Erstmals seit Bekanntwerden der MeToo-Vorwürfe in der Linken hat die Parteichefin Janine Wissler bei betroffenen Frauen in der Partei um Entschuldigung gebeten. »Bei allen Frauen, denen wir nichts oder wenig anbieten konnten, wenn ihnen Unrecht widerfahren ist, möchte ich mich aufrichtig entschuldigen«, sagte Wissler bei ihrer Rede zur Eröffnung des Linken-Parteitags in Erfurt.
Als feministische Partei müsse der Anspruch, keinen Sexismus und keine Übergriffe zuzulassen, besonders hoch sein, Frauen müssten besser geschützt werden. Über ihre eigene Rolle sagte Wissler: »Ich würde nicht sagen, dass ich alles richtig gemacht habe.«
Der SPIEGEL hatte im April Vorwürfe sexueller Übergriffe bei der hessischen Linken , Wisslers Heimatlandesverband, aufgedeckt. Der Parteichefin wird vorgeworfen, von Übergriffen gewusst und nichts unternommen zu haben. Bei einem der Beschuldigten handelt es sich um ihren damaligen Partner. Wissler wies die Anschuldigungen bislang zurück. Im Zuge des Skandals trat Wisslers Co-Chefin Susannne Hennig Wellsow zurück.
Bis Sonntag tagt die Linke in Erfurt, der Parteitag soll ein Neuanfang werden. Die komplette Parteiführung wird neu gewählt, auch über ihren zukünftigen Kurs und ihre Haltung im Ukrainekrieg will die Partei streiten. Wissler tritt erneut als Vorsitzende an, bei ihrer knapp 40-minütigen Rede schlug sie kämpferische, aber auch die Lager versöhnende Töne an.
Neben Wissler bewerben sich unter anderem auch der EU-Co-Fraktionsvorsitzende Martin Schirdewan, die Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek und der sächsische Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann um den Vorsitz.