen außer der Maskenpflicht in Bus, Bahn und Flugzeug derzeit überhaupt keine Schutzmaßnahmen zu gelten. Und an die wenigen anderen, die es auf Papier noch gibt – fühlt sich daran wenigstens der Gesundheitsminister Karl Lauterbach gebunden? Vor Kurzem war er an Corona erkrankt. Da er in Berlin wohnt, galt für ihn die dortige Quarantäneverordnung, in der steht: »Wenn Sie die Isolation bereits vor Ablauf von 10 Tagen beenden möchten, müssen Sie für mindestens 48 Stunden ohne Krankheitszeichen geblieben sein.«

Lauterbach antwortete vergangenen Dienstag in einem ARD-Interview auf die Frage, ob er wieder negativ sei: »Ganz fit bin ich noch nicht.« Bereits am nächsten Tag beendete Lauterbach dann aber die Isolation und besuchte das Kabinett. Ein ehemaliger Berliner Abgeordneter der Freien Wähler hat gegen Lauterbach Anzeige erstattet und damit die Frage aufgeworfen, ob Lauterbach mit dem Verlassen der Isolation korrekt gehandelt habe .

»Es wird vollkommen zu Recht gefragt, ob ich gegen Isolationsregeln verstoßen habe. Denn wer das tut, gefährdet seine Mitmenschen«, sagte Lauterbach nun dem SPIEGEL. Er habe aber eben keine Symptome mehr gehabt, keine Hals- oder Kopfschmerzen. Nur sei er eben einfach noch nicht fit gewesen und habe den Aufzug in sein Büro im sechsten Stock genommen, statt zu Fuß zu gehen. Sport mache er vorerst nicht.

Meine Kollegin Milena Hassenkamp glaubt nicht, dass die Angelegenheit für den Minister ein juristisches Nachspiel haben wird. »Symptomfreiheit« sei kein geschützter Begriff, der vorschreibt, dass man nicht kurzatmig sein dürfe. »Wer beweisen wollte, dass Lauterbach über seine Symptome unehrlich war, hätte schon bei der Kabinettssitzung ein Thermometer zücken müssen – und nachweisen, dass Lauterbach noch Fieber hat.«

3. Gegen den GAU

Atomkraftwerke sind für mich Orte des Grauens. Die Dampfsäule des Kernkraftwerks Neckarwestheim, das man vom Balkon meiner Schwiegereltern im schwäbischen Lauffen sehen kann, nahm ich immer schon als bedrohlich wahr. Vielleicht, weil ich als Kind der Achtziger- und Neunzigerjahre mit den Simpsons und damit mit dem geizigen und grausamen Atomkraftwerksbesitzer Montgomery Burns aufgewachsen bin. Oder weil sich mir die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl 1986 tief in die kindliche Angst-DNA eingebrannt hat.

Derzeit ist eines der größten Atomkraftwerke der Welt Kriegsschauplatz und ich verschlinge besorgt jede neue Nachricht zu den Vorgängen dort. Heute waren sie ausnahmsweise mal gut: Kremlchef Wladimir Putin will nun angeblich ein Team internationaler Experten dorthin vorlassen.

Man werde alles Notwendige tun, damit Spezialisten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) vor Ort sein und eine korrekte Bewertung abgeben können, teilte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, mit. Dabei spielte sie auf die »zerstörerischen Handlungen der ukrainischen Seite« an, die jedoch nicht unabhängig geprüft werden können. Russland macht seit Tagen die ukrainische Seite für die Angriffe auf das AKW in der Stadt Enerhodar verantwortlich – die wiederum beschuldigt die Russen. Zuletzt schlugen die russischen Besatzer eine Feuerpause in dem Gebiet vor.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

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Was heute sonst noch wichtig ist

  • Myanmars Ex-Regierungschefin Aung San Suu Kyi erneut verurteilt: Die von der Militärjunta kontrollierte Justiz in Myanmar hat weitere Urteile gegen Aung San Suu Kyi verhängt. Einmal mehr fand der Prozess gegen die 77-Jährige unter unfairen Bedingungen statt.

  • HSV lehnt 120-Millionen-Euro-Angebot von Investor Kühne ab: Klaus-Michael Kühne wollte deutlich mehr Mitspracherecht beim Hamburger SV – und ist mit seinem Vorhaben gescheitert. Der Klub weist Kühnes Forderungen zurück, lässt sich aber ein Hintertürchen offen.

  • »Der Pferdeflüsterer«-Autor Nicholas Evans ist tot: Sein Debüt war ein Welterfolg: Als unbekannter Journalist schrieb Nicholas Evans den »Pferdeflüsterer«. Der Roman wurde mit Robert Redford verfilmt. Nun ist der Autor 72-jährig gestorben.

