Finanzminister Christian Lindner war zuletzt für viele Sozialdemokraten so etwas wie der innerkoalitionäre Hauptgegner: Eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket, eine Übergewinnsteuer, eine Abkehr von der Schuldenbremse, höhere Regelsätze beim neuen Bürgergeld – etliche SPD-Wünsche bügelte der FDP-Chef mitunter geradezu unwirsch ab.
Dass Lindner stattdessen die Bürger über Steuersenkungen entlasten will, stößt wiederum bei Sozialdemokraten auf Unmut. Insbesondere Parteilinke halten die Pläne, von denen seit Tagen die Rede ist und die der Minister an diesem Mittwoch offiziell vorstellte, für ungerecht.
Tenor: Sie entlasten stärker wohlhabendere Menschen als jene, die es am allernötigsten hätten. Kurz nach Lindners Präsentation urteilt SPD-Fraktionsvize Achim Post, die vorgeschlagenen Maßnahmen würden »hohe Einkommen besonders stark entlasten und sind damit noch nicht ganz ausgewogen«.
Andere, geradezu versöhnliche Töne schlägt nun hingegen SPD-Parteichef Lars Klingbeil an. Gegenüber dem SPIEGEL zeigt sich Klingbeil demonstrativ offen für Lindners Vorschläge. »Es ist richtig, dass sich Finanzminister Lindner mit seinen Vorschlägen konstruktiv an der Debatte um Entlastungen beteiligt«, sagte Klingbeil. »Zusätzlich zu den 30 Milliarden Euro, die in den ersten beiden Entlastungspaketen auf den Weg gebracht wurden, braucht es weitere, gezielte Entlastungen, wenn ab Oktober die Gasumlage auf die erhöhten Energiepreisen noch mal obendrauf kommt. Dazu können auch steuerliche Entlastungen gehören.«
Klingbeil betont zwar ebenfalls, in den Fokus gehörten dabei »nicht die Spitzenverdiener unseres Landes«, sondern die »hart arbeitende Mitte mit kleinen und mittleren Einkommen«, aus der viele die Preissteigerungen nicht mehr einfach auffangen könnten. Lindners Vorschläge seien jedoch »ein Beitrag für ein Gesamtpaket, das jetzt zügig auf den Weg gebracht werden sollte«.
Damit setzt sich Klingbeil kommunikativ auch von seiner Co-Vorsitzenden Saskia Esken ab. Diese hatte Lindner etwa noch Mitte Juli vorgehalten, er krache »ab und zu mit der Realität des Koalitionsvertrags zusammen«.