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News des Tages: Krieg in der Ukraine, Uniper, Markus Söder

1. Der Bund steigt mit 30 Prozent beim Energiekonzern Uniper ein – was er langfristig mit dem Unternehmen anfangen will, ist unklar

Der angeschlagene Energiekonzern Uniper ist offenbar vorläufig gerettet. Heute wurde bekannt gegeben, dass der Bund rund 30 Prozent des Konzerns übernimmt und die staatliche Bank KfW weitere Hilfen in Milliardenhöhe bereitstellt.

Damit ist eine Zerschlagung des Konzerns vom Tisch. Bundesregierung, Uniper und der finnische Mehrheitseigner Fortum einigten sich auf ein Rettungspaket, dem die EU-Kommission noch zustimmen muss. Auch die Aktionäre des Konzerns müssen in einer außerordentlichen Hauptversammlung zustimmen.

Ein wesentliches Geschäft von Uniper besteht darin, Gas auf dem internationalen Markt zu kaufen und in Deutschland zu speichern. Uniper betreibt selbst Kraftwerke im In- und Ausland, verkauft das Gas aber vor allem an mehr als hundert Stadtwerke und Industriebetriebe in Deutschland weiter, Energie für Wohnungen und Fabriken. Dafür hat der Konzern langfristige Bezugsverträge abgeschlossen, zum Beispiel mit Gazprom. Bis vor Kurzem stammte mehr als die Hälfte der Gaslieferungen an Uniper aus Russland.

Seitdem aber Russland deutlich weniger Gas nach Deutschland liefert, fehlen Uniper große Mengen. Die muss das Unternehmen nun an der Energiebörse nachkaufen, dort sind die Preise stark gestiegen. Bislang kann Uniper die höheren Kosten kaum an Stadtwerke oder Industriebetriebe weiterreichen, weil die Preise in den meisten Verträgen auf lange Zeit vereinbart sind. So verliert Uniper nach eigenen Angaben derzeit Tag für Tag Dutzende Millionen Euro.

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»Kurzfristig bekommt Uniper Milliarden an Kapital, damit der Konzern in den nächsten Wochen weiter Gas für Stadtwerke und Industriebetriebe kaufen kann, obwohl große Mengen aus Russland fehlen«, sagt mein Wirtschaftskollege Benedikt Müller-Arnold. Was der Bund heute angekündigt hat, ist seiner Einschätzung nach ein Rettungsversuch in zwei Schritten. 
»Von Oktober an dürfen Importeure wie Uniper dann 90 Prozent der Mehrkosten an die Kundschaft weiterreichen. Wenn das gelingt, müsste Uniper aus dem Gröbsten raus sein.« Dann aber werde sich der Bund fragen müssen, was er langfristig mit diesem Unternehmen anfangen will, dem unter anderem auch Atomkraftwerke in Schweden oder Kohlemeiler in Russland gehören – »und das eigentlich noch bis in die 2030er-Jahre hinein Lieferverträge mit Gazprom unterhält«.

2. Markus Söder macht für mögliche besondere Probleme Bayerns in einer Energiekrise allein die Berliner Politik verantwortlich – das entspricht nicht ganz den Tatsachen

Ich verstehe gut, dass sich Menschen über den Politikstil von Markus Söder, seine Agenda und seine Ansichten aufregen. Trotzdem empfinde ich ihn als Bereicherung für das deutsche Politikgeschäft. Warum, das lässt sich ganz gut an dem SPIEGEL-Gespräch meiner Kollegen Jan Friedmann und Florian Gathmann erklären .

In dem behauptet der bayerische Ministerpräsident zum Beispiel, dass die Berliner Ampelkoalition Bayern benachteiligt, indem sie, wie Söder sagt, »ganz bewusst auf den Norden der Republik setzt«. Auch dass »in Interviews hämische Kommentare über den Süden gemacht werden« ärgert ihn offenbar, dass »einzelne Finanzzusagen revidiert oder Besuche abgesagt werden«.

