Sympathie für die russische Regierung gehörte lange zum Kern der Linken. Seit dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine hat sich das geändert. Teile der Partei ringen um einen neuen Kurs, andere verwahren sich weiterhin gegen das, was sie als pauschale Kritik am Kreml empfinden. Unmittelbar vor dem Parteitag in Erfurt bemüht sich nun die Abgeordnete Sahra Wagenknecht um Deeskalation.
Die prominente Ex-Fraktionschefin hatte erst vergangene Woche einen Änderungsantrag zum Leitantrag der Parteiführung eingebracht (der SPIEGEL berichtete), wonach Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine gestrichen werden sollten. Der Antrag Wagenknechts und etwa 50 weiterer Delegierter löste in der Partei heftige Diskussionen aus.
Nun sagte Wagenknecht dem SPIEGEL, sich doch nicht mehr gegen die Solidaritäts-Passage stellen zu wollen. Ihr neuer Antrag liegt dem SPIEGEL vor, zuvor hatte auch die »Neue Osnabrücker Zeitung« darüber berichtet.
Es geht um folgende Passage: »Unsere Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine, die leiden, Widerstand leisten oder flüchten müssen. Unsere Solidarität gehört ebenso den Menschen in Russland, die sich gegen den Krieg stellen, desertieren und dafür Verfolgung befürchten müssen; den Menschen, die sich weltweit gegen Krieg stellen, und die Menschen auf der Flucht unterstützen.«
»Bewusste Verfälschung«
Die Rücknahme der Passage begründet Wagenknecht dem SPIEGEL damit, dass sie nie vorgehabt habe, die Solidarität mit der Ukraine zu streichen – und unterstellt Kritikern eine von Beginn an »bewusste Verfälschung«. Sie hoffe nun, »dass ab jetzt über das diskutiert wird, worum es uns wirklich geht: dass die Linke das unsägliche Zeitenwende-Gerede nicht mitmacht«. Angesichts des russischen Angriffs hatte Bundeskanzler Scholz im Februar von einer »Zeitenwende« gesprochen und unter anderem mehr Ausgaben für Rüstung angekündigt.
Eine deutliche Distanzierung von Russland ist der neue Antrag jedoch nicht. Weiterhin setzt sich die Gruppe um Wagenknecht für die Änderung anderer Passagen des Leitantrags der Parteiführung ein.
So soll darin unter anderem weiterhin der Satz »Wir verurteilen den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands aufs Schärfste« getilgt werden. Auch Formulierungen zur »imperialistischen Politik« und »nationalistischen, militaristischen und autokratischen Großmachtideologie« Russlands will die Gruppe hinter dem Antrag weiterhin gestrichen sehen.
Gleichsetzung der Kriege Russlands und der USA
Wagenknecht betont, der Antrag wolle den »Kampf um Macht, Profit und Einflusssphären« im Allgemeinen verurteilen – und nenne daher den russischen Krieg in der Ukraine ebenso wie die Kriege der USA und ihrer Verbündeten. »Die Linke sollte nicht hinter dem Papst zurückbleiben, der darauf hingewiesen hat, dass das ›Bellen der Nato an Russlands Tür‹ für den Ausbruch des Krieges mitverantwortlich ist.« Der Ukrainekrieg sei durch nichts zu rechtfertigen, wäre aber wahrscheinlich vermeidbar gewesen, so Wagenknecht.
Auf dem Parteitag von Freitag bis Sonntag will sich die Linke nach einer Reihe von Wahlniederlagen und interner Streitigkeiten grunderneuern. Die Parteiführung soll einmal komplett neu gewählt werden, inklusive einer neuen Doppelspitze.
Die bisherige Parteichefin Janine Wissler stellt sich zur Wiederwahl. Neben ihr bewerben sich unter anderem auch der EU-Co-Fraktionsvorsitzende Martin Schirdewan, die Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek und der Wagenknecht nahestehende sächsische Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann um den Vorsitz.