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News des Tages: Olaf Scholz, Trockenheit, Rechtschreibfehler

1. Bundeskanzler Olaf Scholz präsentierte sich heute bei einem mit Spannung erwarteten Auftritt – und scheiterte beim Versuch, blendende Laune zu demonstrieren

Ein Politiker, der vor der versammelten Hauptstadtpresse zugibt, dass er keine Ahnung hat – das finde ich grundsätzlich sympathisch. »Keine Ahnung, ich nehme an, das wissen Sie eher als ich«, hat Olaf Scholz heute bei seiner sommerlichen Pressekonferenz auf die Frage geantwortet, woher seiner Meinung nach die 200.000 Euro im Schließfach des ehemaligen SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs stammen.

Später sagte Scholz: »Ich bin so neugierig wie Sie und wüsste natürlich gerne, wo es herkommt.«

Der Auftritt von Scholz in Berlin war vor allem wegen der Affäre um die Hamburger Warburg-Bank mit Spannung erwartet worden. Der derzeitige Kanzler steht schon seit Längerem wegen des Skandals um die Cum-ex-Geschäfte der Bank unter Druck, als Erster Bürgermeister Hamburgs empfing er 2016 Miteigentümer von Warburg, die eine Steuernachforderung in Millionenhöhe verhindern wollten. Kurz darauf verzichtete Hamburg zunächst auf die Zahlung, die Forderung galt erst mal als verjährt. Im Zusammenhang mit einem Gerichtsurteil kam es schließlich doch zur Zahlung. Gegen den Ex-Abgeordneten Kahrs wird ermittelt.

Über die Versuche, den Fall durch einen Untersuchungsausschuss in Hamburg zu klären, sagte der Kanzler heute: »Zweieinhalb Jahre, unglaublich viele Anhörungen, unglaublich viele Akten, haben nur ein Ergebnis gebracht: Es gibt keine Erkenntnisse darüber, dass es eine politische Beeinflussung gegeben hat.« Wichtiger als seine Aussagen zur Hamburger Affäre war vermutlich die blendende Laune, die der Bundeskanzler heute demonstrierte – er möchte offensichtlich zeigen, dass er weiteren Enthüllungen oder Ermittlungen gelassen entgegensieht.

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Vor der Hauptstadtpresse hat sich Olaf Scholz auch über die Energiekrise in Deutschland geäußert. Er rechne damit, dass die Gasspeicher weiter gefüllt werden können. Sie seien schon jetzt wesentlich voller als im vergangenen Jahr. Außerdem werde in der Energiekrise geprüft, die drei noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke länger laufen zu lassen. Hierzu werde es »bald« einen Beschluss geben. Das geplante Steuerentlastungspaket von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sei richtig, sagte Scholz. »Ich finde das sehr hilfreich.«

Insgesamt: Ein Auftritt in Sommerlaune. Aber nur beinahe. »Wir haben heute zwei Seiten von Scholz erlebt«, sagt mein Kollege Kevin Hagen aus dem SPIEGEL-Hauptstadtbüro. »Einerseits bemühte er sich um Kontrolle, ergriff Partei für die FDP im Streit mit seinen eigenen Genossen, gab sich aber auch als fürsorgender Sozialdemokrat mit Blick auf weitere Entlastungen. Andererseits wirkte er dann doch erstaunlich angefasst, als es um die Cum-ex-Affäre ging. Einem Journalisten drohte er sogar mehr oder weniger direkt mit Klage. Bemerkenswert!«

2. Wegen der Hitzewelle ist die Binnenschiffahrt zunehmend eingeschränkt – für die Wirtschaft ein Grund zur Sorge

Die Sommerhitze in Deutschland ist vielleicht immer noch für einige Menschen Anlass zur Freude, zum Beispiel für diejenigen, die sich heute in Schwimmbädern aufhalten durften. Für die meisten Leute sind die hohen Temperaturen und ausbleibenden Regenfälle beunruhigend – besonders für die, die auf der Straße leben. Heute hat der Paritätische Wohlfahrtsverband darauf hingewiesen, dass Hitzewellen wie die gegenwärtige für viele Obdachlose lebensgefährlich sein können. Der Sozialverband fordert von den Kommunen deshalb mehr »Hilfsangebote, vergleichbar mit denen der Kältehilfe im Winter«.

Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe spricht sich für eine organisierte Hitzehilfe für Obdachlose nach dem Vorbild der Kältehilfe aus. Obdachlose bräuchten Unterkünfte, die zum Aufenthalt in heißen Stunden geeignet seien und die den wohnungslosen Menschen den ganzen Tag zur Verfügung stünden. Auch Parks, Bahnhöfe und öffentliche Gebäude könnten den Wohnungslosen Schatten und Abkühlung bieten.