Söder stellt das von ihm regierte Bundesland Bayern als Opfer verschiedener Maßnahmen der Bundesregierung in der drohenden Gaskrise dar – und wirbt so um Stimmen für die Bayern-Wahl im nächsten Jahr. Die Verantwortung für die offensichtlich missliche Energielage Bayerns und seine extrem große Abhängigkeit von Erdgas sieht er nicht bei der Landespolitik. Der Bund habe die Kompetenz für die energiepolitischen Richtlinien, sagt er im Gespräch mit den Kollegen, der Bund sorge für die Gasversorgung, und der Bund entscheide über die Kernenergie. »Wir fordern, dass süddeutsche Speicher genauso gefüllt werden wie norddeutsche – und auch der für Bayern zuständige österreichische Speicher«.

Söders Behauptung, dass ein drohender Energieengpass im Freistaat Bayern ganz oder großteils vom Bund zu verantworten sei, ist, wie viele Äußerungen des Politikers, ein Beleg für seine Neigung zu populistischen Zuspitzungen. Tatsächlich haben die Sorgen der Bayern, das hat mein Kollege Gerald Traufetter einleuchtend dargestellt , viel mit energiepolitischen Fehlern seiner eigenen Partei, der CSU, und der Landespolitik zu tun.

Das speziell bayerische Problem mit der Energieversorgung ist nicht nur durch den Krieg gegen die Ukraine und wegen der geografischen Lage entstanden, es ist »das Produkt einer Reihe von Fehleinschätzungen und populistischen Wahlkampfmanövern, die sich in diesem Herbst und Winter bitter rächen könnten«, so Gerald. Der Bau von Höchstspannungsleitungen, die das Ungleichgewicht zwischen dem wind- und stromreichen Norden und dem stromarmen Süden in Deutschland beseitigen könnten, hat Söders Vorgänger Horst Seehofer leidenschaftlich bekämpft. Seehofer setzte durch, dass die elektrischen Lebensadern für die bayerische Industrie weitgehend als Erdkabel verlegt werden. Das verzögert die Indienststellung um viele Jahre, was sich in der aktuellen Situation als fatal herausstellt.

Im Gespräch mit den Kollegen zeigt Söder allerdings eben auch seine Entertainer- und seine Nehmerqualitäten. Auf die Frage nach den Wahlen im nächsten Jahr (»Stimmt unser Eindruck: Die Menschen sollen vor allem aus Mitleid CSU wählen?«) antwortet er: »Ich habe selten so eine absurde Frage gehört«. Auf die Vorhaltung, er sei dabei, an den Populismus früherer Tage anzuknüpfen, sagt er: »Das ist eine absurde These und Unterstellung«. Und am Ende des Interviews rügt er anerkennend die Beharrlichkeit der beiden Interviewpartner mit einem schönen bayerischen Ausdruck: »Sie sind heute aber wieder kniefieselig«.

3. Beim Panzer-Ringtausch wirft Polen der Bundesregierung »Täuschungsmanöver« vor – und lässt die Deutschen tatsächlich nicht gut aussehen

Hat die Bundesregierung versucht, dem polnischen Militär Uraltpanzer anzudrehen? Ich staune in diesen Tagen öfter über die doch im Politikgeschäft eher ungewohnt grimmigen Töne, die vor allem osteuropäische Politiker anschlagen. Ein »Täuschungsmanöver« hat nun der polnische Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sęk der Bundesregierung vorgeworfen. Dem SPIEGEL sagte der Politiker, die deutschen Versprechen zum Panzer-Ringtausch seien nur unzulänglich erfüllt worden .

Es sei »eine harte Ansage«, schreiben meine Kollegen Matthias Gebauer und Jan Puhl, dass Polens Regierung Deutschland im Zusammenhang mit den Waffenlieferungen an die Ukraine Wortbruch vorwirft. Der Panzer-Ringtausch sollte die schnelle Lieferung von schwerem Kriegsgerät an die Ukraine ermöglichen. Berlin hatte vorgeschlagen, dass östliche Nato-Partner wie Polen, Rumänien oder Tschechien ältere Panzer aus sowjetischer Produktion an die Ukraine abgeben. Bundeskanzler Olaf Scholz versprach, Berlin werde sich um einen schnellen Ersatz des Kriegsgeräts bemühen, um wiederum die Verteidigungsfähigkeit der Partner zu sichern.

