Nach seiner Weigerung, ein Ende des Verbrennungsmotors in der EU mitzutragen, sieht sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mit scharfer Kritik aus den Reihen der Koalitionspartner konfrontiert.
»Wer sich ambitionierten Zielen verweigert, der versperrt damit innovative Wege. Hier geht es ja nicht um die persönlichen Hobbys von Autofan Christian Lindner, sondern darum, die Klimakatastrophe abzuwenden«, sagte SPD-Parteivize Thomas Kutschaty dem SPIEGEL. »Ein Veto aus ideologischem Reflex verhindert einen entscheidenden Baustein zur Erreichung von Klimaneutralität. Schließlich haben sich die Ampelparteien darauf verständigt, die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns zu lassen.«
Auch die Grüne reagieren verärgert. »Christian Lindner scheint innerlich schon in der Opposition zu sein. Das Land geht durch eine große Krise, aber bei ihm geht es nur um Parteipolitik. Das ist verantwortungslos«, kritisierte Rasmus Andresen, Vorsitzender der deutschen Grünen im Europaparlament.
Stefan Gelbhaar, Verkehrsexperte der grünen Bundestagsfraktion, sagte: »Der Koalitionsvertrag ist in Sachen Flottengrenzwerte sehr eindeutig, die Zustimmung ist vereinbart. Da wird sich Christian Lindner erklären müssen.«
Lindner hatte gestern auf dem Tag der Industrie erklärt, er halte ein Verbot des Verbrennungsmotors für falsch. »Ich habe deshalb entschieden, dass ich in der Bundesregierung dieser europäischen Rechtsetzung nicht zustimmen werde«, sagte er. Die anstehende EU-Entscheidung sei leider nicht technologieoffen.
Das EU-Parlament hatte kürzlich im Kern einem Kommissionsvorschlag zugestimmt, der vorsieht, dass die Flottengrenzwerte ab 2035 bei null liegen. Das gilt für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge und bedeutet, dass in Europa neu zugelassene Autos ab dann keinerlei CO₂ mehr ausstoßen dürfen. Damit wären Verbrennungsmotoren faktisch verboten. Der Rat, in dem Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten sitzen, muss aber noch zustimmen.
Im Koalitionsvertrag hatten die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP diese EU-Pläne aufgenommen, ihnen zugestimmt und sogar ein früheres Verbrenner-Aus in Deutschland in Aussicht gestellt: »Gemäß den Vorschlägen der Europäischen Kommission werden im Verkehrsbereich in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen – entsprechend früher wirkt sich dies in Deutschland aus. Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können.«
Grüne und das zuständige Bundesumweltministerium erklären diese Sätze so: Für Autos, für die Flottengrenzwerte gelten, ist der Verbrennungsmotor dann am Ende. Für andere Fahrzeuge, für diese Grenzwerte nicht gelten, etwa Traktoren oder Lkw, wäre eine Lösung über synthetische klimaneutrale Kraftstoffe denkbar, wie die FDP sie möchte.
In der Präambel des Koalitionsvertrags steht außerdem: »Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch, indem wir (…) die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns lassen.«
Für den 3. März und noch einmal für den Ausschuss der Ständigen Vertreter am 13. Mai hatte das Umweltministerium Weisungen erarbeitet, in denen den Kommissionsvorschlägen zum Verbrenner-Aus jeweils zugestimmt wird, und die dem Text nach mit Lindners Finanzministerium abgestimmt waren.
Das Umweltministerium teilte entsprechend mit, die Bundesregierung unterstütze »vollumfänglich den Vorschlag der Kommission und des Europäischen Parlaments, ab 2035 neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge nur noch mit Nullemissionsantrieben zuzulassen.«
Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte am Mittwoch in Berlin, dass die Bundesregierung ihre Position zur Abstimmung über ein EU-Verbot des Verbrennermotors noch nicht festgelegt habe. »Die Bundesregierung befindet sich gerade in Gesprächen«, sagte er. »Danach wird verkündet, wie sie sich im zuständigen Ausschuss verhalten wird«, fügte er mit Blick auf die Abstimmung im EU-Umweltausschuss am 28. Juni hinzu.