Kaum haben Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) den Entwurf zum neuen Infektionsschutzgesetz vorgestellt, regt sich schon Kritik in den Ländern. Die Landesregierungen in Baden-Württemberg, Thüringen und Bayern zeigen sich von dem Ergebnis enttäuscht.
Er frage sich, was Lauterbach eigentlich überhaupt noch gegen die FDP durchsetzen könne, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Man habe offensichtlich die Reste des jetzigen Infektionsschutzgesetzes verlängert. Öffnungen für die Länder gebe es nur in besonderen Situationen. Dazu brauche es einen Beschluss des Landesparlaments – »während sich der Bund eine Generalbevollmächtigung sichert.« Der Entwurf enthalte Hintertüren und inakzeptable Blankovollmachten zugunsten des Bundes, erklärte Ramelow. »Das schafft kein neues Vertrauen zwischen dem Bund und den Ländern«.
Als Grund für das Scheitern sieht der Linke vor allem die FDP. »Alles wird von einer FDP blockiert, die selbst keine Länderkompetenz mehr hat.« Die Länder seien in dem Spiel zur Staffage verkommen, wie schon bei der Verabschiedung des Vorgängergesetzes, sagt Ramelow, der gleichzeitig Bundesratspräsident ist.
»Noch viele Fragen offen«
Klaus Holetschek, Gesundheitsminister in Bayern, teilte Ramelows Einschätzung. »Es verfestigt sich leider der Eindruck, dass die FDP den Bundesgesundheitsminister vor sich hertreibt und in das Bundesgesundheitsministerium hineinregiert.«
Der Entwurf lasse zu viel im Unklaren, monierte Holetschek. Was der Bund vorgelegt habe, lasse »leider noch viele Fragen offen, vor allem, was den Vollzug und die Umsetzung der Maßnahmen angeht«. Als Beispiel nannte Holetschek die mögliche Maskenpflicht für öffentlich zugängliche Innenräume. Es sei unklar, was ein »öffentlich zugänglicher Innenraum« sei. Zudem würden die Länder verpflichtet, getestete, frisch geimpfte und genesene Personen bei bestimmten Veranstaltungen und Bereichen, etwa in der Gastronomie, von der Maskenpflicht wieder auszunehmen. »Das kann im Vollzug vor Ort kein Mensch kontrollieren. Und das soll auch nur für frisch Geimpfte gelten, die vor maximal drei Monaten ihre Impfung bekommen haben.«
Auch sei unklar, welche Kriterien gelten sollten, um gewisse Maßnahmen zu verhängen. Die Rede sei von Hospitalisierungsinzidenz, 7-Tage-Inzidenz, der Surveillance-Systeme des Robert Koch-Instituts und Abwassermonitoring. Er wünsche sich einen klaren Kriterienkatalog, »denn sonst haben wir wieder Befugnisse im Gesetz, die nicht wirken können, weil die Länder von ihnen nicht rechtssicher Gebrauch machen können«, sagte Holetschek.
Die Regierung in Baden-Württemberg äußerte sich ebenfalls kritisch: »Wir hätten uns mehr von dem Entwurf erhofft, da das entscheidende Mittel, nämlich ein umfangreicher Instrumentenkasten für die Länder, nicht vorgesehen ist«, sagte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Der Entwurf bleibe hinter den Erwartungen des Landes zurück.
Lucha kritisierte, dass es nicht die Möglichkeit gebe, bei verschärfter Infektionslage im Extremfall sogenannte 2G- oder 3G-Beschränkungen oder Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum einzuführen. Auch stellte der Minister die Frage, ob es sinnvoll sei, Ausnahmen von einer möglichen Maskenpflicht in Innenräumen für geimpfte und genesene Personen zuzulassen, wenn diese möglicherweise auch ansteckend sein können. »Wir hoffen, dass wir bis auf Basismaßnahmen im nächsten Herbst und Winter nichts brauchen werden, aber für den Notfall müssen wir schnell und ohne Zögern handeln können«, sagte Lucha.
Der Entwurf für das Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass die Länder zum Schutz vor einer Herbst-Coronawelle ab Oktober wieder Maskenpflichten verhängen dürfen. Bundesweit soll weiterhin eine Maskenpflicht in Bus, Bahn und Flieger sowie neu eine Masken- und Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gelten.