Für die Wirtschaft sind die sinkenden Pegel vieler Flüsse Grund zur Sorge, weil die Binnenschifffahrt schon jetzt nur noch stark eingeschränkt funktioniert. Auf dem Rhein haben die Schiffe, die Kohle befördern, oft nur noch 40 Zentimeter Wasser unterm Kiel – trotz weniger als halber Ladung, wie heute dieses SPIEGEL-Video zeigt.

Wegen des niedrigen Wasserstandes stockt auf Deutschlands wichtigster Wasserstraße, dem Rhein, der Güterverkehr. Schon jetzt machen hohe Energiepreise und fehlende Waren der deutschen Wirtschaft schwer zu schaffen – nun könnte das Niedrigwasser die Situation noch verschärfen. Schon vorgestern warnte der Deutschland-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Stefan Schneider: »Falls die Wasserstände weiter sinken, könnte das Wachstum auch knapp unter ein Prozent sinken.«

3. Viele Deutsche spotten an diesem Sommertag über den Rechtschreibfehler auf dem Plakat einer Grünenpolitikerin – passieren Ihnen solche Fehler nie?

Es fehlt ein Buchstabe auf dem Plakat der Spitzenkandidatin der Grünen in Niedersachsen. Dafür gab es heute viel Häme: »Wenn die Spitzenkandidatin nicht mal das Land buchstabieren kann, sollte sie es nicht regieren«, schrieb der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, auf Twitter, weil »Niedersachen« statt »Niedersachsen« auf dem Plakat der Politikerin Julia Willie Hamburg zu lesen ist.

Die Grünenpolitikerin muss nun allerhand Spott politischer Konkurrenten und anderer Leute verkraften. Sie selbst hatte wohl auf Instagram ein inzwischen gelöschtes Foto veröffentlicht, das sie vor dem Plakat zeigt – und den Fehler offenbar nicht bemerkt.

Zur Behebung des Missgeschicks sollen jetzt Korrekturaufkleber auf den Plakaten angebracht werden, bis neu bestellte und korrigierte Poster eintreffen. Es geht offenbar um insgesamt 600 Drucke.

Als schreibender Mensch, dem in seinem Journalistenleben schon viele Buchstabendreher und Rechtschreibfehler unterlaufen sind, habe ich ein bisschen Mitleid mit der Grünenfrau Hamburg, über die sich nun viele Deutsche amüsieren. Ein Geschäftsführer des Stadtverbandes der Grünen in Hannover sagte heute: »Das müssen wir jetzt einfach mit Humor nehmen.«

Wir präsentieren in der »Lage am Abend« selbst jeden Tag den »Tippfehler des Tages«. Manchmal finde ich es ein bisschen unheimlich, wie ungnädig sich viele Deutsche aufregen, wenn Kommata fehlerhaft gesetzt oder Buchstaben vertauscht oder weggelassen werden. Ich halte die Empörung oft für Korinthenkackerei. Bin ich da zu wurstig? Ich habe Lutz Diedrichs, einen erfahrenen Kollegen aus der SPIEGEL-Schlussredaktion, gefragt, ob die Deutschen Rechtschreibfehler grundsätzlich zu wichtig nehmen.

»Auch als ziemlich langgedienter Schlussredakteur ärgere ich mich immer noch über gedruckte Fehler«, sagt der Kollege. »Die Resonanz der Leserinnen und Leser zeigt, dass Fehler nach wie vor gesehen und moniert werden. Insofern fühle ich mich bestätigt.« Ein schon lange im Ruhestand befindlicher Kollege sei einst gefragt worden, ob er seinen Erbsenzähler-Job befriedigend fände. Sinngemäß antwortete er: »Ich halte den Job für einen kulturellen Auftrag.«

Die SPIEGEL-Schlussredakteurin Ursula Junger hat meine Nachfrage beim Kollegen Diedrichs übrigens noch dazu genutzt, mich an einen Satz von Immanuel Kant zu erinnern. Er lautet: »Alle Sprache ist Bezeichnung der Gedanken.« Sie stelle immer wieder fest, sagt die Kollegin, »wie recht Kant hat«.

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Podcast Cover


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Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • EU-Embargo auf russische Kohle ist in Kraft getreten: Auf russisches Gas hofft Europa trotz des Ukrainekriegs noch. Bei Kohle gilt dagegen nun ein Verbot, den Rohstoff aus Russland zu kaufen. 120 Tage Übergangsfrist sind rum.

  • Ukraine warnt Russen vor »unangenehm heißem Sommerurlaub« auf der Krim: Noch immer ist unklar, wie es zu den Explosionen auf einem russischen Militärstützpunkt auf der Krim kam. Kiew hat nun eine vergiftete Botschaft an Russland geschickt.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Generalstaatsanwaltschaft übernimmt Schlesinger-Ermittlungen: Im Fall der früheren RBB-Intendantin Patricia Schlesinger geht es Schlag auf Schlag. Nun zieht die Generalstaatsanwaltschaft Berlin den Fall an sich. Auch der Rundfunkrat zieht seine Sitzung laut Sender vor.