Polen sieht sich bei dem Ringtausch-Deal getäuscht. Schon kurz nach dem Überfall der Russen auf die Ukraine hatte Warschau seine Bestände an T-72-Panzern an die Ukrainer abgegeben, nach polnischen Angaben wurden mehr als 200 der betagten, aber wirksamen Kampfpanzer über die Grenze gebracht. In der Folge setzte man darauf, dass sich Deutschland an seine Versprechen hält und die polnischen Panzereinheiten wieder aufstockt. Tatsächlich ist der Ringtausch-Deal mit Polen wohl bereits gescheitert. Im Gespräch mit dem SPIEGEL sagte Szynkowski vel Sęk, zunächst hätten die Deutschen den Polen Panzer angeboten, »die älter waren als diejenigen, die wir der Ukraine gaben«.

»Diese Offerte«, so der Vizeaußenminister, »war nicht zu akzeptieren, denn wir haben kein Interesse daran, den Zustand unserer Bewaffnung zu verschlechtern und unsere Soldaten auf Gerät aus den Sechzigerjahren zu schulen.« Bereits im Mai hatte Polens Präsident Andrzej Duda öffentlich kritisiert, dass Deutschland seine Versprechen nicht einhalte. Doch auch danach tat sich nicht viel. Nach Angaben von Szynkowski vel Sęk redet Polen lieber mit anderen Nato-Partnern, »die wirklich bereit sind, uns dabei zu helfen«. So erhalte Polen bereits jetzt Panzer aus den USA und Großbritannien.

»Für die Bundesregierung ist die Kritik aus Polen mehr als nur ärgerlich«, schreiben meine Kollegen. »Seit Kriegsbeginn muss sich die Ampelkoalition gegen den Vorwurf der Zögerlichkeit in Sachen Waffenlieferungen wehren. Bis heute bleibt der Eindruck, dass vor allem das Kanzleramt von Olaf Scholz nur dann zu liefern bereit ist, wenn der internationale Druck zu groß wird«. Gerade, wenn es um schwere Waffen geht, könne Deutschland nicht viel vorweisen.

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

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Was heute sonst noch wichtig ist

  • EU-Kommission leitet im Nordirland-Streit neue rechtliche Schritte gegen London ein: Die Europäische Kommission wirft der britischen Seite vor, das Nordirland-Protokoll nicht richtig umzusetzen. Nun hat sie vier neue rechtliche Verfahren gegen Großbritannien gestartet.

  • Deutsche Katholiken beharren auf Reformplänen: Die Ansage von ganz oben war deutlich, dem Vatikan gehen die durch deutsche Katholiken angestrebten Neuerungen zu weit. Kirchenrechtler sagen das Aus des Synodalen Wegs voraus.

  • Umstrittener Oberbürgermeister Feldmann nimmt Abwahl nicht an: Frankfurts Stadtverordnetenversammlung hatte ihn Mitte Juli abgewählt, nun hat der umstrittene Frankfurter Oberbürgermeister eine Frist zum Rücktritt verstreichen lassen. Jetzt müssen die Bürger entscheiden.

  • Gesundheitsministerium patzt bei Zahlen zu Impfnebenwirkungen: Das Bundesgesundheitsministerium hat einen fehlerhaften Tweet über Impfnebenwirkungen gelöscht und die Zahlen richtiggestellt. Impfgegner wittern eine Verschwörung. Was war da los?

Meine Lieblingsgeschichte heute: Im Urlaub bespitzelt?

Gehören Sie zu den Menschen, die ihre Computerkameras mit Kreppband verkleben, damit nicht irgendwelche Spione Einblick in Ihr Leben bekommen? Dann ist die Geschichte meines Kollegen Torsten Kleinz meine Empfehlung für Sie, denn sie bietet überraschende Einblicke in das Geschäft der Überwachung . Trotz gesetzlicher Verbote gibt es auch in Deutschland einen offenbar prächtig gedeihenden Handel mit getarnten Überwachungskameras, die sich in einem Zimmer gut verstecken lassen. »Man findet sie zu Dutzenden auf üblichen Handelsplattformen«, so Torsten. Mal sind sie in ein Ladegerät eingebaut, mal tarnen sie sich als Autoschlüssel oder harmloser USB-Stick.

