Angesichts von Überlegungen der CDU, mit Zustimmung der AfD im Thüringer Landtag kommende Woche einen Antrag für feste Windrad-Abstände durchzusetzen, fordern SPD und Grüne den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zum Eingreifen auf. Ein Gesetz gegen die Stimmen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung sei »eine Gesetzesmehrheit von Höckes Gnaden«, warnte SPD-Generalsekretär Kevin in Anspielung auf den rechtsextremen AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke. »So etwas gab es noch nie und darf es niemals geben.«
Kühnert sagte dem SPIEGEL: »In der CDU ist jetzt Führung gefragt, denn im Landtag in Erfurt wird auch die Autorität von Parteichef Friedrich Merz herausgefordert.« Offenbar sei man in der CDU der Auffassung, im Zusammenspiel mit der AfD beginne die Sperrzone erst bei gemeinsamen Koalitionen. »Wer so argumentiert, der hat nichts gelernt.« Der CDU verblieben nun noch wenige Tage, um dem Freistaat Thüringen einen »Bärendienst zu ersparen«.
Die Politische Geschäftsführerin der Grünen Emily Büning nahm ebenfalls den CDU-Chef in die Verantwortung: »Friedrich Merz hat im Dezember letzten Jahres gesagt, >Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben<, und bei Zuwiderhandlung sogar mit Parteiausschlussverfahren gedroht. Nun schweigt er.« Büning sagte dem SPIEGEL weiter: »Keine Partei darf sich von den Stimmen der Rechtsextremen abhängig machen. Ich erwarte von der CDU als demokratischer Kraft, dass diese Brandmauer steht.«
SPD-Generalsekretär Kühnert: : »In der CDU ist jetzt Führung gefragt«
Foto: Michael Kappeler / dpa
Hintergrund des Streits ist ein Antrag der Thüringer CDU, mit dem ein Mindestabstand von 1000 Metern zwischen Windrädern und Wohngebäuden per Gesetz festgeschrieben werden soll. Weil die rot-rot-grüne Minderheitsregierung gegen den Vorstoß ist, brauchen die Christdemokraten für die Mehrheit im Thüringer Landtag die Stimmen von FDP und AfD. Beide Parteien haben Zustimmung signalisiert. Bislang wurde im Landtag noch nie ein Gesetz mit Hilfe der AfD durchgesetzt.
Der Fall erinnert nicht nur an die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Kurzzeit-Ministerpräsidenten mit Hilfe von AfD-Stimmen, er weckt auch Erinnerungen an einen Konflikt in Sachsen-Anhalt. Dort hatten Teile der Landes-CDU im November 2020 erwogen, auf die Stimmen der AfD zu setzen, um eine Beitragserhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stoppen.
Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) hatte das Vorhaben im letzten Moment verhindert, der Vorgang löste aber einen massiven Streit im Landesverband aus, belastete die Parteiführung in Berlin und bescherte den Christdemokraten eine unangenehme Debatte über ihr Verhältnis zur extremen Rechten.
In der CDU-Führung in Berlin wird betont, dass jede Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen sei, das Einbringen von eigenen Anträgen allerdings elementarer Bestandteil der parlamentarischen Arbeit sei. Das gelte auch für die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag. Jenseits der CDU entscheide dann jeder eigenständig darüber, wie er sich zu dem Vorschlag verhalte.
Das Argument, die Thüringer CDU werbe im Landtag nur für die eigenen Positionen, sei eine Nebelkerze, kritisierte die Grünen-Geschäftsführerin Büning. »Die AfD hat bereits Zustimmung signalisiert und wird damit zur Mehrheitsbeschafferin. Damit macht die Thüringer CDU wissentlich Politik mit Demokratiefeinden.«
Der Fall könnte für Merz auch deshalb unangenehm werden, weil er sich als Parteichef vorgenommen hatte, im Verhältnis zu den Rechtspopulisten eine glasklare Linie zu ziehen. Dem SPIEGEL hatte er im vergangenen Dezember gesagt: »Die Landesverbände, vor allem im Osten, bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an.« Er betonte damals: »Wir sind nicht die XYZ-Partei, die mit jedem kann. Wir sind die CDU.«
SPD-General Kühnert sieht nun Merz in der Pflicht. »Die nächste Woche wird zeigen, was diese Worte noch wert sind«, sagte er. Auch die Linkspartei warnt den CDU-Chef sowie die Spitze der FDP, einen Tabubruch zu tolerieren. »Ist die Merzsche Brandmauer ein Kartenhaus? Kemmerichzeiten in Thüringen? Ich erwarte von Friedrich Merz und Christian Lindner sofortiges Handeln.«