  • Wirtschaftsforscher fürchten Rezession – und den Verlust Hunderttausender Jobs: Das Institut der deutschen Wirtschaft zeigt sich wegen der steigenden Gaspreise alarmiert. Demnach drohen massive Folgen für Arbeitsplätze und Inflation – Preisschocks durch Produktionsausfälle noch gar nicht berücksichtigt.

  • Die fünf deutschen Gletscher schrumpfen im Rekordtempo: Das Eis in Deutschland geht zurück, immer schneller: Die Schmelze auf der Zugspitze ist besonders weit fortgeschritten. Einer der Gletscher könnte noch in diesem Jahr verloren gehen – was Wüstenstaub damit zu tun hat.

Meine Lieblingsgeschichte heute: Frieren für den Frieden?

Humor ist in einer oft von sehr ernsten Themen berichtenden Redaktion wie der des SPIEGEL ein besonders schwieriges Geschäft. Mein Kollege Alexander Osang schafft es mit seinen Kolumnen eigentlich immer, mich zum Lächeln oder zum Lachen zu bringen.

Robert Habeck


Foto:

Soeren Stache / dpa


In seinem neuen Text geht es unter anderem um gemütliche Behausungen, Brennholzvorräte und die drohende Energiekrise. »Es ist eine verwirrende Zeit«, schreibt Alexander. »Der Wirtschaftsminister regelt unsere Wohntemperatur und die Weihnachtsferien. Ich verbrenne Wald für den Frieden. Lange dachte ich, dass ich Südbrandenburg mit Feinstaub belaste, jetzt ist mein kleiner Ofen wieder eine Alternative.«

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Ex-Finanzsenator belastet Bürgermeister Tschentscher: Die Aussage erhöht im Cum-ex-Skandal den Druck auf Peter Tschentscher und Bundeskanzler Olaf Scholz: Der frühere Hamburger Finanzsenator Wolfgang Peiner hat dem Bürgermeister der Hansestadt Fehlverhalten vorgeworfen .

  • »Einer der größten Fehler in der Geschichte der Notenbanken«: Der Starökonom Mohamed El-Erian wirft der US-Notenbank vor, die Preisentwicklung verschlafen zu haben. Hier verrät er, welche Geldanlagen sich jetzt noch lohnen – und warum sein Bitcoin-Investment misslang .

  • Böses Blut: Igitt, ein roter Fleck! Nach wie vor wollen viele weder sehen noch erwähnen, dass Frauen einmal im Monat menstruieren. Woher die jahrtausendealte »Periodenscham« kommt – und was dagegen hilft .


Was heute weniger wichtig ist

  • Fernsehfrau mit Heimweh: Mareile Höppner, 45, wechselt aus dem öffentlich-rechtlichen ARD-Programm zum Privatsender RTL. Seit 2008 moderierte Höppner die auf Klatsch- und Boulevardthemen spezialisierte Magazinsendung »Brisant«. Die Journalistin wird beim Kölner Sender zukünftig das Magazin »Extra« präsentieren. Höppner sagte: »Ich freue mich auf das ›Nachhausekommen‹.« Bei RTL hatte sie einst ihren ersten Job. »Menschen und ihre Geschichten – das war immer mein Antrieb und meine Leidenschaft.«

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Industrie, Handwerker und Verbaucher klagen seit der Coronakrise, dass dringend benötigte Rohstoffe und Vorprodukte fehlen oder verzögert geliefert werden: Chips für Auto-Bordcomputer fehlten genauso wie Fahrräder, Dämmstoffe für Baustellen oder Holz für Möbel.«

Cartoon des Tages: Servus



Illustration: Thomas Plassmann


Und heute Abend?

Könnten Sie den Roman »Treue« des gefeierten US-Autors Hernan Diaz lesen, den mein Kollege Xaver von Cranach als »spannend wie ein Krimi« empfiehlt, »obwohl niemand umgebracht wird.« Der Roman spielt mit dem Mythos der New Yorker Wall Street, die Filmrechte hat sich bereits der Sender HBO gesichert, Kate Winslet wird eine Hauptrolle übernehmen. Und worum dreht sich die Handlung des Romans? Um einen jungen Mann, der virtuos und mit viel Glück an der Börse investiert – bis am berühmten 24. Oktober 1929 der große Crash kommt. Der junge Mann investiert einfach weiter und macht in der Krise noch mehr Geld. »Es geht um Geld in diesem Buch. Aber nur vordergründig«, schreibt Xaver. Tatsächlich werde das Schicksal der Ehefrau des Investors zum Kern der Erzählung. Die Aufklärung über das Leben dieser Frau, schreibt Xaver, »kann man nur einen Geniestreich nennen.«

Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Wolfgang Höbel

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