CDU-Chef Friedrich Merz hat sich für längere Laufzeiten der drei noch verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland ausgesprochen. Dies sei technisch möglich und juristisch vertretbar, sagte Merz beim Tag der Industrie in Berlin. Es sollte möglich sein, die drei Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, um Deutschland ausreichend mit Energie zu versorgen. Die Atommeiler sollen eigentlich Ende 2022 vom Netz gehen.
Russlands Drosselung der Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream hatte die Debatte über eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland neu entfacht. Merz sprach sich außerdem dafür aus, viel mehr auf die Technik einer Abscheidung und -Speicherung von CO₂ zu setzen. Kritiker halten diesen Ansatz für riskant. Laut Umweltbundesamt etwa kann es bei einer Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund im Falle von Leckagen zu schädlichen Wirkungen auf das Grundwasser und den Boden kommen.
SPD und Grüne halten an Ausstieg fest
SPD und Grüne sehen auch vor dem Hintergrund ausbleibender Gaslieferungen aus Russland keinen Grund, von dem zum Jahresende geplanten Atomausstieg abzurücken. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verwies am Dienstag in Berlin auf die gemeinsam getroffene politische Festlegung, »dass wir aus der Nutzung der Kernenergie aussteigen werden«. Es stünden für eine sichere Energieversorgung auch »genug Alternativen« zur Verfügung.
Skeptisch äußerte sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz. Er verwies darauf, dass die aktuell eingesetzten Brennstäbe in den AKWs »noch reichen bis zum Jahresende«. Gegen ein mögliches Strecken dieser Vorräte spreche, dass es gerade wichtig sei, »dass wir in diesem Sommer so viel Strom auf andere Weise produzieren« als mit Gas. Insofern habe mit Blick auf Laufzeitverlängerungen bisher niemand einen Vorschlag gemacht, »wie es geht«.
Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) hatten von längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke abgeraten. »Einem kleinen Beitrag zur Energieversorgung stünden große wirtschaftliche, rechtliche und sicherheitstechnische Risiken entgegen«, hieß es in einem gemeinsamen Prüfvermerk der beiden Häuser.
Lindner: »Offene, ideologiefreie Debatte«
Führende FDP-Politiker forderten dagegen, einen Weiterbetrieb der drei noch laufenden deutschen Atomkraftwerke zumindest noch einmal zu prüfen. Er sei »für eine offene, ideologiefreie Debatte, ob wir auch die Nuklearoption für uns erhalten«, sagte Parteichef Christian Lindner in einer Rede vor dem Industrieverband BDI. Vorrang müsse haben, »die Energieversorgung für uns zu sichern«, die aktuelle Knappheit würden »auch noch so viele LNG-Terminals nicht beseitigen«.
Im Vordergrund müsse stehen, »wie wir eine mögliche Stromlücke im Winter verhindern«, sagte auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr in Berlin. »Da muss Kernenergie in Deutschland eine Option bleiben«, rief er dazu auf, »jetzt alle Ideologie beiseite« zu legen. Die Bundesregierung solle daher prüfen, »inwieweit wir auch Kernenergie zur Überbrückung nutzen können«, so Dürr gegenüber dem Portal t-online.de.