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News: Friedrich Merz, Tempolimit, Großbritannien, Tories, Tour de France

Wie Konservative ticken

Freiheit ist schon eine große Sache, vielleicht die größte überhaupt. Weil ohne Freiheit ist ja alles andere nichts. So gesehen bewundere ich die Konservativen, wie es ihnen in diesen krisenreichen Tagen gelingt, den Freiheitsbegriff auf den Punkt zu bringen.

Oder besser: auf den Kreis zu bringen. Auf einen weißen Kreis mit grauem Rand und darin fünf graue Linien von links unten nach rechts oben.

CDU-Chef Merz

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Foto: Nicolas Armer / dpa

Erkannt? Es handelt sich um das Verkehrszeichen 282: »Ende sämtlicher streckenbezogener Geschwindigkeitsbeschränkungen und Überholverbote.« Konservative lieben es.

(Und hey @fdp, ihr hegt mindestens genauso starke Gefühle, Pardon, aber hier geht es jetzt mal ein paar Absätze lang um andere Freiheitsaficionados.)

Um Friedrich Merz zum Beispiel, der gestern Abend im ZDF-»Sommerinterview« das Tempolimit zum »Symbolthema« wegerklärte. Damit würden weder ökologische noch verkehrstechnische Probleme gelöst. Und es ist richtig. Denn sofern man Staus und CO₂-Ausstoß nicht zu verkehrstechnischen und ökologischen Problemen zählt, hat der CDU-Chef vollkommen recht.

In Großbritannien übrigens ist bei Tempo 113 (a.k.a. 70 Meilen) auf Autobahnen Schluss. Und keiner der beiden verbliebenen Kandidaten im Kampf um den Tory-Vorsitz und damit den Einzug in Downing Street 10 stellt das infrage. Britische Konservative ticken offenbar anders.


Konservative Konkurrenten Sunak, Truss

Konservative Konkurrenten Sunak, Truss


Foto: Jonathan Hordle / ITV / EPA

Ticken sie auch moderner? Schließlich stehen sich heute Abend in der BBC beim TV-Duell die Außenministerin Liz Truss und der frühere Finanzminister Rishi Sunak gegenüber: eine 46-jährige Frau (Geburtstag morgen!) und ein 42-Jähriger mit indischen Wurzeln.

Insgesamt gehörten zu Beginn des Rennens um die Nachfolge von Boris Johnson sechs von elf Kandidatinnen und Kandidaten ethnischen Minderheiten an. Bei uns, Sie erinnern sich, hieß es im vergangenen Jahr: Friedrich gegen Norbert gegen Helge.

Nur sind die Briten natürlich allein deshalb nicht per se weltoffener, sondern eben nur begrenzt diverser. Unsere Kolumnistin Sabine Rennefanz weist darauf hin, dass Favorit Rishi Sunak und seine Frau zu den reichsten Menschen in Großbritannien gehören. Vater Arzt, Mutter Apothekerin, er auf dem Elite-Internat, Studium in Oxford und Stanford. Wann war eigentlich das letzte Arbeiterkind Tory-Chef?

Lange nicht gesehen

Die Tour hat mich wieder. Während ich diesen Satz schreibe, läuft im Hintergrund die Siegerehrung in Paris. Der Däne Jonas Vingegaard hat das wichtigste Radrennen der Welt nach 21 Etappen und rund 3350 Kilometern gewonnen. 


Zweitplatzierter Pogačar, Tour-Sieger Vingegaard

Zweitplatzierter Pogačar, Tour-Sieger Vingegaard


Foto: CHRISTIAN HARTMANN / REUTERS

Vingegaard ist der erste Tour-Sieger seit dem Jahr 2005, seit Lance Armstrong, den ich mit Namen kenne. Von seinem Rivalen und Sieger der Vorjahre, Tadej Pogačar, habe ich erstmals in den letzten Wochen gehört.

Ich war völlig raus, weil ich ein so großer und so enttäuschter Fan war. Fan von Jan Ullrich. Mein Idol war ein Lügner, einer der größten Trickser im Radsport, seine letzte Tour war die des Jahres 2005. Danach flog er auf, wurde suspendiert, gesperrt. Und ich stieg aus.

