Nach dem Chaos bei der Bundestagswahl in Berlin soll die Wahl in einigen Wahllokalen wiederholt werden. Darauf hatte sich die Ampel am Donnerstag geeinigt. Nun kritisiert die Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags, Daniela Ludwig, die Entscheidung massiv. »Die Ampel versucht das Wahldebakel kleinzureden«, sagt sie dem SPIEGEL. »So etwas lässt sich aber nicht bagatellisieren.«
Nach der Aufarbeitung des Wahlchaos haben sich SPD, Grüne und FDP geeinigt, in 400 Wahlbezirken nachwählen zu lassen. Aus Sicht von Ludwig sind das deutlich zu wenig, sie fordert Neuwahlen in mehr als 1200 der insgesamt 2300 Wahllokale. »Alles andere ist ein mutloser minimalinvasiver Eingriff, der das Vertrauen in demokratische Institutionen noch weiter erschüttert«, so die CSU-Politikerin.
Am 26. September 2021 hatte es in Berlin lange Schlangen vor mehreren Wahllokalen gegeben, einige Bürgerinnen und Bürger stimmten noch ab, nachdem erste Hochrechnungen veröffentlicht worden waren. Am Wahltag fanden vier Abstimmungen statt. Grund für die Verzögerungen waren vor allem fehlende Stimmzettel, Nachschub erreichte wegen der Großveranstaltung Berlin Marathon die Lokale nur schwer.
400 oder 1200 Wahllokale?
In wie vielen Lokalen nachgewählt wird, kann entscheidend sein: Die Neuwahlen in Berlin könnten eine regelrechte Kettenreaktion auslösen. Laut einer Berechnung beim Bundeswahlleiter wären bei einer wiederholten Abstimmung in allen Wahlkreisen bis zu acht Mandate bedroht. Der Prüfungsausschuss hat entsprechend eine kleinere Lösung vorgeschlagen. Die Veränderungen wären dann vermutlich nicht so dramatisch, Bundestagsabgeordnete zittern dennoch um ihre Mandate.
Der Schwerpunkt der von der Ampel vorgeschlagenen gut 400 Wahlbezirke liegt in den Wahlkreisen Berlin-Reinickendorf, Berlin-Mitte, Berlin-Pankow, in Berlin Steglitz-Zehlendorf, Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf und Berlin Friedrichshain-Kreuzberg. Die Obleute der Ampelkoalition im Wahlprüfungsausschuss haben nun die Bundestagsverwaltung gebeten, eine Beschlussempfehlung für den Deutschen Bundestag zu erarbeiten, die die Neuwahlen in den Wahlbezirken vorsieht. Darüber soll im Oktober im Bundestag entschieden werden.
Damit sich das Chaos nicht wiederholt, soll die Hauptstadt ein eigenes Landeswahlamt bekommen. Das fordert die Kommission, die im Auftrag der Berliner Innenverwaltung die Probleme des Wahltags analysiert hat, in ihrem Abschlussbericht. Das Landeswahlamt soll die Logistik rund um die Wahl zentral steuern und gemeinsam mit den Bezirken planen können, so der Vorschlag der Kommission.
Außerdem schlägt sie vor, externe Firmen mit der Lieferung und Abholung der Stimmzettel und Wahlkabinen zu beauftragen. Bisher regelten die Bezirke das eigenständig, in einigen holten Wahlvorstände die Unterlagen selbst ab und transportierten sie zum Teil auf dem Fahrrad.