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News des Tages: Biomüll gegen Putin, Belarus, Menschliche Unvernunft

1. Mit der Biotonne gegen Putin?

Zu Beginn ein Geständnis: Vorgestern habe ich eine Banenschale achtlos in den Restmüll geschmissen, statt den Deckel der stinkenden braunen Tonne zu öffnen, um den Bioabfall darin korrekt zu entsorgen. Ab sofort gelobe ich Besserung. Denn ich habe den Artikel meines Kollegen Nils Klawitter  gelesen, in dem geschrieben steht: »Glaubt man dem Fachverband Biogas, so könnten Bioabfälle, Gülle und nachwachsende Rohstoffe zum entscheidenden Mittel gegen Russlands Gas-Entzug werden.« Bis 2030, errechnete der Verband, könnten 40 Prozent des russischen Gases durch heimische Fermenter ersetzt werden.

Derzeit decke Biomethan nur ein Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs. Wie die Rechnung des Fachverbands Biogas aufgehen soll, ist Nils Klawitter aus dem SPIEGEL-Wirtschaftsressort folglich leicht »schleierhaft«. Anders als in Dänemark, wo früh auf größere Anlagen gesetzt wurde und der Biogasanteil im Erdgasnetz bereits bei knapp 25 Prozent liegt, habe »die üppige Förderung in Deutschland einen Wildwuchs vieler kleinerer Anlagen erzeugt, die eben nicht am Gasnetz hängen«.

Nachvollziehbarer ist die Berechnung des Verbands der Entsorgungswirtschaft, laut der Deutschlands Abfallbranche ihre Gasproduktion verdoppeln könne. Nämlich dann, wenn die Deutschen mehr Biomüll sammeln und die Kommunen mehr Sammelmöglichkeiten bereitstellen würden.

Gut vier Millionen Tonnen häuslicher Biomüll landen pro Jahr in den nicht ausgelasteten Biogasanlagen. Doch es könnten viel mehr sein, wenn denn flächendeckend die Biotonne vorhanden wäre. »Seit 2015 ist das gesetzliche Pflicht, doch viele Kommunen machen das noch immer nicht«, klagt Peter Kurth, Präsident des Entsorgungswirtschaftsverbands BDE.

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Mein Bio-Beitrag gegen Putins Gas-Erpressung scheiterte bislang nicht an der Existenz einer brauen Tonne, sondern an ihrem Gestank. Zum Glück gibt es in unserem Haushalt genug FFP2-Masken. Am Wochenende ziehe ich zwei übereinander und putze das braune Ding!

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • »Ein diktierter Frieden ist kein wirklicher Frieden«: Heidi Tagliavini hat jahrzehntelang in Konflikten mit Russland vermittelt, unter anderem in Georgien. Hier erklärt sie, warum sie Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine derzeit für aussichtslos hält .

  • Russische Öllieferungen durch die Ukraine eingestellt: Bereits seit vergangenem Donnerstag fließt laut der russischen Staatsfirma Transneft kein Erdöl mehr durch die Ukraine nach Europa. Betroffen sind Ungarn, die Slowakei und Tschechien – aber nicht Deutschland.

  • Russische Oligarchen verschweigen weiter ihre Vermögenswerte in Deutschland: Wer hierzulande sanktioniert wird, muss sein Vermögen offenlegen. Diese Regel gilt seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine auch für russische Oligarchen. Allein: Keiner dieser Männer hat das bislang getan.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

2. Belarus zwischen Hoffnung und Entsetzen

»Heute ist ein guter Tag, um darüber nachzudenken, was Demokratie für uns alle bedeutet.« Diesen Satz schreibt die Belarussin Swetlana Tichanowskaja in einem Gastbeitrag für den SPIEGEL.

Am zweiten Jahrestag der belarussischen Revolution skizziert die Anführerin der belarussischen Demokratiebewegung darin, wie eine neue europäische Ostpolitik aussehen sollte. Deutsche Politiker hätten sich geirrt, als sie dachten, »die Zusammenarbeit mit autoritären Regimen würde den Ländern zu mehr Wohlstand verhelfen und einen politischen Wandel bewirken«, schreibt Tichanowskaja. Es sei an der Zeit, »eine neue europaweite Ostpolitik zu verfolgen, die sowohl die Ukraine als auch Belarus einschließt und unsere Kämpfe als zutiefst europäisch anerkennt. Sie sollte von Prinzipien geleitet sein, weniger von reiner Realpolitik«. Heute, da sich in Europa ein neuer Eiserner Vorhang senke, sollte Belarus auf der richtigen Seite stehen.

