Die Einführung des Bürgergelds gehört zu den Hauptpunkten im Koalitionsvertrag der Ampelregierung. »Wir lösen die Grundsicherung durch ein neues Bürgergeld ab, damit die Würde des Einzelnen geachtet und gesellschaftliche Teilhabe besser gefördert wird«, heißt es dort. Eine Einigung zwischen den Parteien besteht jedoch nicht in allen Punkten: Die FDP hat weiterhin erhebliche Vorbehalte gegen die Pläne von Sozialminister Hubertus Heil (SPD). Die Liberalen pochen beim Nachfolgemodell für die Grundsicherung auf die Beibehaltung von Sanktionen, wenden sich gegen neue Berechnungsweisen und pochen auf bessere Zuverdienstmöglichkeiten für Leistungsbezieher.
Minister Heil hatte am Mittwoch seine Pläne für die Ausgestaltung des Bürgergelds präsentiert, das im kommenden Jahr Hartz IV ablösen soll. Die Auflagen sollen weniger streng ausfallen als beim Vorgängermodell. Das Gesetz soll nach dem Willen von Heil am 1. Januar in Kraft treten.
Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil (SPD)
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Menschen, die Bürgergeld beziehen, sollen demnach für ein halbes Jahr keine Leistungskürzungen befürchten müssen, auch wenn sie beispielsweise Termine im Jobcenter verstreichen lassen. Die FDP pocht aber auf Sanktionen, wenn Betroffene nicht zu Terminen erscheinen.
Kritik von Lindner und Teutrine
Solidarität sei keine Einbahnstraße, sagte der in der FDP-Bundestagsfraktion für das Bürgergeld zuständige Abgeordnete Jens Teutrine der Nachrichtenagentur dpa. »Als Ultima Ratio sind Sanktionen daher angemessen und nötig«, entgegnete er auf die Frage, ob die FDP bei der von Heil geplanten sechsmonatigen »Vertrauenszeit« ohne Sanktionen mitgehen werde.
FDP-Chef Christian Lindner sagte ebenfalls, viele Menschen könnten nicht verstehen, »dass sie mit ihren Steuern nicht nur Bedürftige unterstützen sollen, sondern auch jene, die vorsätzlich Termine nicht wahrnehmen oder angebotene Bildung und Arbeit ablehnen«. Der Finanzminister sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: »Solidarität muss immer auch die Gegenleistung einbeziehen, die Hilfe der Gesellschaft nur so weit wie nötig in Anspruch zu nehmen.«
Die FDP will Teutrine zufolge bei den anstehenden Verhandlungen innerhalb der Regierung über das Bürgergeld auch besonders auf Änderungen der Hinzuverdienstregeln achten. Heils Vorschlägen zufolge sollen Schüler, Azubis und Studierende, die Bürgergeld beziehen, mehr hinzuverdienen dürfen. Teutrine forderte, auch für erwachsene Leistungsberechtigte die Regeln anzupassen. »Bis zum endgültigen Gesetzestext gibt es noch etliche weitere Schritte«, sagte er. Lindner sagte: »Durch die Kombination von Bürgergeld und einem Job sollen die Bezieher mehr Geld zur Verfügung haben als heute.«
Liberale wollen alte Regelsätze beibehalten
Heils Wunsch, die Regelsätze um 40 bis 50 Euro zu erhöhen und neue Berechnungsmethoden einzuführen, trifft bei den Liberalen ebenfalls auf Widerspruch. Lindner und Teutrine verwiesen darauf, dass die Regelsätze ohnehin jährlich turnusgemäß an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst würden. »Daran sollten wir festhalten«, forderte der FDP-Chef. Teutrine warnte im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vor »unkalkulierbaren Kosten« bei einer neuen Berechnungsmethode. Momentan bekommen alleinstehende Erwachsene 449 Euro Hartz IV.
»Das Bürgergeld soll eine Aktivierung sein und kein bedingungsloses Grundeinkommen«, machte der FDP-Vorsitzende in den Funke-Zeitungen deutlich. Er setze sich dafür ein, dass sich die Lebenssituation der Bezieher des Bürgergelds gegenüber Hartz IV verbessere, betonte Lindner. »Aber der Weg ist, dass die Aufnahme einer Arbeit neben dem Bezug von Sozialleistungen attraktiv ist. Wir sollten Respekt zollen, wenn Menschen neben der Grundsicherung in einem Minijob oder in Teilzeit zu arbeiten beginnen.« Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) warnte in der »Bild«-Zeitung davor, »Transferleistungen zu verfestigen«.
Auch die Union sieht die Bürgergeldpläne von Heil skeptisch. CDU-Chef Friedrich Merz hatte am Donnerstag gesagt, er sei »sehr gespannt, ob es überhaupt noch irgendwelche Anreize gibt, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren«. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann kritisierte in der »Bild«-Zeitung: »Mit dieser Reform hängen wir die Agenda 2010 endgültig an den Nagel. Es kann doch nicht sein, dass knapp zwei Millionen Stellen in Deutschland unbesetzt sind und die Ampel das Arbeiten durch die Abschaffung des Prinzips »Fördern und Fordern« noch unattraktiver macht.«