Eigentlich ist bereits der Besitz solch getarnter Geräte und der Verkauf in Deutschland verboten, doch insbesondere chinesische Hersteller haben sie weiterhin im Programm. Wie spürt man versteckte Kameras in der eigenen Wohnung oder Ferienwohnung auf? »Die simpelste Methode: die Vorhänge zuziehen und die Taschenlampen-Funktion des Smartphones starten«, so Torsten. »Kameralinsen reflektieren das Licht auffällig, wenn das Licht aus dem richtigen Winkel auf sie trifft. Auch wenn die Kameras gut versteckt sind, etwas Licht aus ungewohnter Perspektive lässt sie leicht auffliegen – wenn man eine Ahnung hat, wo man suchen muss.«

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • »Die russische Regierung will mich tot sehen«: Seine Enthüllungen über Briefkastenfirmen stürzten Regierungschefs und brachten Tausende Ermittlungen hervor. Hier spricht »John Doe« erstmals über die Angst um sein Leben und seine Enttäuschung über die Bundesregierung .

  • Ist das geheim oder kann das weg? Olaf Scholz und Britta Ernst pflegen offenbar ein entspanntes Verhältnis zu vertraulichen Unterlagen. Potsdamer Nachbarn fanden im Hausmüll unter anderem ein internes Papier zum G7-Gipfel .

  • Wie Rechtsextremisten ihre Anhänger für einen deutschen Wutwinter mobilisieren: Nach dem Abflauen der Coronademos setzen Rechtsextreme und »Querdenker« auf das nächste Aufregerthema: die Gaskrise und die explodierenden Preise. In ihren Netzwerken fantasieren sie von Umsturz und einem drohenden Bürgerkrieg .

  • Verhinderter Lauterbach-Entführer plante Staatsstreich mit Kalaschnikows: Die Männer, die Gesundheitsminister Lauterbach kidnappen wollten, hegten nach SPIEGEL-Informationen bizarre Umsturzpläne. Jetzt hat einer von ihnen ein Geständnis abgelegt – mit verstörenden Details .


Was heute weniger wichtig ist

Gefoppter Horror-Titan: Stephen King, 74-jähriger US-Bestsellerautor, ist auf den Fake-Videoanruf eines russischen Satirikerduos hereingefallen. »Es ist mir peinlich«, schrieb er auf Twitter. Die beiden Anrufer namens Wowan und Lexus hatten zuletzt mehrere europäische Bürgermeister, darunter Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, gefoppt. Wie sie hatte auch der Schriftsteller geglaubt, mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu sprechen. Der Zeitung »Portland Press Herald« sagte King: »Die Jungs waren gut, das kann ich sagen.«

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Die Erklärung aus Rom habe ihr gezeugt, dass ein persönlicher Austausch zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Präsidium des Synodalen Wegs »überfällig« sei, sagte Stetter-Karp.«

Cartoon des Tages: Benzinpreis

Und am Wochenende?

Könnten Sie sich über das Sylter Sommertheater informieren und amüsieren, von dem mein Kollege Sebastian Hammelehle in der aktuellen SPIEGEL–Titelgeschichte erzählt . Als in Süddeutschland aufgewachsener Mensch habe ich selbst ein paar Jahre gebraucht, bis ich die von Hamburg aus nur verblüffend umständlich zu erreichende Insel Sylt toll fand. Sebastian schildert sie als »Sandburg der Superreichen« und schreibt, dass die Insel »ein deutscher Mythos« sei. »Wer sich auf Sylt einkauft, investiert nicht allein, um dabei zu sein. Noch stärker als jeder Mythos ist schließlich der Markt: Sylt gilt als gute Kapitalanlage, gerade in Zeiten der Inflation. Investoren und all diejenigen, die eine Immobilie zu verkaufen haben, verdienen sehr gut daran. Und die restlichen Einheimischen? Fragen sich, ob überhaupt noch Platz für sie bleibt«.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Herzlich
Ihr Wolfgang Höbel

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