Tichanowskaja beschreibt, wie der 9. August 2020 zum Startschuss für eine Revolution gegen Diktator Alexander Lukaschenko führte. »Doch zwei Jahre später leben wir weiterhin in einem Zustand zwischen Hoffnung und Entsetzen.« Man habe mit der gleichen Angst zu kämpfen wie die Deutschen, die sich vor der Stasi versteckten. »Wir streiten über unsere Zukunft genauso wie die Portugiesen während der Nelkenrevolution.« Die Ukrainer bezahlten für ihre europäische Geschichte mit ihrem Leben, die Belarussen mit ihrer Freiheit, und nur die Europäer hätten »die Möglichkeit, zu entscheiden, wie viel das wert ist«.

3. Rettung in der Not

Ist es Aufgabe des Staates, die Bürger vor ihrer eigenen Unvernunft zu schützen? Ihnen zum Beispiel das Tragen einer Coronaschutzmaske gesetzlich vorzuschreiben, weil es offenbar nicht genug Vernünftige gibt, die in Räumen mit vielen Menschen selbst auf die Idee kommen, sich zu schützen?

Heute beraten die Landesgesundheitsminister gemeinsam über das neue Infektionsschutzgesetz, das der derzeit an Corona erkrankte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) letzte Woche gemeinsam vorstellt haben. Klärungsbedarf gibt es unter anderem bei der Maskenpflicht, die die Länder ab Herbst zum Beispiel in Restaurants oder bei Veranstaltungen erlassen könnten, sollte das Virus beginnen, sich unkontrolliert auszubreiten.

Unstrittig ist, dass Politiker die Aufgabe haben, Menschen vor ihrer Neigung zur Unvernunft zu warnen. In Bayern, meinem Heimatbundesland, haben heute zum Beispiel Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU) Touristen und Bergsteiger vor Selbstüberschätzung gewarnt. In Bayern seien im vergangenen Halbjahr deutlich mehr Alpinisten bei ihrem Hobby gestorben als im Vorjahreszeitraum. Demnach kamen in dem Zeitraum im südlichen Oberbayern 30 Menschen zu Tode. Im Vorjahr waren es noch 19 gewesen. »2021 starben im Landkreis Berchtesgadener Land mehr Menschen in den Bergen als im Straßenverkehr«, sagte Justizminister Eisenreich.

Die Zahl der Coronatoten ist vermutlich noch höher. Seit Anfang Januar gab es im Landkreis Berchtesgadener Land 33 Coronatote zu beklagen (aktuelle Daten zum Coronavirus finden Sie hier). Ich trage meine FFP2-Maske jedenfalls nicht nur beim Mülltonnenputzen freiwillig.

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Was heute sonst noch wichtig ist

  • 16 chinesische Kampfjets überqueren die Medianlinie: Chinas Manöver vor Taiwan ist eine einzige Provokations-Eskalation. Jetzt meldet das Verteidigungsministerium, dass Kampfjets in seine Luftverteidigungszone eingedrungen seien.

  • RBB stellt weitere Managerin frei: In der Affäre rund um mutmaßliche Vetternwirtschaft und ausufernde Spesen hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg nach SPIEGEL-Informationen eine weitere Führungskraft freigestellt: Verena Formen-Mohr, Leiterin der Hauptabteilung Intendanz.

  • Krankenkassen müssen Video-Identifizierung abschalten: Krankenkassenmitglieder können sich nicht mehr über die Smartphone-Kamera ausweisen, um auf Onlinedienste zuzugreifen. Grund ist offenbar eine neue Sicherheitslücke.

  • Schauspielerin Anne Heche liegt laut Sprecherin im Koma: Mit ihrem Wagen fuhr Anne Heche in ein Wohnhaus, das ging daraufhin in Flammen auf. Eine Sprecherin sagte nun, die Verletzungen der Schauspielerin seien gravierender als zunächst bekannt.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Ein schwarzer Tag für Donald Trump: Fahnder des FBI haben offenbar die Residenz des früheren US-Präsidenten in Florida durchsucht. Sie sollen dabei seinen Safe aufgebrochen haben. Was steckt wirklich hinter der spektakulären Aktion? 