Ich habe den rasanten Aufstieg dieses Mannes in den Sommern 1996 (Tour-Zweiter) und 1997 (Tour-Sieger) als Schüler verfolgt und ich habe 2003 in meiner Münchner Studenten-WG den Juli vorm Fernseher verbracht und Ullrich zugesehen, wie er im celestefarbenen Trikot des »Team Bianchi« zurückkam. Wie er Armstrong beinahe gehabt hätte.


Tour-Konkurrenten Ullrich, Armstrong im Jahr 2003

Tour-Konkurrenten Ullrich, Armstrong im Jahr 2003


Foto: Gero Breloer/ dpa/dpaweb

Meine Mitbewohner wies ich darauf hin, dass ich übrigens 1,83 Meter groß sei und 73 kg wiege. Wie Jan Ullrich. Sie sagten: »Schön für Dich.« Ich dilettierte in jenem Sommer im Bianchi-Trikot im bayerischen Voralpenland herum, die Leute riefen mir »Ulle!« hinterher und ich übergab mich vor Anstrengung. Das Kleidungsstück lag dann ab 2006 ganz unten in diversen Schränken.

Mein Kollege Udo Ludwig beschreibt in seiner sehr lesenswerten Geschichte, die sich stellenweise wie ein Krimi liest: Ullrich sei »Opfer eines gnadenlosen Sportbetriebs, der Gier nach Erfolgen und Einnahmen. Und der eigenen Überforderung, sich in diesem System zurechtzufinden«.

Ich habe neulich die ARD-Doku über Ullrich angeschaut, von der jetzt alle reden. Fünf Folgen insgesamt, davon zwei Folgen Aufstieg, drei Folgen Abstieg, bis fast in die Vernichtung. Meine Frau sagte: »Schon krass der Ullrich.« Wir saßen auf dem Sofa, dachten lange über diesen Niedergang nach und ich meinte, dass ich mal ein echter Fan war. Sie sagte: Da sei doch dieses komische grüne Trikot unten im Schrank. »Celestefarben!«, widersprach ich.

Vielleicht streife ich es mal wieder über in diesem Sommer.

Der Geruch der Städte

Kennen Sie das? Sie kommen nach einem Urlaub zurück nach Hause, in Ihre Stadt oder Ihr Dorf und Sie erkennen den Geruch wieder. Mir ergeht das immer wieder so. Ich könnte zum Beispiel mit verbundenen Augen nur am Geruch erkennen, dass ich mich in Berlin befinde. Und bitte denken Sie jetzt nicht an tierische Ausscheidungsprodukte, diese Zeiten sind wirklich vorbei. Mehr oder weniger.


Blick vom Tiergarten auf Berliner Zentrum

Blick vom Tiergarten auf Berliner Zentrum


Foto: Artur Bogacki / imago images/Westend61

Zum Beispiel mag ich den Geruch der Berliner U-Bahn, wenn man in eine Station geht und den Windhauch eines einfahrenden Zugs spürt. In München ging mir das ähnlich. In New York nicht.

Am Pariser Platz in Berlin hinterm Brandenburger Tor kann es im Sommer mitunter bestialisch stinken, weil, so hat mir das mal jemand erklärt, dort zu wenig Wasser in der Kanalisation sei. Als ich nach vier Jahren aus Amerika zurückkam, fiel mir zuerst der Dieselgeruch in deutschen Städten auf.

»Jede Stadt hat ihren eigenen chemischen Fingerabdruck«, erklärt der Atmosphärenforscher Thomas Karl im Interview mit meinem Kollegen Miguel Helm: »Eine Stadt mit einer hohen Dichte an Kaffeeröstereien riecht anders als eine Stadt an einem entleerten See.« Macht Sinn.

Und Städte rochen zu früheren Zeiten anders: »Autos haben in den Achtzigern viel stärker den Geruch einer Stadt geprägt als heute. Daher kann man jetzt Gerüche stärker wahrnehmen, die der Mensch auf der Haut trägt: Parfüm, Sonnencreme, Kosmetik«, erklärt Karl.