  • RBB-Redaktionsausschuss fordert Offenlegung aller Boni und Verträge: Der Rundfunkrat berät über die Abberufung der zurückgetretenen Senderchefin Patricia Schlesinger. Das Gremium müsse sich fragen, warum offenbar alle Kontrollmechanismen versagt hätten, betont die RBB-Redaktion.

Meine Lieblingsgeschichte heute: Gegen das Vergessen

Zum heutigen Jahrestag der Taliban-Machtübernahme in Afghanistan nach dem Abzug der westlichen Truppen haben meine Kolleginnen Susanne Koelbl, Britta Sandberg und Lina Verschwele berührende Geschichten von Frauen gesammelt, die an der schwierigen Lage ihres Heimatlandes fast zu zerbrechen drohen .

»Die Taliban stellen sich ein politisches System ohne Frauen vor, allein unsere Präsenz ist für sie ein Problem, unsere bloße Existenz«, sagt die 23-jährige afghanische Journalistin und Frauenrechtsaktivistin Majabien Safvan . Sie erlebe den neuen Alltag in Afghanistan wie eine lebendig Begrabene, hat das Gefühl, dass die ganze Menschheit sie und die anderen Mädchen und Frauen in dem Land vergessen hat. »Früher ging ich morgens ins Büro, ich verdiente Geld, ich hatte etwas zu sagen. Ich war kreativ. Ich machte täglich eine Stunde Sport. Ich traf mich mit Freunden im Restaurant und wir konnten lachen. Jetzt bin ich nur zu Hause.«

Anders als Safvan, die Selbstmordgedanken quälen, lässt sich die Studentin Maryam Ahmadi, 22, nicht einschüchtern von der Brutalität der Islamisten. Sie kämpft mit »übersprudelndem Mut«, wie Susanne Koelbl schreibt, mit eigenen Mitteln gegen die Taliban – trotz tödlichen Risikos .

Und dann gibt es noch die aus Afghanistan Geflohenen. Die Fotografin Roya Heydari hat inzwischen eine Aufenthaltsgenehmigung für zehn Jahre in Frankreich und lebt in Paris. Den Eiffelturm hat sie bis heute nicht besucht, das Leben in Freiheit fühlt sich für sie sehr brüchig an .

Einzig die frühere afghanische Abgeordnete Halima Sadaf Karimi wirkt optimistisch. Neun Monate wartete sie in einem albanischen Strandhotel auf eine Aufenthaltsgenehmigung – nun soll in Kanada ihr neues Leben beginnen .

Wir Deutschen könnten, so mein Eindruck, noch viel mehr tun, um geflüchteten oder im Land festsitzenden Afghaninnen zu helfen. Das Mindeste ist, weiterhin hinzugucken und nicht abzustumpfen ob der schlimmen Berichte, die einen aus der frauenverachtenden Herrschaft der Taliban erreichen.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen


Was heute weniger wichtig ist

»Bunte«-Meldung: Schauspielerin Maria Furtwängler, 55, und Verleger Hubert Burda, 82, haben sich getrennt. Offenbar lief es schon länger nicht mehr rund. Erstaunlich – neben dem Altersunterschied des Paares – erscheint mir, dass die Ehe über 30 Jahre gehalten hat. Im Showbusiness, dem die Tatort-Kommissarin und der Verleger (»Bunte«, »Focus«, »Superillu«) angehören, ist das eine sehr lange Zeit. In einer Erklärung im Namen der Eheleute, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, heißt es, man bleibe »freundschaftlich und familiär verbunden«.

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »1 Knoblauchlauchzehe«

Cartoon des Tages: Fischsterben in der Oder


Illustration: Klaus Stuttmann

Und heute Abend?

Lesen Sie Salman Rushdie. Zum Beispiel seine kämpferische Rede »Künstler sind verwundbar«, die er beim World Voices Festival 2012 gehalten hat und die wir heute in deutscher Übersetzung veröffentlicht haben.

Wie wahr dieser Satz ist, zeigt die Messerattacke auf den 75-jährigen Rushdie von vergangener Woche. Dem britisch-indischen Autor geht es nach Angaben aus seinem Umfeld besser. »Trotz seiner schwerwiegenden und lebensverändernden Verletzungen ist sein üblicher kämpferischer und aufsässiger Sinn für Humor intakt«, schrieb sein Sohn Zafar Rushdie gestern bei Twitter .

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich
Ihre Anna Clauß

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