  • Unternehmen wollen die Kraft der Sonne auf der Erde entfesseln: »Ehrgeizig, aber machbar«: Mehr als 30 Firmen weltweit versprechen, Kernfusionsreaktoren zu entwickeln. Sie würden damit vollbringen, woran die staatlich finanzierte Großforschung seit Jahrzehnten scheitert .

  • Die Kreuzfahrt boomt, als kennte die Welt keine Krisen: Die Pandemie legte die Kreuzfahrtbranche lahm, jetzt geht es mit Volldampf wieder los: mit neuen Luxuslinern und modernisierter Technik. Doch die Gefahr einer Infektion bleibt. Kommt so Urlaubsstimmung auf? 

  • Wie Spitzensport auch mit Diabetes möglich ist: Alexander Zverev ist Olympiasieger – und das mit einer Diabeteserkrankung. Christian Brinkmann von der Sporthochschule Köln wundert das nicht. Hier gibt der Experte Ratschläge, auf was Sportler achten sollten .

  • Einmal Meeresrauschen zum Frühstück, bitte: Croissant mit Strandblick gefällig? Unser Autor nimmt Sie mit an einige der schönsten Campingplätze entlang der französischen Küste .


Was heute weniger wichtig ist

  • Serena Williams wird offenbar in Kürze ihre außerordentliche Tenniskarriere beenden. Dies deutete die 40 Jahre alte 23-malige Grand-Slam-Siegerin bei Instagram an. »Es gibt Momente im Leben, in denen man sich entscheiden muss, in eine andere Richtung zu gehen«, schrieb die US-Amerikanerin neben ein Bild der Septemberausgabe der Zeitschrift »Vogue«, deren Cover sie ziert: »Meine Güte, habe ich Freude am Tennis. Aber jetzt hat der Countdown begonnen.« Einen genauen Zeitpunkt für ihr letztes Match nennt Williams nicht. Sie schreibt aber, dass sie die nächsten Wochen genießen werde, sich künftig auf ihre Rolle als Mutter konzentrieren möchte und eine andere, »einfach aufregende« Serena entdecken wolle.

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Eigentlich hatten die Bundesländer einander versprochen, sich nicht gegenseitig die Lehrkräfte nicht streitig zu machen.«

Cartoon des Tages: Klopf! Klopf! Klopf!

Illustration: Klaus Stuttmann


Und heute Abend?

Die Welt steuert auf die letzte Folge von »Better Call Saul« zu. Heute strahlt Streamingdienst Netflix die vorletzte Folge der US-Fernsehserie aus und auch ich werde auf dem Sofa mitfiebern. Der gerissene Anwalt Jimmy McGill, gespielt von Bob Odenkirk, ist seit fast einem Jahrzehnt mein liebster Serienheld. Seinen ersten Auftritt hatte der Winkeladvokat und Lebenskünstler in der ebenso monumentalen, 2008 gestarteten Serie »Breaking Bad«, in der die Wandlung eines unbeholfenen Chemielehrers zum skrupellosen Drogenboss verhandelt wurde. »Better Call Saul« ist das Prequel, also die nachgereichte Vorgeschichte zur »Breaking Bad«-Saga aus der Feder von Serienschöpfer Vince Gilligan.

Nun gehe eine »Fernsehära zu Ende, die den Verbrecher als liebste Hauptfigur einführte«, schreibt Joachim Hentschel in seiner sensationell gut beobachteten Serienkritik . Hentschel beschreibt, wie »Better call Saul« das Trump-Zeitalter, in der das gerissene Lügen und Faktenverdrehen regierungsfähige Realität wurde, vorwegnahm. Im kalten Kern von »Breaking Bad« und »Better Call Saul« stecke ein »hemmungslos ausgelebter Individualismus. Eine politische Haltung, die von der flammenden Leidenschaft für die Vorspiegelung verdrehter Fakten begleitet wird – und sich nur zum Selbstschutz ab und zu eine soziale Motivation herbeidichtet«.

Bleibt von der Saga also eine deprimie­rende Moral zurück, fragt Hentschel? Nicht ganz.

Jede Handlung ziehe ihre Konsequenz nach sich, auch das zeige »Better Call Saul«. Die letzten zwei Folgen werden offenbar kein allzu großes Vergnügen, befürchte ich. Hentschel drückt es so aus: »Niemand wird von den Folgen dessen verschont, was er getan hat. Ein großes, gutes Machtwort.«

Einen schönen Abend wünscht
Ihre Anna Clauß

Hier können Sie die »Lage am Abend« per Mail bestellen.

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