Das klingt für mich allerdings nicht nur nach Erleichterung, sondern auch nach Verpflichtung. Achtung, die Wahl des Parfüms fällt definitiv auf.

Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Russland bestätigt Pläne für Sturz der ukrainischen Regierung: Der Kreml verschärft den Ton im Ukrainekrieg: Erklärtes Ziel sei es, die amtierende Regierung in Kiew abzusetzen – das machte Chefdiplomat Sergej Lawrow nun klar.

  • »Sind wir dazu bereit, empfindliche Nachteile in Kauf zu nehmen?« Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnt Solidarität mit der von Kriegstreiber Putin attackierten Ukraine an. Das Staatsoberhaupt befürchtet eine Rückkehr zur Abschottung – und warnt vor Spaltung.

  • »Ich will, dass man nicht wegschauen kann«: Kriegsfotograf Ron Haviv war in Bosnien und Afghanistan, in Libyen und jetzt in der Ukraine: Der US-Fotograf dokumentiert Konflikte auf der ganzen Welt. Hier spricht er über Wahrheit und Manipulation im Journalismus – und die Macht der Bilder. 

  • Katrin Göring-Eckardt erwägt Streckbetrieb der Kernkraftwerke – »in Notsituation«: Ende des Jahres sollen die letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz gehen. So der Plan. Doch nun droht eine Energiekrise. Und selbst die Grünen schließen eine befristete Verlängerung nicht mehr aus.

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

Die Startfrage heute: Welches Land trat als bislang letztes im März 2020 der Nato bei? (Stand Juli 2022)

Gewinner des Tages…


Glückskekse mit der Aufschrift Baden-Württemberg (Symbolbild)

Glückskekse mit der Aufschrift Baden-Württemberg (Symbolbild)


Foto: Marijan Murat/ dpa

… ist Baden-Württemberg. Dieses Jahr feiert das Bindestrichland seinen 70. Geburtstag, heute Abend richtet das Innenministerium in Stuttgart einen Festabend aus.

Moment, erst 70 Jahre? Also jünger als Hessen, Bayern oder Niedersachsen? Genau, denn erst im April 1952 wurde Baden-Württemberg aus drei Ländern zusammengelegt. Diesem Beispiel einer Fusion hätten im Sinne eines effektiveren Föderalismus in den vergangenen Jahrzehnten auch mal einige andere Länder folgen sollen.

Im selben Jahr, in dem die Bundesrepublik aus drei Ländern eines machte, wählten sie in der DDR übrigens den gegenteiligen Weg: Den Ländern wurde ihre administrative Funktion genommen, stattdessen wurden 14 Bezirke plus Berlin eingeführt. Als Kind des westdeutschen Zonenrandgebiets musste ich die in den Achtzigern noch auswendig lernen, vom Bezirk Karl-Marx-Stadt ganz im Süden bis zum Bezirk Rostock im Norden.

Kurz darauf war der Spuk dann vorbei – und ich hatte das alles glücklicherweise ganz umsonst gelernt.


Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

  • Arabischer Herbst: Tunesien steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Gleichzeitig baut Präsident Kais Saied die unfertige Demokratie zu einer Diktatur um. Doch die Jungen und Klugen im Land gehen nicht mehr auf die Straße, sondern nach Europa .

  • Gorillas im Nebel: Das Berliner Start-up galt als Hoffnung der deutschen Gründerszene, Chef Kagan Sümer verglich es schon mit Nike und Apple. Heute verbrennt Gorillas immer noch viel Geld – bekommt aber kaum noch neues Kapital .

  • »Die Leichen liegen nicht tiefer als einen halben Meter«: Zehntausende Menschen werden in Mexiko vermisst, viele wurden zu Opfern der Drogenkartelle. In der Wüste suchen Mütter nach den Überresten ihrer verschwundenen Söhne – und entdecken dabei immer wieder Massengräber .

  • Den größten Fisch an Land gezogen: Jonas Vingegaard hat die Tour de France gewonnen, ohne eine einzige Schwäche zu zeigen. Dass dies auch Argwohn erweckt, liegt im Wesen des Radsports. Der Däne hatte aber auch das beste Team an seiner Seite. 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Sebastian Fischer

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