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Ukraine: Andrij Melnyk provoziert mit Verharmlosung von Stepan Bandera

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk


Foto: Christian Spicker / IMAGO

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk polarisiert. Viele schätzen seine Mahnungen und scharfen Angriffe als Bekenntnis zum Leid der Menschen in der Ukraine – andere sehen darin verbale Entgleisungen. Immer wieder auch ein Streitpunkt: Melnyks Haltung zum ukrainischen Nationalisten und Partisanenführer Stepan Bandera.

Bandera war ein ukra­inischer Nationalist, der im Zweiten Weltkrieg zeitweilig mit der Wehrmacht zusammenarbeitete, dann aber im Konzentrationslager Sachsenhausen war und später vom KGB ermordet wurde. Er gilt in Teilen der Ukraine als Nationalheld durch seinen Kampf für die Unabhängigkeit des Landes von der Sowjetunion. Andere sehen in ihm einen Faschisten und Kriegsverbrecher, der mit den Nationalsozialisten kooperierte. Melnyk selbst gilt als Anhänger Banderas.

»Was für eine Geschichtsverleugnung. Was für eine Geschichtsverklitterung«

Im Interview mit dem YouTuber Tilo Jung verteidigte der Botschafter nun seine Haltung. Jung konfrontierte Melnyk mit mutmaßlichen Massakern durch Bandera an Polen und Juden. Der Ukrainer sprach daraufhin von Massakern, die auch Polen an seinen Landsleuten verübt hätten. Auf Nachfrage holt Melnyk weiter aus: »Es gibt keine Belege, dass Banderas Truppen Hunderttausende Juden ermordet haben.« Es gebe diese Erzählungen durch die russische Seite, doch das sei nicht korrekt, beharrte Melnyk.

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Den bekannten Pianisten Igor Levit hat die Szene aufgeregt – auf Twitter verurteilte er den Ausschnitt als »Heuchelei«. Der ukrainische Botschafter verleugne einen Teil seiner Geschichte, argumentiert Levit. »Er spielt den Unwissenden. Was für eine Geschichtsverleugnung. Was für eine Geschichtsverklitterung.« Dann schiebt er nach: »Schämen Sie sich.«

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Im Interview forderte Melnyk Belege von Journalist Jung ein, dieser verliest ein Flugblatt, das Bandera damals verteilt haben soll (»Moskowiten, Polen, Ungarn und Juden sind deine Feinde, vernichte sie!«). Dann sagt er erneut: »Ich verstehe nicht, wie man jemanden als Helden bezeichnen kann, der gleichzeitig Massenmörder von Juden und Polen war.« Melnyk antwortet, Bandera sei kein Massenmörder von Juden und Polen gewesen. »Ich werde dir heute nicht sagen, dass ich mich davon distanziere. Und das war’s!«, so der Botschafter schließlich.

Der Umgang mit Bandera spiegelt schon seit Jahren die Verwerfungen zwischen Russland und der Ukraine. Ukrainische Nationalisten, die Anfang der Dreißiger- bis in die Fünfzigerjahre für die Unabhängigkeit kämpften, werden bis heute in Russland als Helfer der »Faschisten« bezeichnet. In der Ukraine dagegen werden Partisanen wie Bandera heute verehrt. Die Bewertung ist heikel: So besteht zwischen Historikern weitestgehend Konsens, dass seine »Organisation Ukrainischer Nationalisten« faschistisch und rassistisch war, als prominenter Anführer übernahm er Verantwortung – gleichzeitig sind persönliche Teilnahmen Banderas am Völkermord nicht belegt, sagte Melnyk.

Provokante Verehrung

Der Botschafter provoziert seit Längerem mit seiner Verehrung für den Nationalistenführer. Direkt nach seinem Amtsantritt im Jahr 2015 legte er Blumen am Grab Banderas ab, nach Beginn des Ukrainekrieges teilte er auf Twitter gegen alle aus, die diese Heldenverehrung anprangerten.


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Im gleichen Jahr beschloss die Ukraine das Dekommunisierungsgesetz »Über den Rechtsstatus und die Verehrung der Kämpfer für die ukrainische Unabhängigkeit im 20. Jahrhundert«, das die Rolle nationalistischer Partisanen als Freiheitskämpfer für eine souveräne Ukraine umdeutete. Der Bandera-Kult konnte sich allerdings nicht uneingeschränkt entfalten: Zwar fand er in der Westukraine viele Anhänger, in der Zentral- und Ostukraine wird er aber bis heute abgelehnt.


mrc

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