In den vergangenen zwei Jahren waren sich Wissenschaft und Politik weitestgehend einig, dass das Coronavirus eine große Gefahr darstellt. In der Frage, ob und welche Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen werden müssen, ging die Bewertung jedoch auseinander. Neben der AfD stellte sich im Bundestag vor allem die FDP gegen harte Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie – sehr zum Leidwesen ihres früheren Spitzenpolitikers Gerhart Baum.
Der 89-jährige Liberale hat nun den Coronakurs der aktuellen Parteiführung scharf kritisiert und ihr teils Verantwortungslosigkeit vorgeworfen. Misstrauen gegenüber staatlichen Eingriffen sei zwar »ein unverzichtbares Wesensmerkmal liberaler Politik«, sagte der 89-jährige frühere Bundesinnenminister (1978 bis 1982) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Aber dies darf nicht dazu führen, dass die notwendige Verantwortung für das Gemeinwohl auf der Strecke bleibt.«
Die FDP sei bei den jüngsten Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen »auch wegen ihrer Pandemiepolitik«, wie Baum sich ausdrückte, »desaströs gescheitert«. Gleichwohl kündige FDP-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki deren Fortsetzung im Herbst an, kritisierte er.
»Populismus, dem die Wähler nicht gefolgt sind«
Die FDP habe sich für Lockerungen der Schutzmaßnahmen eingesetzt, »auch dann, wenn es nicht zu verantworten war, so im Herbst 2020, als das Zögern mit einem Lockdown bezahlt werden musste«. Die FDP-Politik war »zeitweise ein Stück Populismus, dem die Wähler nicht gefolgt sind«, sagte Baum. »Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, dass alle anderen demokratischen Parteien, alle Bundesländer und die Wissenschaft auf dem Holzwege waren.«
Innerhalb der Koalition wird zunehmend darüber gestritten, welche Coronaschutzmaßnahmen für den Herbst festgelegt werden sollen. Vor allem die FDP steht dabei weiter auf der Bremse.