Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und die anschließende Evakuierungsmission werden von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet. Der Bundestag beschloss am frühen Freitagmorgen die Einsetzung des zwölfköpfigen Gremiums. Der Plan für einen solchen Ausschuss war bereits Anfang Juni bekannt geworden.
Durch die Auswertung von Dokumenten und die Befragung von Zeuginnen und Zeugen soll der Untersuchungsausschuss in den kommenden Monaten klären, welche Fehler damals gemacht wurden und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. »Dabei ist es nicht unser Ziel, Schuldige zu suchen, sondern alles dafür zu tun, dass die offensichtlich begangenen Fehler in der Zukunft nicht noch einmal gemacht werden«, sagte der designierte Ausschussvorsitzende Ralf Stegner (SPD).
Die Bundeswehr hatte Afghanistan im Juni 2021 nach fast 20 Jahren verlassen. Im August beteiligte sich Deutschland dann an einem internationalen Evakuierungseinsatz, nachdem die militant-islamistischen Taliban binnen kürzester Zeit die Macht am Hindukusch übernommen hatten.
Neben der Ampelkoalition stimmten auch CDU und CSU für den Antrag zur Einsetzung des Ausschusses . Kritik am Untersuchungsauftrag kam lediglich von AfD und Linken. Sie forderten, die Sinnhaftigkeit des gesamten Afghanistan-Einsatzes zu überprüfen und nicht nur den überstürzten Abzug.
Nach dem Willen der Parlamentsmehrheit soll diese Frage jedoch von einer Enquete-Kommission beantwortet werden, über deren Einsetzung der Bundestag am Freitagnachmittag abstimmen soll. Das Gremium soll dann mit wissenschaftlicher Begleitung den fast 20 Jahre andauernden Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan beleuchten. Vorsitzender soll der SPD-Politiker Michael Müller werden.
Der Untersuchungsausschuss zum Afghanistan-Abzug betrachtet einen Zeitraum, der mit dem 29. Februar 2020 beginnt. An diesem Tag hatte die US-Regierung mit den Taliban das sogenannte Doha-Abkommen unterzeichnet. Die Islamisten verpflichteten sich damals im Gegenzug für den Abzug der US-Truppen unter anderem zu Friedensgesprächen und der Beteiligung an einer inklusiven Regierung – wozu es letztlich nicht kam.
Schlusspunkt der Untersuchung soll der 30. September 2021 sein – ein Monat, nachdem die letzten US-Soldaten den Flughafen Kabul verlassen hatten. Dort hatten sich in der zweiten Augusthälfte dramatische Szenen abgespielt, als zahlreiche Menschen das Land verlassen wollten.
Bundestag debattiert bis kurz vor zwei Uhr – AfD erzwingt Hammelsprung
Für den Bundestag war es die vorletzte Plenarsitzung vor der Sommerpause. Dabei wurde in der Nacht zu Freitag ein Rekord aufgestellt: Parlamentsvizepräsidentin Aydan Özoguz (SPD) erklärte die Sitzung, die am Donnerstag um 9 Uhr begonnen hatte, erst am Freitagmorgen um 1.58 Uhr für geschlossen. Die bislang längste Sitzung der laufenden Legislaturperiode war im Mai bereits um 0.23 Uhr zu Ende gegangen.
Zusätzlich in die Länge gezogen wurde die Sitzung dadurch, dass die AfD gegen halb zwei einen Hammelsprung erzwang, um die Beschlussfähigkeit des Parlaments zu überprüfen. Streng genommen muss dafür nämlich mehr als die Hälfte der 736 Abgeordneten anwesend sein – was zur nächtlichen Stunde eigentlich nie der Fall ist. So kamen statt der notwendigen 369 Parlamentarier letztlich nur 184 zusammen.
Beim sogenannten Hammelsprung verlassen die Abgeordneten den Saal und kehren – je nachdem wie sie abstimmen wollen – durch verschiedene Türen wieder zurück. Dadurch können die Mehrheitsverhältnisse ebenso eindeutig geklärt werden wie die Zahl der anwesenden Parlamentarier. Erst am Mittwoch hatte die Union einen Hammelsprung erzwungen, um Kanzler Olaf Scholz (SPD) ins Plenum zu zitieren.
Eigentlich sollte beim letzten Tagesordnungspunkt in der Nacht zu Freitag darüber abgestimmt werden, ob die Abgeordneten auch in Zukunft in digitaler Form an Ausschusssitzungen teilnehmen dürfen. Da sich der Bundestag jedoch als nicht beschlussfähig erwies, musste die Entscheidung darüber vertagt werden.
Gesetz zur beschleunigten Beschaffung von Bundeswehr-Ausrüstung
Noch am Donnerstagabend beschloss der Bundestag verschiedene Maßnahmen zur beschleunigten Beschaffung von Bundeswehr-Ausrüstung. Das Gesetz ermöglicht es für einen Zeitraum von zunächst dreieinhalb Jahren, Aufträge schneller zu vergeben als es nach der bisherigen Rechtslage möglich war. So können etwa verschiedene Aufträge gemeinsam vergeben und Gemeinschaftsprojekte mit anderen EU-Staaten einfacher realisiert werden.
Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatten Bundestag und Bundesrat vor wenigen Wochen ein 100 Milliarden Euro schweres Sonderprogramm zur besseren Ausrüstung der Bundeswehr beschlossen. Mit dem Geld sollen unter anderem neue Flugzeuge, Hubschrauber, Schiffe und Panzer angeschafft werden. Derartige Beschaffungsvorhaben zogen sich in der Vergangenheit allerdings regelmäßig in die Länge. Dieses Problem soll durch die nun beschlossenen Maßnahmen entschärft werden.