Die alte Vorsitzende ist auch die neue: Janine Wissler ist auf dem Parteitag der Linken erneut zur Parteichefin gewählt worden. Für die 41-Jährige stimmten in Erfurt 319 Delegierte (57,5 Prozent der Stimmen).
Ihre Herausforderin Heidi Reichinnek erhielt 199 Stimmen (35,8 Prozent), die dritte Kandidatin für den Posten, Julia Bonk, erhielt 14 Stimmen (2,5 Prozent). 23 Delegierte (4,2) enthielten sich.
Wissler war erstmals im Februar 2021 gewählt worden und erst anderthalb Jahre im Amt. Nach einer verschleppten MeToo-Diskussion und katastrophalen Wahlergebnissen galt sie vor dem Parteitag als angeschlagen. Die Fraktionsführung, die sich gegen Wissler stellt, hatte daher die niedersächsische Bundestagsabgeordnete Reichinnek, frauenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, als Gegnerin ins Spiel gebracht.
Der SPIEGEL hatte im April Vorwürfe sexueller Übergriffe bei der hessischen Linken, Wisslers Heimatlandesverband, aufgedeckt. Der Parteichefin wird vorgeworfen, von Übergriffen gewusst und nichts unternommen zu haben. Bei einem der Beschuldigten handelt es sich um ihren damaligen Partner. Im Zuge des Skandals trat Wisslers Co-Chefin Susannne Hennig Wellsow zurück, Wissler hatte sich nun auf dem Parteitag erstmals für den verschleppten Umgang mit Betroffenen entschuldigt.
»Wir brauchen mehr Team, weniger Ich-AG«
Der Sieg Wisslers gilt nun als deutlicher Gewinn des Parteiestablishments, bereits zuvor unterlag das Lager um Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht in einer Abstimmung zur Ukrainefrage. In ihren Reden hatten Wissler wie Reichinnek die Einheit der Partei beschworen. »Der politische Gegner sitzt nicht in der Partei, sondern außerhalb. Wir brauchen mehr Team, weniger Ich-AG«, sagte die Parteichefin.
Die Strategie einiger Linken, Menschen auf persönlicher Eben anzugreifen, müsse aufhören, betonte auch Reichinnek. Zugleich hatte sie Spitzen gegen die Parteichefin verteilt. Sie wolle mehr machen, »als nur an ein paar Haustüren zu klopfen«. Die Öffentlichkeitsarbeit der Partei müsse deutlich überarbeitet werden. Wissler hatte zuvor betont, die Linke müsse wieder mehr ins direkte Gespräch mit potenziellen Wählerinnen und Wählern kommen.
Bis Sonntag tagt die Linke in Erfurt, der Parteitag soll ein Neuanfang werden. Neben Wissler bewerben sich unter anderem auch der EU-Co-Fraktionsvorsitzende Martin Schirdewan und der sächsische Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann um den Co-Vorsitz. Deren Wahl steht noch aus.