Bündnis gegen Russland
In Madrid wird heute der Nato-Gipfel offiziell eröffnet. Die westliche Allianz kann sich bei diesem Treffen so geschlossen präsentieren wie nie. Unter anderem soll offiziell die Aufstockung der schnellen Eingreiftruppe, der »Nato Response Force« (NRF), beschlossen werden. Die Zahl der Soldatinnen und Soldaten, die im Krisenfall kurzfristig mobilisiert werden können, wird damit von heute 40.000 auf mehr als 300.000 erhöht. Die Bundeswehr wird 15.000 Soldaten stellen. Sie müssen bei Bedarf innerhalb von zehn Tagen an der Front sein.
In ihrem aktualisierten »strategischen Konzept« wollen die Bündnispartner zudem Russland als »bedeutendste direkte Bedrohung« für das transatlantische Bündnis bezeichnen.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Madrid
Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa
Auch der historischen Norderweiterung der Nato steht nichts mehr im Wege. Die Türkei will der Aufnahme von Finnland und Schweden nun doch zustimmen. Den Durchbruch brachten am Dienstag in Madrid Gespräche mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, in die sich zwischenzeitlich auch US-Präsident Joe Biden einschaltete.
Das alles dürfte die Paranoia in Russland gegenüber der Nato, speziell bei Präsident Wladimir Putin, weiter erhöhen. Weil Putin stets Ursache und Wirkung verwechselt, sieht er die Nato bekanntlich als Bedrohung. Ein Sprecher des russischen Präsidenten betonte am Dienstag erneut, die Nato sei ein »aggressives Bündnis«.
Was der Putin-Sprecher natürlich nicht sagte: Es gibt in Europa nur ein Land, das als Aggressor seine Nachbarn bedroht und Raketen auf Einkaufszentren schießt. Das ist sein eigenes.
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Trumps irrer Ausraster am 6. Januar
Wir kennen bereits reichlich bizarre Geschichten aus der Präsidentschaft von Donald Trump. Doch diese neue Episode dürfte es in die Top Ten der verrücktesten Trump-Geschichten schaffen: Am 6. Januar 2021 soll Trump in der Präsidenten-Limousine einen Wutausbruch gehabt haben.
Weil sich die Secret-Service-Leibwächter weigerten, den Präsidenten zu den an diesem Tag stattfindenden Ausschreitungen seiner Fans am Kapitol zu fahren, griff Trump offenbar ins Lenkrad und legte die Hand an den Hals eines Bodyguards, als wollte er ihn erwürgen. »Ich bin der verfluchte Präsident, bringt mich zum Kapitol«, soll Trump gebrüllt haben.
Über die Episode berichtete im Untersuchungsausschuss zum 6. Januar eine frühere Mitarbeiterin im Weißen Haus, Cassidy Hutchinson. Demnach soll Trump bei einer anderen Gelegenheiten aus Wut sein Mittagessen an die Wand geworfen haben. In einem Fall ging es wohl um den Chef des Justizressorts, William Barr, der sich weigerte, Trumps Behauptungen über Wahlmanipulationen mitzutragen.
Zeugin Cassidy Hutchinson
Foto: STEFANI REYNOLDS / AFP
Für Trump ist die Aussage von Hutchinson mehr als unerfreulich. Neben den Wut-Anekdoten lieferte sie nämlich auch zahlreiche zusätzliche Hinweise darauf, dass Trump und seine engsten Mitarbeiter schon Tage vor dem Sturm auf das Kapitol wussten, dass es zu gewaltsamen Ausschreitungen kommen könnte. Ihnen war demnach auch klar, dass zahlreiche Menschen in der Menge Waffen dabei hatten. Sie unternahmen jedoch nichts dagegen.
Trump selbst reagierte auf die neuen Enthüllungen auf seine übliche Art: Er verteufelte die Zeugin Hutchinson. Diese sei eine Mitarbeiterin gewesen, über die er nur Schlechtes gehört habe und die er »kaum gekannt habe«, so Trump. Natürlich nicht.
Sommer-Albtraum Fliegen
Fliegen ist zurzeit die Hölle – mit Lufthansa wie auch mit anderen Linien. Tausende, oft kurzfristige Flugstreichungen, Zwangsumbuchungen, massive Verspätungen, schier unendliche Warteschlangen, verloren gegangene Koffer. In diesen ersten sommerlichen Chaos-Wochen gilt: Wer fliegen will, muss leiden. Dabei hat die Hauptreisezeit noch nicht einmal richtig begonnen.
Besserung ist nicht in Sicht, analysieren meine Kollegen Claus Hecking und Martin U. Müller. Nicht diesen Sommer. Und womöglich auch nicht im nächsten. Denn viele Fluglinien, Flughäfen und Dienstleister haben sich selbst in diesen Schlamassel hineinmanövriert: mit einem überzogenen Personalabbau in der Coronapandemie, den sie jetzt nicht wettmachen können.
Anzeigetafel mit gestrichenen Flügen in Düsseldorf
Foto: Federico Gambarini / dpa
Sogar der sonst so selbstbewusste Lufthansa-Chef Carsten Spohr muss Abbitte für das Chaos leisten. Die Situation werde sich »kurzfristig kaum verbessern«, erklärte der CEO der größten Airlinegruppe Europas in einem Schreiben an die Passagiere – und entschuldigte sich im Namen des Unternehmens.
Auch die Bundesregierung ist nun aufgewacht und will sich um die Probleme kümmern. Es gibt seit einigen Tagen eine Koordinierungsgruppe, die Maßnahmen zur kurzfristigen Abhilfe der Situation an den deutschen Flughäfen finden soll. Erste Ideen wollen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), Arbeitsminister Hubertus Heil und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) heute vorstellen. Wenn Sie diesen Newsletter jetzt gerade in der Warteschlange am Flughafen lesen, wird Ihnen das natürlich nicht mehr helfen. Trotzdem: Gute Reise.
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Verliererin des Tages…
Gerichtszeichnung von Ghislaine Maxwell
Foto: JANE ROSENBERG / REUTERS
… ist die frühere Lebensgefährtin des verstorbenen Milliardärs Jeffrey Epstein, Ghislaine Maxwell. Ein Gericht in New York hat die 60-Jährige wegen Menschenhandels mit Minderjährigen zu Missbrauchszwecken zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Maxwell muss 20 Jahre hinter Gitter.
Sie war bereits im vergangenen Jahr von einer Jury schuldig gesprochen worden. Das Strafmaß wurde nun, wie bei solchen Verfahren in den USA üblich, mit einiger Verzögerung vom Gericht festgelegt. Als Freundin Epsteins hatte Maxwell jahrelang an dessen sexuellen Straftaten mitgewirkt. Das Paar betrieb unter anderem in New York und Florida einen Ring zum sexuellen Missbrauch von Mädchen. In die Sache soll neben anderen Prominenten auch der britische Prinz Andrew verwickelt gewesen sein.
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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihr Roland Nelles
